Kim schritt zum Gerät und schaltete es aus.
»He, was ist los?«, regte sich Pauly auf.
»Ich muss mit dir reden«, sagte Kim. »Und da will ich, dass du mir zuhörst!«
Pauly legte den Kopf zurück, zog die Beine auf den Sessel, gähnte mit weit geöffnetem Mund.
»Meine Verabredung hatte mit diesem Manuskript zu tun«, erklärte Kim.
Pauly setzte sich im Sessel auf. »Was soll das?«, fragte er. »Das bringt doch nichts.«
»So, meinst du?« Ihre Augen musterten Pauly mit prüfendem Blick. »Willst du mir nun zuhören?«, fragte sie dann.
»Also, lass es schon raus, wenn es unbedingt sein muss!«, erwiderte er.
»Ich habe mit jemandem über das Manuskript gesprochen«, verriet Kim.
»Und?« Pauly wirkte völlig uninteressiert. Er zupfte mit den Fingern an seinem Trainingsanzug herum.
»Ich gehe am Montag zu einem Agenten«, sagte sie, »und werde ihm das Manuskript anbieten.«
»Anbieten?«, fragte er. »Was soll das heißen?«
»Vielleicht kann es veröffentlicht werden.«
»Du spinnst doch«, meinte er spöttisch.
»Lass mich nur machen, Nino! Wenn derjenige, der dieses Manuskript geschrieben hat, es nicht mehr will und wegwirft, dann komme eben ich und mache etwas damit.«
»Der wird sich freuen, wenn er sein Buch plötzlich irgendwo sieht.«
»Vorausgesetzt, er kommt dahinter«, erwiderte Kim.
»Der wird doch sein eigenes Geschreibsel erkennen.«
»Dazu muss er es zuerst gedruckt lesen«, sagte Kim und drückte die Zigarette aus. »Es erscheinen laufend neue Bücher. Wenn wir also den Titel ändern, dazu einen erfundenen Namen als Autor angeben, besteht kaum eine Chance, dass der richtige Verfasser dahinterkommt.«
»Was dir so durch den Kopf geht!«, stellte Pauly fest. »Gut, die Idee ist ja soweit nicht schlecht. Aber mal angenommen, du schaffst es wirklich, dass dieses Manuskript veröffentlicht wird – «
»Was ist dann?«, fragte Kim neugierig.
»Betrug ist das.«
Sie schwieg.
»Und wer soll bei deiner Idee das Manuskript denn geschrieben haben?«, wollte Pauly wissen. »Etwa du selbst?«
»Es muss ein Mann sein«, antwortete sie.
»Und wieso?«
»Weil es von einem Mann geschrieben wurde.«
»Wenn ich dich so reden höre.« Pauly grinste. »Wie damals, als dir dieser Robert die große Karriere als Fotomodel eingeredet hat.«
»Stimmt, Nino. Nur wirst du mich diesmal nicht davon abbringen.«
»Mir kann es ja egal sein. Ich habe die Sache zwar gefunden, aber was du nun damit machst – es hat offenbar keinen Sinn, dagegen anzugehen.«
»Wir müssen die Sache nur gut planen«, sagte Kim.
»Wir? Lass mich da bitte raus!«
»Und für wie lange?«, fragte sie. »Ich nehme an, wenn es Geld einbringt, wirst du garantiert dabei sein!«
»Wenn, wenn, wenn!«, reagierte Pauly und fuchtelte mit der Hand herum. »Wenn der Kram wirklich was taugt und du dich auf die Socken machst – ja, ich traue dir sogar zu, dass du eventuell was rausholen kannst. Aber wie viel wird es sein? Reich können wir damit bestimmt nicht werden.«
»Wenn es nur einige Tausender bringt.« Sie warf ihm einen verständnisheischenden Blick zu. »Das ist doch schon etwas, oder?«
»Von mir aus.«
»Rolf Hoerning hat mir den Tipp mit dem Agenten gegeben«, sagte Kim.
»Wer ist das?«
»Der Journalist aus Nizza.«
»Ach der«, sagte Pauly abschätzig.
»Ich habe Hoerning übrigens gesagt, du hättest den Roman geschrieben.
Paulys Gesicht erstarrte vor Fassungslosigkeit. »Was hast du?«
Kim trat auf ihn zu und blieb dicht vor ihm stehen.
»Du willst mich wohl auf den Arm nehmen, was?«, sagte Pauly. »Das kauft dir doch niemand ab!«
»Nino.« Kim kniete sich zu ihm herunter und legte ihre Hand auf sein Knie. »Lass mich nur machen!«, sagte sie leise. »Ich weiß, was ich will und werde es diesmal auch erreichen.«
»Ich und ein Buch schreiben!«, rief Pauly.
»Die Sache muss unter uns bleiben«, sagte Kim. »Du hast das Manuskript geschrieben, und ich werde alles andere erledigen.«
»Warum erfindest du nicht einen Namen?«
»Lass es uns mal so versuchen!«
»Das haut nie hin«, versicherte Pauly.
»Machst du nun mit, Nino?« Kim griff nach Paulys Hand und drückte sie.
»Ich kenne ja nicht einmal den Inhalt«, sagte er.
»Du musst es eben lesen.«
»Sagen wir, ich werde es mir mal vorsichtig ansehen. Lesen war nie meine Stärke.« Pauly beugte seinen Oberkörper vor, um Kim zu küssen. Sie kam ihm entgegen, legte ihre Arme um seinen kräftigen Hals. Zwei Hände zogen sie auf den Sessel. Sie spürte den muskulösen Körper unter dem ihren. »Du bist ein verrücktes Weib«, flüsterte ihr Pauly ins Ohr. »Jetzt habe ich so richtig Lust auf dich.«
»Du darfst niemandem davon erzählen«, flüsterte Kim.
»Ich schwörs dir, Kleine«, sagte Pauly, der nur noch das eine wollte.
Kim lächelte. Dann verfing sie sich, schon halb ausgezogen, in seinen Umarmungen. Jetzt konnte sie sich gehen lassen.
Kapitel 3 (Das Manuskript)
»Wie war das Wochenende?«, fragte Astrid wie jeden Montagmorgen.
»Nichts besonderes«, antwortete Kim, die lustlos an ihrem Schreibtisch sass und zum Fenster hinausschaute. Draußen regnete es in Strömen.
Das Telefon auf Astrids Schreibtisch klingelte. Sie hob ab. Kim hörte sie sprechen, achtete aber nicht darauf, was ihre Arbeitskollegin sagte. Am liebsten wäre sie wieder nach Hause gegangen, um von dort aus diesen Agenten anzurufen. Doch das konnte sie sich nicht leisten. Sie hatte schon letzte Woche einen Tag gefehlt.
»Kim – wir sind hier bei der Arbeit!« Astrid, die das Telefongespräch beendet hatte, holte sie aus den Gedanken. Und in einem ernsthafteren Ton kam dann die Frage: »Hast du Probleme mit Nino?«
Kim schaute Astrid an. »Mit Nino?«, sagte sie, als gäbe es da etwas nachzudenken. »Nein, mit Nino ist nichts.«
Die Tür ging auf, und Lehner, der Personalchef, trat ein. Wie immer war er korrekt in einem dunkelgrauen Anzug, mit weißem Hemd und Krawatte, gekleidet. »Guten Morgen«, grüßte er mit klarer, fester Stimme.
Kim erwiderte dies mit Murmeln und Kopfnicken. Astrid gab sich mehr Mühe.
Lehner blieb neben Kims Schreibtisch stehen, bemüht, mit der einen Hand in der Hosentasche locker zu wirken.
Kim fing auf der vor ihr liegenden Tastatur zu tippen an und warf ab und zu einen Blick auf den Bildschirm.
»Ich möchte Sie später sprechen«, sagte Lehner. »Um zehn in meinem Büro.«
»Ja«, sagte Kim knapp und ohne die Tipperei zu unterbrechen.
Lehner verließ den Raum.
»Der geht aber ganz schön forsch mit dir um«, sagte Astrid. Kim stützte ihren Kopf auf beiden Händen ab. Nun fühlte sie sich erst recht schlecht.
»Du hättest ihn damals eben nicht so kalt abblitzen lassen sollen.«
Kim reagierte nicht darauf. Da Astrid das Thema auch nicht weiter verfolgte, wurde einige Zeit konzentriert gearbeitet.
»Ich geh mal schnell zur Haselmann rüber«, sagte Astrid nach einiger Zeit.
Kaum war Astrid draußen, überkam Kim eine eigenartige Unruhe. Natürlich: die Sache mit diesem Anton Rozeck. Jetzt hatte sie doch Gelegenheit, ihn anzurufen. Schon holte sie ihr Notizbuch aus der Handtasche. Aufgeregt wählte sie die Nummer, presste den Hörer ans Ohr.
»Agentur Rozeck«, meldete sich eine Frauenstimme.
Kim verlangte, mit Herrn Rozeck zu sprechen, und wurde weiterverbunden.
»Rozeck«, sagte eine tiefe Stimme.
Kim nannte ihren Namen und erklärte dem Mann ihr Anliegen. Er hörte ihr aufmerksam zu – zumindest hatte sie diesen Eindruck. Als sie ihm vorschlug, in den nächsten Tagen bei ihm vorbeizukommen, reagierte er zurückhaltend. Er sei an neuen Stoffen zwar grundsätzlich interessiert. Daher solle sie ihm das Manuskript zur Prüfung zusenden. Das ganze Gespräch dauerte kaum zwei Minuten.
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