In seiner Fantasie malte er sich die Szenen in der Berliner Hotelsuite in den schillerndsten Farben. Die Frauen klopften an die Zimmertür. Friedemann Michel öffnete verdutzt und blickte schon rettungslos verloren in eine zu allem bereite Weiblichkeit, die nur eines wollte. Ihn! Wie Wasser strömten sie an ihm vorbei, die Tür fiel hinter ihnen ins Schloss. Nestelnd an seinem Bademantel, Wellen aus Lust. Zusammen ein unvollendeter Michelangelo, ein unvollendetes letztes Abendmahl. Mit ihm in der Mitte. Ein obszönes Abendmahl, Champagner und eine Prise Kokain. Wer konnte da Nein sagen? Friedemann Michel sicherlich nicht.
Während jene mit den langen roten Stiefeln und ansonsten mit nichts bekleidet als mit dem Wunsch ihn zu zähmen, rittlings auf ihm saß, auf dem Bett, auf dem er mit dem Rücken lag, beobachtete er eine Gruppe aus drei Frauen wie das dreidimensionale Gemälde eines alten flämischen Meistermalers auf dem Sofa. Die Champagnerflasche ging von Mund zu Mund, Schaum lief über Brüste und Schöße. Hände verrieben das Vergossene. Hände massierten Knospen und Schamlippen. Pulsierende Lippen öffneten sich wie Magnolien in der Frühlingsluft. Eine Frau setzte sich zusätzlich mit ihrem Schoss auf sein Gesicht und es setzte ein Sinneswandel ein. Jetzt sah er die Welt mit seiner Nase und ein Bouquet von tausend Farben schoss Regenbogen durch seinen Kopf.
In seinem Allmachtswahn hat er dann vielleicht versucht, Heringe zu fangen. Anders konnte sich Janzen die Verwüstungen nicht erklären. In seinen, Janzens, Vorstellungen musste der Großstadthai versucht haben, mit seinem weit geöffneten Maul den Schwarm um ihn herum zu erwischen. Ein Versuch, der im Ozean und in Hotelsuiten selten gelingt. In seiner Raserei fielen Gläser, Flaschen, Tische und Stühle. Spiegel gingen zu Bruch. Es kam zu Verletzungen, Blut an den Wänden, Erbrochenes und Urin auf dem Teppich. Alles in allem ein Fanal. Aufgeschreckte Hotelgäste oder auch ein anonymer Anruf von außen brachte schließlich das Sicherheitspersonal auf Trab. Und so übergab die Fantasie, Janzens Fantasie, den Staffelstab an die in Protokollen beurkundete Wirklichkeit über den Auszug der Orgie und ihrer Teilnehmer aus dem Hotel. Sieben Frauen überwiegend russischer Provenienz und ein Mann: Friedemann Michel, mehr Opfer als Täter.
Janzen war gespannt, ob ihn die alten Geschichten beeinflussen würden, wenn er dem Moderator am Ende der Woche gegenüberstünde. Jetzt aber war es wichtig, Reimer in der Spur zu halten. „Carl, ich habe dich gesehen, wie du draußen vor dem Labor mit dem Reporter geredet hast, der neulich bei uns war. Ich hoffe nicht, dass du irgendetwas von den Problemchen erzählt hast, mit denen wir uns hier gerade herumschlagen.“ Reimer, der die Auswertung einer Testreihe im Blick hatte, schaute kurz zu Janzen hoch, um sich dann wieder kommentarlos den Diagrammen auf dem Monitor zuzuwenden. „Carl, das ist wichtig. Wenn der Typ vom Sender in dieser Woche anruft, dann möchte ich, dass du nichts hinausposaunst, was wir nicht miteinander abgesprochen haben. Ich will nicht, dass die vom Sender irgendetwas gegen uns in der Hand haben. Carl, kann ich mich darauf verlassen?“ Reimer brabbelte etwas vor sich hin, das sich für Janzen wie eine Zustimmung anhörte, während er Schläuche und Klemmen ins Regal deponierte. Ganz sicher war er sich aber nicht.
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