Josef-Maria Gustavsohn
Chlorella 11/09
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Inhaltsverzeichnis
Titel Josef-Maria Gustavsohn Chlorella 11/09 Dieses ebook wurde erstellt bei
Für wen das Ganze? Für wen das Ganze? "Man hat sich bemüht" Willy Brandt,1969-1974 Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland Beinahe hätte diese Inschrift auf seinem Grabstein gestanden. Für Cordula
Prolog in Nagano Prolog in Nagano Am Anfang schuf Gott die ganze Welt. Eine Welt, wirr, wüst und finster. Gott brachte das chaotische Durcheinander in eine perfekte Ordnung. Noch lebten keine Menschen in dieser tiefen Dunkelheit. Und Gott sprach: “Mehr Licht!“ Und es wurde hell. Gott schied das Licht von der Finsternis. Und Gott sah, dass es gut war. Es wurde hell, es wurde dunkel, es wurde Abend, es wurde Morgen – der erste Tag auf Erden. In den frühen Morgenstunden des dritten Tages erblickte Chlorella das Licht der Welt. Die Welt, ein Ort, für den Menschen noch immer nicht geschaffen. Chlorella hatte den Urknall noch in den Ohren, das Geburtstrauma noch nicht überwunden, bekam aber direkt eine Aufgabe. Es war der mittlere Tag einer harten Arbeitswoche, an dessen Ende Gott die Krone der Schöpfung, den Menschen, hervorbringen sollte. Es war heiß und stickig auf der Erde. Durch trübe Staubwolken fahles Licht einer noch jungen Sonne. Kein Ort, an dem ein Mensch es würde aushalten können. So sahen in jenen Tagen Klimakatastrophen aus. Gott dachte nach. Was fehlte den Menschen, um leben zu können? Luft und Liebe. Das eine, um zu atmen, das andere, um sich zu mehren. Also erfand Gott den Sauerstoff und brachte ihn durch Chlorella in die Welt. Gott betrachtete sein Werk und dachte, dass es gut sei. Chlorella wandelte reichlich vorhandenes Kohlendioxid in perfekter Harmonie mit den Elementen der Natur im Licht einer noch jungen Sonne in Sauerstoff, Zucker und Biomasse. Alle wurden satt. Milliarden Jahre später fanden Forscher in einer Wasserpfütze bei Nagano Chlorellas Ururenkel, durch schwierige Lebensumstände ein wenig aus der Art geschlagen. In tiefer Verbeugung vor der Leistung der Urahnen nennen wir der Einfachheit halber alle ihre Nachfolger auch Chlorella. Im Labor vollbrachte das Wesen aus der Pfütze großartige Kunststücke. Als Janzen das erkannte, applaudierte er und sagte: „Ich mache dich zum Brot meines Lebens und zum Retter der Welt.“ Janzen war weder einfältig noch naiv. Er hatte Ziele und sah Wege. Er wunderte sich nur, dass beides so ätherisch war. Wege aus Wachs und Ziele aus den kleinen Fallschirmen, die den Samen des Löwenzahns in alle Richtungen treiben. Und an denen der Wind zerrt.
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"Man hat sich bemüht"
Willy Brandt,1969-1974 Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland
Beinahe hätte diese Inschrift auf seinem Grabstein gestanden.
Für Cordula
Am Anfang schuf Gott die ganze Welt. Eine Welt, wirr, wüst und finster. Gott brachte das chaotische Durcheinander in eine perfekte Ordnung. Noch lebten keine Menschen in dieser tiefen Dunkelheit. Und Gott sprach: “Mehr Licht!“ Und es wurde hell. Gott schied das Licht von der Finsternis. Und Gott sah, dass es gut war. Es wurde hell, es wurde dunkel, es wurde Abend, es wurde Morgen – der erste Tag auf Erden.
In den frühen Morgenstunden des dritten Tages erblickte Chlorella das Licht der Welt. Die Welt, ein Ort, für den Menschen noch immer nicht geschaffen. Chlorella hatte den Urknall noch in den Ohren, das Geburtstrauma noch nicht überwunden, bekam aber direkt eine Aufgabe. Es war der mittlere Tag einer harten Arbeitswoche, an dessen Ende Gott die Krone der Schöpfung, den Menschen, hervorbringen sollte. Es war heiß und stickig auf der Erde. Durch trübe Staubwolken fahles Licht einer noch jungen Sonne. Kein Ort, an dem ein Mensch es würde aushalten können. So sahen in jenen Tagen Klimakatastrophen aus. Gott dachte nach. Was fehlte den Menschen, um leben zu können? Luft und Liebe. Das eine, um zu atmen, das andere, um sich zu mehren. Also erfand Gott den Sauerstoff und brachte ihn durch Chlorella in die Welt. Gott betrachtete sein Werk und dachte, dass es gut sei.
Chlorella wandelte reichlich vorhandenes Kohlendioxid in perfekter Harmonie mit den Elementen der Natur im Licht einer noch jungen Sonne in Sauerstoff, Zucker und Biomasse. Alle wurden satt. Milliarden Jahre später fanden Forscher in einer Wasserpfütze bei Nagano Chlorellas Ururenkel, durch schwierige Lebensumstände ein wenig aus der Art geschlagen. In tiefer Verbeugung vor der Leistung der Urahnen nennen wir der Einfachheit halber alle ihre Nachfolger auch Chlorella. Im Labor vollbrachte das Wesen aus der Pfütze großartige Kunststücke.
Als Janzen das erkannte, applaudierte er und sagte: „Ich mache dich zum Brot meines Lebens und zum Retter der Welt.“ Janzen war weder einfältig noch naiv. Er hatte Ziele und sah Wege. Er wunderte sich nur, dass beides so ätherisch war. Wege aus Wachs und Ziele aus den kleinen Fallschirmen, die den Samen des Löwenzahns in alle Richtungen treiben. Und an denen der Wind zerrt.
1
Peng! Das schwere Pendel hatte die Luft zerschnitten, als wäre sie ein Nichts. Zuerst hatte er ein Surren wahrgenommen, dann folgte der Einschlag. Totenstille danach. Gegenstände hagelten auf ihn ein, staubige Luft drang ihm in Mund und Nase. Er spürte feine Nadeln auf der Haut. Gebannt starrte er auf den riesigen Steinbrocken, der auf ihn zuraste. Starr vor Schreck und mit erhobenen Armen stand er da und wartete darauf, getroffen zu werden. Fassungslos hypnotisierte er das Geschoss, das unmittelbar vor ihm liegen geblieben war. Das Ding sah aus wie ein Morgenstern mit spitzen Kanten aus Steinsplittern und Mörtelresten. Der Platz um ihn herum war übersät mit kleineren Brocken, Steinen und Schutt. Durch den Staub sah er, wie jemand mit fuchtelnden Armen auf ihn zulief. Mit zuckendem Mund und aufgerissenen Augen schrie der Mann ihn an, schüttelte ihn an der Schulter. Er presste beide Hände auf die Ohren und sackte taub auf die Rampe am Ende des Hofes. Als er den Kopf hob, blickte er auf das gewaltige Loch in der Mauer. Der hohe Pfeifton in seinem Ohr wurde von einer Stimme übertönt. „Mann, was machen Sie denn hier? Es ist doch alles abgesperrt! Sind Sie blind?“ Verdutzt starrte er den Typen mit dem weißen Helm und dem schwarzen Vollbart an. „Haben Sie denn die Absperrung nicht gesehen, Mensch? Da sind überall Absperrungen, das kann man doch nicht übersehen und wir waren letzte Woche bei Ihnen, haben die Abrissarbeiten für heute angekündigt.“
Er hatte diesen Angriff überlebt, soviel stand fest. Dieses blöde Flatterband war ihm im Weg gewesen, als er über den Hof in die Firma gelangen wollte. Er hatte sich bücken müssen und dabei seinen Rücken gespürt, hatte das rotweiße Band angehoben. Janzen blickte an sich herunter. Hemd und Hose waren staubüberzogen, irgendetwas lief ihm die Wange hinunter. Er wischte mit den Fingern darüber und sah, dass sie rot waren. Etwas Stacheliges haftete an seiner Stirn. Er zog es ab und betrachtete die rote Spitze eines Mörtelsplitters, der in seine Haut eingedrungen war.
„Mann, was treiben Sie sich denn hier herum?“ Langsam nahm er wieder Töne wahr. „Die Abrissbirne hat ihr Ziel verfehlt und ist leider in Ihre Mauer eingeschlagen. Es tut uns leid, aber das war leider das Risiko, das wir eingehen mussten.“ „Ihr Sicherheitsrisiko hätte mich fast den Kopf gekostet, guter Mann. Heute Abend ist das Loch wieder zu, sonst verklage ich Sie!“ Wütend hatte Janzen den Sicherheitsbeauftragten der Abrissfirma stehen lassen und die Plastikkarte an den Scanner gehalten, damit der Sesam-öffne-dich-Mechanismus den Weg zu seinem Forschungslabor freimachte, in dem Janzen nach dem Schlüssel zur Rettung der Welt suchte. Verdammter Mist, er hatte vergessen, dass auf dem Nachbargrundstück für heute Abbrucharbeiten angekündigt worden waren.
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