Bevor Alice ihrer Freundin antworten konnte, kam Albert zurück und winkte mit drei Tiermasken. »Ich denke, ich habe die passenden Masken für uns gefunden.« Er überreichte den beiden Frauen je eine Katzenmaske und sagte: »Für meine sexy Kätzchen.« Für sich selbst hatte er eine Hahnenmaske besorgt.
Nachdem alle drei ihre Masken aufgesetzt hatten, nahm Albert Alice an der Hand und ging mit ihr voraus. Sie drehte sich schnell um und zeigte Lydia die Zunge, danach wandte sie sich wieder zu Albert. Lydia schüttelte genervt den Kopf und blieb alleine zurück.
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»Sieht doch alles gut aus«, sagte Präsident Pollux und nippte an seinem Scotch. Er und Eva saßen im Parlamentsbüro und sahen sich die Liveübertragung der Zoodemonstration im Fernsehen an.
»Fragt sich nur, ob es so friedlich bleibt«, meinte Eva skeptisch.
»Seien Sie nicht so pessimistisch, Frau Scheppert«, sagte der Präsident und ging zur Scotchflasche, um sein Glas wieder aufzufüllen. »Bei diesen Demonstranten handelt es sich lediglich um einige übereifrige Studenten und Naturliebhaber. Was wäre das Schlimmste, das passieren könnte? Jemand wird von einem entflohenen Affen gebissen.« Pollux musste über seine letzte Bemerkung schmunzeln.
Die Bilder der Liveübertragung zeigten Aktivisten, die Tiermasken trugen und laute Parolen gegen die Regierung in die Kamera grölten. Ein Reporter befragte eine Frau, die sich nackt in einen Käfig eingesperrt hatte.
»Man kann es auch übertreiben«, sagte der Präsident und verdrehte beim Anblick der nackten Frau seine Augen.
»Zumindest kämpft sie für ihre Überzeugung«, erwiderte Eva.
»Da! Haben Sie es gesehen, Frau Scheppert?« Aufgeregt deutete Pollux mit seinem Finger auf die große Glaskuppel, die hinter dem Reporter zu sehen war. »Der Biodom! Ich kann ihn gar nicht oft genug sehen. Was für ein fantastisches Bauwerk! Ein wunderschönes Meisterwerk. Er wird Generationen hinweg überdauern. Während wir schon längst unter der Erde liegen und nur noch Futter für die Würmer sind, wird der Biodom in die Geschichte eingehen. Wie die Pyramiden!«
Eva sagte nichts dazu, sie konzentrierte sich auf die Menschen. Die Anzahl der Demonstranten überraschte sie. Laut den Berichten wurden weit weniger Teilnehmer erwartet.
»Kommt es nur mir so vor, oder sind da kaum Polizisten vor Ort? Ich glaube, ich habe erst zwei oder drei gesehen.«
Nachdem der Präsident es aussprach, musste Eva zugeben, dass eine relativ geringe Polizeipräsenz vorhanden war. Aber vielleicht wollten die Kameramänner einfach nur keine Polizisten zeigen.
»Ich denke, das wird ein Spaziergang«, sagte Pollux und schlürfte zufrieden seinen Scotch. »Sie werden sehen, Frau Scheppert, die werden ein Mal um den Zoo watscheln und dann müde nach Hause gehen.«
»Ich hoffe, Sie haben recht, Herr Präsident«, sagte Eva. »Ich hoffe es inständig.«
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Der schwarze Lastwagen hatte keine Probleme, mit den gefälschten Zugangspapieren das hintere Eingangstor des Zoos zu passieren. Für den Kontrollposten war der LKW nur ein weiterer Lieferant mit Trockenfutter für die Tiere. Dieser Lastwagen war jedoch kein gewöhnlicher Futtertransporter.
Als die Anhängertür des Fahrzeugs aufging, sprangen Peter, sein Kamerad A2013 sowie um die vierzig Männer des Sirius-Kollektivs heraus. A1 verließ als Letzter das Gefährt.
Mittels Elektroschockpistolen wurden zwei Wachposten außer Gefecht gesetzt.
Die Mitglieder des Sirius-Kollektivs verhüllten ihre Gesichter mit einem schwarzen Tuch, auf dem ein grinsender Totenkopf abgebildet war. Vier starke Männer schleppten eine schwere Kiste mit sich. Sie stellten die Kiste auf den Boden, öffneten sie, und entnahmen aus ihr eine pyramidenförmige Maschine. Auf der Spitze des Geräts steckte eine schwarze, undurchsichtige Glaskugel. Einer der Männer drückte auf die Knöpfe der Maschine, wodurch sie aktiviert wurde. Die Glaskugel begann, sich mit einem hohen Summgeräusch zu drehen.
A2013 blickte zu seinem Kameraden und flüsterte: »Was ist das für ein Ding?«
Peter zuckte ahnungslos mit den Schultern, er hatte selbst keine Ahnung, worum es sich bei dieser Vorrichtung handelte.
»Das ist ein Störsender«, antwortete A1, der die Frage gehört hatte. »Er sendet Störsignale aus, mit denen wir jedes Radio-, Funk-, Internet- und Telefonsignal im Umkreis von zwei Kilometern blockieren können. Damit sollte es uns möglich sein, unsere Operation ohne Schwierigkeiten durchzuführen.«
»Cool!«, stieß Peter hervor und sah zu, wie sich die schwarze Glaskugel immer schneller drehte und das Summen kontinuierlich lauter wurde.
Die Mitglieder des Sirius-Kollektivs sammelten sich um ihren Anführer und warteten auf seine Befehle.
»Wir halten uns an den Plan.« A1 deutete auf drei seiner Anhänger und befahl ihnen vorzutreten, was sie auch taten. »Ihr drei werdet euch zu den Demonstranten begeben. Wenn ihr das vereinbarte Signal hört, beginnt ihr mit eurem Angriff. Aber seid wachsam. Es werden Polizisten dabei sein. Lasst euch nicht fangen! Nehmt diese Masken.« Er gab den Männern drei Hundemasken. »Damit könnt ihr euch unbemerkt unter die Menge mischen.« Die drei Männer nickten gehorsam, dann verließen sie den Zoo, um sich an der Demonstration zu beteiligen. »Alle anderen folgen mir!«
A1 lief mit seinen Kameraden in die Versorgungshalle, die mit Tonnen von Trockenfutter gefüllt war. Offensichtlich hatte der Zoo Hamstereinkäufe betätigt, für den Fall, dass es zu Nahrungsengpässen kommen würde.
Sie eilten durch einen engen Korridor, der sie zu einer Abzweigung führte. A1 teilte die Gruppe auf. Die eine Hälfte ging nach links, die andere nach rechts. Peter wollte gerade mit A2013 den linken Weg nehmen, als A1 ihn an der Schulter festhielt. »Du kommst mit mir, A76667.«
Peter verstand und nickte A2013 zum Abschied zu. Kurz danach verschwand sein Kamerad in den dunklen Korridorgängen.
A1, Peter und noch etwa zwanzig weitere Mitglieder schlichen den rechten Gang entlang. Sie kamen zügig voran, und alles verlief nach Plan, bis das fröhliche Pfeifen eines Wachmannes an den Korridorwänden widerhallte. Zwar waren sie in der Überzahl, aber es bestand die Gefahr, dass die Wache eine Schusswaffe mit sich trug oder den Alarm auslösen würde.
A1 blickte zu Peter. »Hast du schon einmal, eine von diesen benützt?« Er zeigte ihm eine Elektroschockpistole.
Peter schüttelte den Kopf.
»Dann ist es jetzt an der Zeit. Hier, nimm!« Er überreichte dem Jungen die Pistole, die er mit zittriger Hand entgegennahm. A1 verließ die Schusslinie und stellte sich hinter Peter auf. »Ruhig bleiben. Tief einatmen und vor dem Abdrücken die Luft anhalten«, flüsterte er dem Jungen ins Ohr.
Peter tat, wie befohlen und zielte auf die Tür am Ende des Korridors. Das Pfeifen und die Schritte wurden immer lauter. Jeden Moment musste die Wache durch die Tür kommen. Peter hörte sein Herz pochen, oder zumindest bildete er sich das ein. Der Türknopf wurde nach unten gezogen, ein Mann mittleren Alters mit Schnurrbart und Brille öffnete die Tür. Der Junge hielt die Luft an, umfasste die Elektroschockpistole mit beiden Händen und drückte den Abzug. Zwei dünne Drahtfäden schossen aus der Pistolenmündung heraus. An beiden Fäden waren spitze Haken befestigt, die sich in die Brust des Wachmannes bohrten. Durch die Fäden strömten fünfzigtausend Volt direkt in den Körper des Mannes, der innerhalb von Sekunden verkrampft zusammenbrach. Der Junge ließ den Abzug los, und der Stromfluss wurde unterbrochen. Der Mann verlor das Bewusstsein. Peter, der bis jetzt die Luft angehalten hatte, atmete entspannt aus. Seine Knie fühlten sich so weich wie Wackelpudding an. Während dem Wachmann Strom durch die Adern floss, spürte er, wie Adrenalin durch seine Venen gepumpt wurde.
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