Plötzlich störte ein lautes hässliches Geräusch nicht unerheblich das aktuelle Geschehen: "trr-rr-rr-rr" Nein! War mein erster Gedanke und schon wieder durchdrang es meinen Kopf: "trr-rr-rr-rr". Bitte, alles nur das nicht! Nein! Einen Moment lang schaffte ich es noch länger dort zu bleiben wo ich war, dann wurde ich jäh aus dieser Traumsequenz herausgerissen. Ich befand mich in keiner dreckigen Industriehalle, sondern in meinem Bett und ein alter Metallwecker schepperte gerade was das Zeug hielt, fast so, als wolle er den Rekord der grausamsten Weckmethoden brechen. Wohl noch nie hatte jemand einen derart großen Groll auf ein einwandfrei funktionierendes Gerät, das zuverlässig lediglich seinem Zweck nachging, wie ich in diesem Moment. Ich fuchtelte ärgerlich fluchend auf dem Nachttisch herum, erwischte das Scheissding schließlich und zwang es unsanft zum Schweigen. Keine Frage, mit dieser Phantasie im Kopf, musste ich mich meiner ungeheuren Erregung erst einmal Abhilfe verschaffen, bevor ich aufstand. Meine rechte Hand wanderte also zwischen meine Beine, wo ich nun bemerkte, dass ich zumindest einen Teil dieser Phantasie nicht nur geträumt hatte - ich war wirklich klatschnass. Und das war garantiert kein Nachtschweiß eines heißen Sommers. Nun ja, irgendwie war er das wohl doch, wenn man so recht darüber nachdachte.
Bei meinem Beruf als Druckerin - in dem ich auch öfters mal als "Mädchen für alles" einspringen musste - begegnete ich jeden Tag einem guten Freund von mir. Er hieß Oliver, war schwul - "das ist auch gut so", erklärte er zu seinem Motto - und er hatte immer ein offenes Ohr für die Probleme der anderen. Ich fand ihn nicht sonderlich anziehend oder gar attraktiv aber als Kumpel war er echt in Ordnung. Er war für seine Fähigkeit zuzuhören und Geheimnisse für sich zu behalten, bereits im ganzen Betrieb bekannt und seine Kollegen kamen gerne mit ihren Sorgen und Nöten zu ihm. Allerdings machte er auch keinen großen Hehl daraus, seine Neugierde an privaten Angelegenheiten zu bekunden. Seine Ratschläge verteilte er aber wiederum ohne jede Spur von Aufdringlichkeit, immer dann, wenn sie gebraucht wurden.
Ich arbeitete noch nicht mal dreißig Minuten, da stürmte er eilig an mir vorbei und alles was er mir zuflötete, war nicht etwa ein "Hallo" oder "Wie geht's?" sondern: "Du bist verliebt!" Ziemlich verdutzt blickte ich ihm hinter her, wie konnte er das bloß wissen? Ich hatte ihm bereits von Erik und unserem Treffen erzählt, meinte er das vielleicht? Sah man es mir so deutlich an? Lag es an dem feuchten Traum, der mir noch durch sie Hirnwindungen spukte? Manchmal schien er in solchen Dingen eine Kristallkugel zu befragen. Im Übrigen wusste Oliver nichts von meiner Vorliebe, ich hatte ihm letzte Woche lediglich erzählt, dass ich am Wochenende ein Date mit einem netten Mann aus dem Internet haben werde.
In der Mittagspause saßen wir, wie immer, beim Essen in der Kantine zusammen. Wir alberten oft herum und machten Späße, das war für uns bereits so etwas wie ein festes Ritual geworden. "Na, so wie du aussiehst, scheint dieser Erik ja ein echter Glücksgriff gewesen zu sein!", fing er an. Ich hingegen war eher etwas abwesend und konnte nur an Chris und Andi denken. "Hm, was? Ach so, der Blödmann. Der war fast fünfzig und sein Körper hatte mehr mit einem Michelin Männchen, als mit seinem Foto gemein." Er gluckste vor Lachen: "Aber das kann doch wohl kaum der Grund dafür sein, dass du heute so strahlst! Los, raus mit der Sprache, wer ist es!" Ich machte einen großen Bissen in mein Brötchen und musste erstmal zu Ende kauen. Redselig, weil ich mich endlich mal mit jemandem darüber unterhalten musste, fing ich an zu quatschen: "Eigentlich sind es zwei, wenn du mich schon so fragst. Ich habe sie auf der Heimfahrt am Samstag kennen gelernt. Ihre Namen sind Andi und Chris. Beide sind richtig knackig, also Chris hat blonde Haare, graue Augen und du müsstest seinen Body sehen, ich wette, du würdest glatt durchdrehen. Und Andi hat schwarze Haare, blaue Augen und einen richtig heißen..." Entsetzt unterbrach er mich: "Du meinst doch wohl nicht den Andi und den Chris, die ein Paar sind, oder?" Ich biss ein weiteres Mal gelassen in die Semmel. "Doch, genau die meine ich." Oliver nahm meine linke Hand in seine: "Es tut mir so leid dir das zu sagen aber die zwei stehen auf Männer." Immer noch ruhig, so als ob ich nicht wüsste, warum er mich überhaupt trösten will, entgegnete ich knapp: "Ich weiß." Er fuhr fort: "Die beiden sind fest zusammen und haben auch Sex miteinander." Ein Lächeln huschte mir bei dem Gedanken über die Lippen: "Ja, und was für einen sie haben." Mein Blick schweifte verträumt in die Ferne. "So verknallt wie du bist, macht dich das doch bestimmt vollkommen fertig. Es tut mir so leid für dich.", bemitleidete er mich. Nun legte ich mein Brötchen weg, kehrte die Rollen um und drückte seine Hand: "Vielen Dank für dein Mitgefühl aber es braucht dir nicht leid zu tun, denn es macht mich nicht fertig." Oliver fühlte sich nun wohl dazu berufen mir den Kopf zu waschen: "Mensch Jasmin, ich kenne die zwei schon seit Jahren, in dieser Gegend kennt doch jeder Schwule den anderen. Die stehen auf Männer, bei denen kannst du nicht landen!" Ich lachte unwillkürlich laut los und Oliver schien jetzt gar nichts mehr zu verstehen. Er schaute mich an, als hätte ich den Verstand verloren. Sein irritiertes Gesicht war einmalig. "Und wieder hast du Recht, ich kann bei ihnen nicht landen, da ich bereits schon lange gelandet bin." Sein komischer Ausdruck verriet nun erst recht seine totale Verwirrung und er fragte zurückhaltend: "Was haben sie gemacht, dass du das glaubst?" Meine Antwort kam prompt und wieder genauso gelassen wie zuvor: "Glaub mir, das willst du nicht wissen." So langsam war er am Verzweifeln, er blickte einfach nicht durch und fing an sich zu wiederholen: "Ja, aber, aber... Die schlafen doch miteinander." Was ich jetzt zurückgab sollte schon etwas eindeutiger sein: "Oh ja, und wie sie das tun. Du solltest sie einmal dabei sehen, sie sind so heiß, man könnte glatt durchdrehen." Oliver rückte nun gespannt und neugierig zu mir heran: "Dich macht das doch nicht an, oder?" Ich ließ mir mit meiner Antwort Zeit, bis er unruhig auf seinem Stuhl herumrutschte. Dann beschloss ich ihn noch ein letztes Mal auf die Folter zu spannen: "Nö!" Er lief rot an und genierte sich wohl, wegen seiner intimen Frage.
Nun wollte ich ihn aber wirklich erlösen. "Olli! Hör mal, es macht mich nicht nur an, sondern es macht mich regelrecht wahnsinnig, die beiden zusammen zu sehen. Und sie sind auch nicht schwul, sondern bi, obwohl sie mir bereits mitteilten, dass sie eigentlich nicht so sehr auf Frauen fixiert sind.", schwärmte ich ihm vor. Ich konnte die Glühbirne, die über Olivers Kopf jetzt aufleuchtete, fast schon mit meinen Augen sehen. Er grinste und zog die Brauen hoch: "Ihr seid zusammen? Alle drei?" Na endlich, sonst brauchte er doch auch nicht so lange um etwas zu begreifen! Wieder musste ich unwillkürlich schmunzeln: "Es sieht wohl ganz so aus." Jetzt lachte er auch: "Wer hätte das gedacht? Dann sehen wir uns ab jetzt wahrscheinlich etwas häufiger, ich bin bei Chris und Andi nämlich manchmal zu Besuch." Noch konnte ich mir Oliver in diesem Chaos nicht vorstellen, war er doch sonst sehr penibel, was Sauberkeit und Ordnung anging. Kaum zu glauben, dass er so eine unaufgeräumte Punkerbude freiwillig betrat. "Hey, das freut mich für dich! Da hast du einen sehr guten Fang gemacht, das kannst du mir glauben!", gab Oliver bekannt. Wir unterhielten uns noch angeregt bis zum Ende der Pause. Ich musste ihm haarklein erklären, wie es überhaupt zu unserem Zusammentreffen kam und wie es sich weiterentwickelte. Er schien sich wirklich einfach nur mit mir zu freuen, ohne den moralischen Zeigefinger zu erheben, dies rechnete ich Olli hoch an.
Der restliche Arbeitstag verlief schleppend und da unser Chef uns zu geizig für eine Klimaanlage für seine Angestellten war, wurde die brütende Hitze nur durch ein paar hin und her schwenkende Zimmerventilatoren kurz unterbrochen aber es war für sie ein Kampf gegen Windmühlen. - Die dicke Luft war einfach stärker. Fast alle hatten vereinzelte Schweißperlen auf der Stirn. Umso weiter die Uhr auf 16 Uhr vorrückte, desto unkonzentrierter wurde ich. Ich musste mich anstrengen keine Fehler zu machen. Schließlich kam der Feierabend und ich hatte nur noch eins im Kopf: Duschen, umziehen, etwas relaxen und dann wollte ich gerne der Einladung von meinen neuen Freunden nachkommen.
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