1 ...6 7 8 10 11 12 ...21 »Mit Vergnügen.«
»Ich verlasse mich darauf, Sie um zehn Uhr bei mir zu sehen. Dann spielen wir miteinander vierhändig und vierbeinig Orgel. Ich habe prächtige Noten dazu. Und zu Mittag essen wir auch bei mir.«
»Um diese Zeit bin ich bereits in Anspruch genommen.«
»Thut nichts, Sennor. Das wird sich wohl ändern lassen. Ich gehe mit zu dem, der Sie in Anspruch nehmen will, und bitte Sie los. Ich kenne Ihren Namen noch nicht, aber wir sind Brüder in organo und werden einander lieb gewinnen.«
»Hier ist meine Karte!«
»Danke! Von mir habe ich keine mit. Ist auch nicht nötig. Ich will von Ihnen das Registrieren lernen, denn, unter uns gesagt, ich ziehe stets die verkehrten Stimmen. Man muß auf die Hände und Füße achtgeben und auf Noten und Gesangbuch sehen. Wie kann man da eigentlich noch an die Register denken! Das ist mir unbegreiflich. Ich werde es Ihnen hoffentlich ablauschen. Uebrigens, wenn Sie nach der Quinta des Sennor Tupido wollen, so gehen wir miteinander. Meine Wohnung liegt nur ein wenig abseits Ihres Weges.«
Er zog mich mit sich fort und beschrieb mir die Lage der Quinta so genau, daß ich sie mit geschlossenen Augen hätte finden können.
Indessen war es natürlich Abend geworden, ein wunderbar schöner, südamerikanischer Frühjahrsabend. Der Mond schien fast voll auf den blinkenden Marmor der Häuser nieder, an denen wir vorüberkamen, und der aus den Gärten und Höfen aufsteigende Blumenduft erquickte alle Sinne.
Wir ließen den belebteren Teil der Stadt hinter uns, denn der Organista wohnte draußen ›im Grünen‹, wie er sich ausdrückte. Rechts und links gab es Villen. Ich hatte nicht mehr als fünf Minuten bis zur Quinta Tupidos zu gehen. Da lenkte mein Begleiter oder vielmehr Führer in einen ziemlich schmalen Weg ein, der zwischen zwei Landhäusern hindurchging.
»Wohin?« fragte ich.
»Nach meiner Wohnung. Wir müssen wenigstens ein Glas Wein trinken, wenn Sie keine Zeit haben, mit mir zu speisen. Ich habe Sie ebenso schnell wie herzlich lieb gewonnen. Mein Domicilio liegt gleich hinter diesen zwei Gärten, zwischen denen wir jetzt gehen!«
»Gut, so begleite ich Sie bis an Ihre Thüre, an welcher ich mich von Ihnen verabschiede. Morgen früh zehn Uhr sehen wir uns ja sicher wieder.«
Bald waren die Gärten zu Ende, und dann standen wir vor einem kleinen Häuschen, welches an seiner niedrigen Außenseite keine Fenster, sondern nur eine Thür hatte. Während wir da, uns verabschiedend, noch einige Worte wechselten, war es mir, als ob ich Schritte hörte. Das leise Geräusch kam von dem Gange her, durch welchen wir soeben gekommen waren. Ich blickte hin.
Ein Sombrero ragte hinter der Ecke der Gartenmauer hervor. Unter diesem Hute mußte ein Kopf, ein Mensch stecken. Der Mann sah, daß er bemerkt worden war. Ein Zurückweichen hätte seiner Absicht nur geschadet, denn es mußte unsern Verdacht erregen; darum wählte er das in dieser Lage Beste und trat hervor. Es war der Bravo, vor welchem ich von dem Yerbatero gewarnt worden war.
»Wer ist da? Was wollen Sie, Sennor?« fragte der Organista in ziemlich kleinlauter Weise. Er war ein winziges Männchen und schien auch kein großer Held zu sein.
Der Gefragte trat um einige Schritte näher, doch so, daß trotz des Mondscheines sein Gesicht unter der breiten Krempe des Hutes so im Dunkeln lag, daß die Züge nicht erkannt werden konnten. Ich war augenblicklich überzeugt, daß es sich um einen Angriff auf mich handle.
»Pardon, Sennores!« antwortete er. »Ich suche die Wohnung des Sennor Arriquez, und man hat mich hierher gewiesen.«
Die Stimme war unbedingt verstellt. Der Mann stand noch drei Schritte von mir entfernt und steckte die Hand in die Tasche.
»Hier wohnt kein Sennor Arriquez,« antwortete der Organista. »Man hat Sie falsch gewiesen.«
jener trat noch einen Schritt näher; ich aber wendete mich rasch zur Seite, so daß ich wieder drei Schritte zwischen uns legte und den Mond hinter mich bekam. Nun konnte mir die kleinste seiner Bewegungen nicht entgehen.
»Einen Sennor dieses Namens kenne ich nicht,« meinte der Organista kopfschüttelnd. »Vielleicht hat man Ihnen nicht nur eine falsche Wohnung, sondern auch einen falschen Namen genannt.«
»Das glaube ich nicht. Ich meine den fremden Sennor, welcher Orgel gespielt hat.«
»Ah, der steht hier. Aber auch er heißt nicht Arriquez, sondern – – –«
Er hielt meine Karte, welche er noch in der Hand hatte, dem Monde entgegen, um den Namen zu lesen. Dies benutzte der Bravo, indem er sich schnell auf mich warf. Er hatte ein Messer aus der Tasche gezogen. Ein Glück für mich, daß ich gewarnt worden war! Zwar hätte sein Benehmen auf alle Fälle meinen Verdacht erweckt, aber so ganz heiler Haut, wie jetzt, wäre ich wahrscheinlich doch nicht davongekommen. So aber trat ich einen Schritt zur Seite. Die blinkende Klinge zuckte an mir vorüber, und der Kerl bekam von mir einen Fausthieb an den Kopf, daß er taumelte. Gleich hatte ich ihn mit der Linken beim Genick und schlug ihm die Rechte von unten an den Ellbogen, so daß ihm das Messer aus der Hand flog. Dann schleuderte ich ihn gegen die Mauer des Hauses; er sank dort nieder und blieb liegen. Das alles war das Werk nur weniger Augenblicke.
Dem guten Organista war vor Schreck die Karte entfallen. Er stammelte etwas ganz Unverständliches, rang die Hände
und schnappte nach Atem; dann aber erhielt er die Sprache zurück und schrie aus Leibeskräften:
»O Unglück, o Traurigkeit! Zu Hilfe, zu Hilfe!«
»Schweigen Sie doch, Sennor!« gebot ich ihm. »Es ist nicht die geringste Gefahr vorhanden.«
»Das ist Verblendung, Herr! Es sind ja Mörder hier! Solche Leute haben stets Helfershelfer bei sich. Wir müssen fort; wir müssen fliehen! Aber wohin, wohin? Was thue ich doch nur? Was – – ah, welch ein Glück! Ich habe den Thürschlüssel bei mir; ich kann ja in mein Haus! Ich bin gerettet!«
Er schloß schnell auf, trat hinein und schloß die Thüre hinter sich zu, ohne mich eingeladen zu haben, mit ihm zu kommen. Er wußte sich in Sicherheit. Ob aber ich nun doch noch abgewürgt oder abgestochen wurde, das war ihm sehr gleichgültig. Er blieb hinter dem Gitter stehen und rief mir durch dasselbe zu:
»Gelobt sei Gott, ich bin gerettet! Machen Sie schnell, daß Sie fortkommen, Sennor!«
»So? Weshalb haben Sie mich nicht mit in Ihr Haus genommen?«
»Danke sehr! Ich will nicht die Rache der Bravos auf mich lenken. Gehen Sie, gehen Sie! Ich darf Sie nicht vor meinem Hause dulden!«
»Ah! Das sagen Sie, trotzdem Sie sich meinen Freund nannten und mir versicherten, daß Sie mich lieben?«
»Wenn die Mörder drohen, da hört alle Liebe und Freundschaft auf. Ich kann mich doch nicht Ihnen zu Gefallen abschlachten lassen!«
»Das verlange ich auch nicht. Ich werde also gehen. Auf Wiedersehen morgen!«
Ich wendete mich von der Thür ab. Da aber rief er mir im Tone des Schreckens nach:
»Was fällt Ihnen ein, Sie Unglückskind! Sie dürfen mich nicht besuchen. Ich muß mir das verbitten!«
Die Angst des kleinen Männchens machte mir Spaß. Der Kerl, welcher mich angefallen hatte, lag, wie es schien, bewußtlos an der Erde. Ich war überzeugt, daß er keine Helfershelfer hatte, und fühlte mich also ganz sicher. Darum trat ich zur Thüre zurück und sagte im Tone des Erstaunens:
»Sie haben mich doch so dringend eingeladen! Wir wollten miteinander um zehn Uhr frühstücken!«
»Frühstücken Sie wo, wann und mit wem Sie wollen, nur nicht bei mir!«
»Sie sind es doch nicht, welcher Angst zu haben braucht, sondern die Feindseligkeit ist ganz gewiß nur gegen mich gerichtet.«
»Ursprünglich, ja; aber Sie kennen diese Leute schlecht. Sie sind dem Tode geweiht, und man wird alle Ihre Freunde und jeden, der mit Ihnen verkehrt, auch morden. Keine Partei schont die andere. Machen Sie sich so schnell wie möglich fort! Ich mag mit Ihnen nichts mehr zu thun haben.«
Читать дальше