»Foster Hier, Murdoc Gieb ... melden! Fos ... doc ... .melden! Akrib ... kommt, pass auf! ... haben hier ... hafte Probleme! Gott ... das ... schnell ...«
Einen Moment lang ging die Stimme komplett im Rauschen unter. Giebels fluchte und versuchte zu antworten. »Giebels hier, Foster, melden sie sich! Foster! Was zum Teufel ist los bei ihnen? Foster! Sind es Wächter?«
Eine Sekunde war absolute Stille zu vernehmen, nicht einmal Rauschen.
Dann wurde sie von einem lang gezogenen, schrillen Schrei durchbrochen.
Murdoc war eiskalt, obwohl die Innentemperatur des Cheops-Anzugs auf eine angenehme Standardtemperatur von dreiundzwanzig Grad eingestellt war. Er wollte irgendetwas sagen, doch er schaffte es nur, Giebels mit offenem Mund anzustarren. Giebels starrte zurück.
Da meldete sich das Team-Kom wieder. » ... keine Wächter ... nie ... unbekannt ... so schnell! Keine Zeit ... brauchen dringend Hilfe! ... mich ... standen? ... chen ... dri ... Hilfe! Lanzett ... schwer verletzt ... Fötus ... kommt ...« Die letzten Worte waren kaum mehr zu verstehen und wurden von anschwellendem Rauschen und Zischgeräuschen überlagert, bis die Verbindung komplett abbrach.
Fosters Stimme echote in Murdocs Ohren. »Was sollen wir jetzt machen?«, stammelte er. »Und was ist mit dem Fötus? Sie sind zu weit weg, ich meine, die Mission ...«
»Scheiss’ auf den Fötus!« brüllte Giebels und formte die Hand zu einer Faust. »Das sind meine Teamkollegen, wir müssen ihnen helfen! Hol’ du den gottverdammten Fötus, wenn du das für richtig hältst!«
»Du ... du hast recht. Wir müssen ihnen helfen. Und wir sollten uns nicht trennen.«
Giebels schnaubte nur verächtlich und stapfte schnell mit großen Schritten an Murdoc vorbei in die Richtung, aus der sie gekommen waren.
Da ertönte das Karndalf-Signal in Murdocs als auch in Giebels Helm. Rein theoretisch befanden sich die fünf Soldaten außerhalb jeglicher Karndalf-Flottenkreuzer-Reichweite. Das Soldatenteam, unter der Führung von Sergeant Foster, war eins der vielen kleinen Spezialteams, die vom Karndalf-Kanton eingesetzt wurden. Jeder Flottenkreuzer des Karndalf-Kantons besaß mindestens zehn dieser Teams, um in den zuständigen Sektoren zu operieren.
Diese Teams wurden mit Perser-Transportshuttles, auch Autoshuttles genannt, zu den Einsatzorten transportiert. Die Autoshuttles wurden komplett von einem im Computer vorprogrammierten Kurs geleitet und automatisch per Autopilot gesteuert, damit der wohlbekannte und von Soldaten oftmals verpönte ‚perfekte Zeitplan‘ eingehalten werden konnte. Das Karndalf-Kanton hatte seit einigen Jahren einen neuen Kantonführer, eine Frau namens Amelie Sakarelij, die den strikten Zeitplan eingeführt hatte.
Fosters Team war mit einem Perser-Transportshuttle in die Nähe des Asteroiden im Aaron-Schwarm geflogen, von wo aus sie sich in den Asteroiden selbst hinein teleportiert hatten. Die Reise hatte sieben Stunden gedauert.
Mit Planetargravitationsantrieb eine Zeitdauer von sieben Stunden zu reisen bedeutete, dass man sich weit genug von seinem Mutterschiff entfernte, als dass eine Funkkommunikation ohne Überbrückungsanlagen wie auf Uriel 2 stattfinden konnte.
Das Karndalf-Signal jedoch war das Zeichen, dass ein Funkspruch eines Flottenkreuzers in Reichweite bevorstand. Dies konnte unmöglich der Fall sein, weil die Flottenkreuzer reguläre Zirkulationspfade durch das Arym Var-System verfolgten, die sie so gut wie nie verließen. Diese Pfade basierten auf dem Planetargravitationsnutzprinzip, das den Schiffen mit entsprechendem Antrieb ermöglichte, sich ohne großen Energieverlust durch den Weltraum zu bewegen.
Die Zirkulationspfade waren so berechnet, dass die Kreuzer in einem Zeitraum von meistens mehreren Monaten bestimmte Punkte im Arym Var-System passierten und am Ende der Route wieder an ihrem Ausgangspunkt ankamen. Die vielen Kreuzer der Kantone waren gleichmäßig über das gesamte System verteilt und deckten so jeden Winkel ab. Durch die Zirkulationspfade konnten Operationen optimal geplant werden.
Deswegen war es untypisch, dass Flottenkreuzer den Pfad verließen, weil dadurch das gesamte Planungskonzept der Kantone beeinträchtigt war.
Voller Ungläubigkeit blieb Giebels stehen und horchte.
Eine monotone Männerstimme meldete sich. »Hier spricht die Olympfregatte Marx, Authentifizierungscode Alpha K-255-7624698. Bitte um die stimmliche Identifikation der Soldaten ‚Alfred Giebels‘ und ‚John Casper Murdoc‘.«
Giebels und Murdoc sahen sich fassungslos an. Olympfregatte? Die einzigen Schiffe die oftmals außerhalb der Zirkulationspfade agierten waren Botschafterschiffe und Olympfregatten. Während Botschafterschiffe Nachrichten überlieferten und Botschafter schnell zu internen Kantonvermittlungen transportierten, wurden Olympfregatten nur von den obersten Vorsitzenden und Generälen des Andragon-Kanton-Zusammenschlusses kommandiert – der übergeordneten Fraktion, die zumindest versuchte, die einzelnen Kantone zusammenzuhalten und zu steuern. Der Authentifizierungscode, den die Stimme vermittelt hatte, war ein Code, der Murdoc und Giebels auf dem Vis bestätigte, dass es sich tatsächlich um die Marx handelte. Die Anwesenheit eines derartigen Schiffes musste einen schwerwiegenden Grund haben. Der Andragon-Kanton-Zusammenschluss war sämtlichen Kantonen übergeordnet, weshalb Murdoc und Giebels dem Befehl der stimmlichen Identifikation sofort Folge leisten mussten.
»Alfred Giebels«, sagte Giebels schließlich.
Murdoc folgte seinem Beispiel und sagte: »John Casper Murdoc.«
Murdoc wusste, dass es sich um eine Floskel handelte. Die stimmliche Identifikation diente lediglich dazu, dass die betroffene Person ihre Lokalisierung anerkannte. Die Scanner der Marx hatten bereits längst die Identifikationssignaturen über Murdocs und Giebels’ Skin-Connector analysiert.
»Bestätigt«, sagte die monotone Stimme. »Unter der Befehlsleitung von Amelie Sakarelij haben wir ihre Mission, die unter der wichtigen Operation ‚Zeus‘ läuft, beobachtet.«
Sakarelij? Operation ‚Zeus‘? Beobachtet? Dies fragte Giebels Gesichtsausdruck geradezu, als Murdoc ihn ungläubig anstarrte.
Die Stimme fuhr fort. »Ich muss ihnen im Namen der Andragon-Kantone erneut bekräftigen, wie wichtig der Besitz des Missionsobjektes für den Zusammenschluss ist.«
Der Andragon-Kanton-Zusammenschluss ... wofür benötigt der Zusammenschluss Föten der Zodiac-Lebensform?, schoss es Murdoc durch den Kopf.
Sie waren offiziell im Auftrag des Karndalf-Kantons hierhergekommen, um für Dr. Adelfing den Fötus zu beschaffen. Doch wie es aussah, steckte viel mehr dahinter.
Doch die monotone Stimme war noch nicht fertig. »Angesichts ihrer kürzlichen Entscheidung, ihren Teamkameraden so kurz vor dem Ziel zu Hilfe zu eilen, mussten wir interferieren. Wir befehlen ihnen nun unumgänglich aufgrund der genannten Prioritäten ihre Mission fortzusetzen.«
Giebels Gesichtsausdruck lief von Ungläubigkeit in Wut über. Sie waren die ganze Zeit beobachtet und belauscht worden, wie Versuchsobjekte. Und jetzt wurden sie wie Marionetten behandelt. Giebels war Soldat. Er wusste, dass er Befehle strikt zu befolgen hatte. Er war zu vielem bereit und machte so gut wie alles was man von ihm verlangte anstandslos, doch seine Teammitglieder im Stich zu lassen, brachte ihn in einen schweren Konflikt mit sich selbst und der Befehlsgewalt. Es war wie Verrat für ihn, seit er im zweiten ‚Erbe des Lichts‘-Konflikt einen Kameraden zurücklassen musste, um den Tod hundert anderer zu verhindern.
Giebels versuchte gefasst zu klingen, als er antwortete. »Bei allem Respekt, Sir, wir können hierher zurückkehren und unsere Mission fortsetzen, nachdem wir unsere Teamkameraden, die dringend Hilfe benötigen, unterstützt haben.«
»Negativ, Mission unverzüglich fortsetzen.«
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