Direktor Hassenreuter
mit peinlicher Ungeduld.
Das ehrt mich. Das ehrt mich und meine Familie! — (Er legt ihm die Hände auf die Schulter.) — Dennoch muß ich Ihnen jetzt die ganz inständige Bitte vortragen, von der Erörterung dieser Angelegenheit im Augenblicke abzusehen. Meine Geschäfte sind unaufschieblich.
Spitta
Dann möchte ich nur noch so viel hinzusetzen, damit Sie wissen, daß ich absolut fest entschlossen bin.
Direktor Hassenreuter
Aber mein lieber Herr Kandidat: wer hat Ihnen denn diese Raupen in den Kopf gesetzt? Ich habe mich über Sie gefreut. Habe Sie schon im Geist Ihres friedlichen Pfarrhauses wegen beneidet. Gewissen literarischen Ambitionen, die einem hier in der Großstadt anfliegen, habe ich keinen Wert beigelegt. Das ist nur so nebenbei und verliert sich zweifellos wieder bei ihm, dachte ich mir! — Mensch, und nun wollen Sie Komödiant werden? Kurz: Gnade Gott, wenn ich Ihr Vater wär! Ich würde Sie bei Wasser und Brot einsperren und Sie nicht eher herauslassen, als bis Ihnen jede Erinnerung an diese Torheit entschwunden wäre. Dixi! und nun adieu, guter Spitta.
Spitta
Einsperren oder irgendeine andere Gewaltmaßregel würde bei mir durchaus nichts helfen, fürcht ich.
Direktor Hassenreuter
Aber Mensch: Sie wollen Schauspieler werden? Mit Ihrer schiefen Haltung, mit Ihrer Brille und vor allem mit Ihrem heiseren und scharfen Organ geht das doch nicht.
Spitta
Wenn es im Leben solche Käuze gibt, wie ich, warum soll es nicht auch auf der Bühne solche Käuze geben? Und ich bin der Ansicht, ein wohlklingendes Organ, womöglich verbunden mit der Schiller-Goethisch-Weimarischen Schule der Unnatur, ist eher schädlich, als förderlich. Die Frage ist nur: würden Sie mich, wie ich nun einmal bin, als Schüler annehmen?
Direktor Hassenreuter
zieht hastig seinen Sommerpaletot über.
Nein! denn erstens ist meine Schule auch nur eine Schule Schillerisch-Goethisch-Weimarischer Unnatur! Zweitens könnte ich es vor Ihrem Herrn Vater nicht verantworten! Und drittens zanken wir uns so schon genug, jedesmal nach den Privatstunden, die Sie in meinem Hause geben, beim Abendbrot. Das würde dann bis zur Prügelei ausarten. Und nun Spitta: ich muß auf die Pferdebahn.
Spitta
Mein Vater ist bereits informiert. Ich habe ihm in einem zwölf Seiten langen Brief Punkt für Punkt die Geschichte meiner inneren Wandlung eröffnet ...
Direktor Hassenreuter
Sicherlich wird der alte Herr äußerst davon geschmeichelt sein! Mensch und nun kommen Sie mit mir, ich werde sonst wahnsinnig.
Der Direktor zieht Spitta gewaltsam mit sich fort und hinaus. Man hört die Tür ins Schloß fallen.
Es wird still bis auf das ununterbrochene Rauschen Berlins, das nun lauter hervortritt. Nun wird die Bodenklappe geöffnet und Walburga Hassenreuter steigt in wahnsinniger Hast, gefolgt von Frau John, die Treppe herunter.
Frau John
flüsternd, heftig.
Wat is denn? Et is doch jar nischt jeschehn.
Walburga
Frau John, ich schreie! Ich muß gleich losschreien! — Um Gottes willen, ich kann gar nicht an mich halten, Frau John.
Frau John
Taschentuch mang die Zähne, Mächen! — Et is ja jar nischt! Wat haste dir denn?
Walburga
zähneklappernd, ihr Röcheln gewaltsam bezwingend.
Ich bin ja des Todes ... ich bin ja des Todes erschrocken, Frau John!
Frau John
Wenn ick man wißte, for wat du erschrocken bist?
Walburga
Haben Sie nicht diesen schrecklichen Menschen gesehn?
Frau John
Wat is denn da schrecklich? Det is doch mein Bruder! wo mich manchmal bei Papans seine Sachen auskloppen helfen dut.
Walburga
Und das Mädchen, was mit dem Rücken am Schornstein sitzt und wimmert.
Frau John
Det is deine Mutter nich anders jejangen, eh det du zur Welt jekommen bist.
Walburga
Ich bin hin. Ich bin tot, wenn Papa wiederkommt.
Frau John
Na denn sieh, det de fortkommst, und fackel nich lange.
Frau John begleitet die entsetzte Walburga den Gang hinunter und läßt sie hinaus. Dann kommt sie wieder.
Frau John
Det Mächen weeß, Jott sei Dank, von hellichten Dache nischt.
Sie nimmt die entkorkte Weinflasche, gießt einen der Römer voll und nimmt ihn mit auf den Boden, wo sie verschwindet. Kaum ist das Zimmer leer, so erscheint der Direktor wieder.
Direktor Hassenreuter
noch an der Tür, singend.
„Komm herab, o Madonna Theresa!“ — (Er ruft.) — Alice! — (Noch immer an der Tür.) — Komm mal! Hilf mir mal die eiserne Stange mit dem doppelten Schloß vor die Tür legen. — Alice! — (Er kommt nach vorn.) — Wer jetzt noch unsere Sonntagsruhe zu stören wagt: anathema sit! — Heda! Kobold! Wo steckst du, Alice? — (Er wird auf die Weinflasche aufmerksam und hebt sie in die Höhe.) — Was? — Halb leer? — Schlingel! — (Man hört eine hübsche weibliche Singstimme hinter der Bibliothekstür sich in Koloraturen ergehen.) — Ha ha ha ha! Himmel! sie hat sich schon einen Schwips angetrunken.
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