1 ...8 9 10 12 13 14 ...20 „Aton, siehe Aton“, dachte Moses vor sich hin, nie hatte er die Anbetung des Gottes der Sonne klarer verstanden als in diesem Augenblick, als er sich aus seinem Nachtasyl erhob und die Herrschaft über die Welt übernahm.
Eine lange Karawane in der Ferne, die auf sie zukam, unterbrach die stille Andacht des Wanderers. Angespannt blickte er ihr entgegen, zuerst waren sie nur als kleine Punkte am Horizont erschienen, rechts von dem Sonnenball und von ihm beschienen, Menschen, die langsam gingen, ihm entgegen zogen. Allmählich näherten sie sich dem Zug, bis ihnen Einzelheiten deutlich wurden. Die Karawane zog schleichend dahin, soviel war zu erkennen, sie bestand aus drei Reihen nebeneinander, wohl hundert Mann, und neben den Reihen in einigem Abstand von ihnen einzelne Aufseher.
„Wer mag das sein?“ fragte Moses seinen Begleiter, der aber stumm blieb und gebannt dem Zug entgegenblickte. Zerlumpt waren sie, das sah Moses jetzt, alle, bis auf die nebenher gehenden Personen, das waren Ägypter, die mit Lanzen und Messern bewaffnet waren und lange Peitschen trugen, die sie über dem Zug kreisen ließen. Jetzt drang das Knallen dieser Peitschen zu Moses herüber und noch ein anderer Laut: ein Stöhnen und Wimmern, wollte ihm scheinen, kam aus dem Zug, der jetzt so nahe war, dass Moses Gesichter erkennen konnte. Ja, das waren offenbar hebräische Arbeiter, die zu ihren Baustellen getrieben wurden, zur Eile gezwungen von zehn Ägyptern, hundert Hebräer. Und jetzt, im Näherkommen, konnte Moses ihre Gesichter erkennen, die an ihm vorbei zogen und den vornehmen Ägypter mit gehässigen, feindseligen Blicken bedachten, der da am Wegesrand stand und jetzt einen der Aufseher ansprach.
„Wohin geht ihr?“ fragte er.
„Wir bringen diese elenden Hebräer zu ihrer Arbeitsstätte, in die Nähe von Pitom, dort sollen sie die Dämme erhöhen, der Nil wird bald über die Ufer treten, Herr. Und wer bist du?“ Der Aufseher betrachtete neugierig diesen offenbar vornehmen jungen Mann, der hier am frühen Morgen so allein durch die Steppe ging.
„Ich bin Moses, gesandt von Pharao, um nach den Bauten in Pitom und der Umgebung zu sehen und auch nach den Arbeitern.“ Moses sagte da mehr, als sein Auftrag war. Niemand am Hofe hatte ihn beauftragt, nach den Hebräern zu sehen, die für den Pharao die Bauten zu errichten hatten, diese Arbeiter waren dem König von untergeordneter Bedeutung. Es seien ihrer ohnehin zu viele, war die allgemeine Meinung am Hofe unter den Ägyptern, darum könne man sich nicht kümmern. Sterbe einer, so sterbe er und es träten andere an seine Stelle. Hauptsache, die Bauten würden fertig.
„Nun, hier sind die Männer, wir gehen zum Deich, wenn du ihre Behausungen sehen willst, musst du etwa eine Stunde weiter in diese Richtung gehen“, der Aufseher deutete nach Osten, „dann kommst an eines ihrer Dörfer. Aber warnen will ich dich, Herr, du wirst ihre Dörfer stinkend finden, dreckig die Menschen und die Tiere, und viel Fäulnis und vor allem sieh dich vor den Banden vor, den Jugendlichen, die gerne nicht nur ihresgleichen überfallen und ausrauben, sondern bevorzugt auch Vornehme, wie du einer bist.“
„He, ihr da“, schrie er plötzlich, sich unterbrechend, „wer hat euch erlaubt, stehen zu bleiben und Maulaffen feilzuhalten“, und er schwang die Peitsche, die dieses Mal nicht knallte, sondern die Luft durchschnitt und den vordersten Hebräer traf, einen jungen Mann, nicht älter als Moses, der stehen geblieben war und die Ägypter bösartig ansah. Hinter ihm hatte die ganze Reihe angehalten. Die Peitsche wickelte sich dem jungen Hebräer um den Hals, dort einen blutigen Striemen hinterlassend. Hasserfüllt sah der Mann Moses und den Aufseher an, ging aber doch langsam weiter, von den anderen Hebräern gefolgt.
„Vorbild sollten sie sein, die Sippenführer“, brummte der Ägypter, „meistens sind sie das auch, aber dieser, Jochen, ist besonders boshaft. Warum wir dulden, dass er Führer seiner Sippe geworden ist, verstehe ich nicht. Nun, junger Mann, Amun sei mit dir und guten Weg", und damit wendete der Aufseher sich dem Zug zu, befahl einen schnelleren Schritt und langsam, ächzend, passierten die Menschen Moses und Reuben, die schweigend zusahen. Erst langsam erholte sich Moses von dem Anblick, der Zug war schon seit einer Viertelstunde verschwunden, als er seufzend Reuben befahl, weiter zu gehen.
Nach drei knappen Stunden Wanderung, die immer beschwerlicher wurde, nicht etwa, dass der Weg schwierig war, sondern wegen der sommerlichen Hitze, die die beiden Wanderer quälte, tauchten am Horizont mehrere Hütten auf.
„Das ist das Dorf, in dem Amram mit seiner Frau wohnt, die du suchst, Herr, wir haben jetzt noch kurze Zeit zu gehen, dann hast du dein Ziel erreicht.“
Und wirklich, nach einigen Minuten kamen sie der Siedlung näher, die sich von der, die sie gestern besucht hatten, kaum unterschied. Auch hier staubige Wege zwischen den Hütten, mit Abfall bedeckt, nur, dass dahinter im Osten eine Hügelkette auftauchte, die die weite Ebene des Nildeltas abschloss. Auch hier standen überall Hebräer untätig herum, die die Ankömmlinge neugierig und feindselig musterten.
„Was machst du denn hier, Reuben, mit diesem vornehmen Ägypter im Schlepptau?“ Ein Hebräer, der Moses Begleiter mit heiserer Stimme angesprochen hatte, schob sich aus der Gruppe Dörfler, die Moses und Reuben von weitem hatten kommen sehen. Moses besah den Sprecher genauer und erschrak. Sowohl der Stimme nach als auch der gebeugten Gestalt nach war das ein alter Mann, aber das Gesicht und die Haut waren jung, der Mann konnte kaum älter als zwanzig Jahre sein, wirkte aber verbraucht, krank und zerlumpt.
„Höre, Hebräer“, Moses sprach nun selbst, „ich bin Ägypter aus Theben, von Pharao gesandt, um mich um die Bauten hier im Norden zu kümmern. Ich suche einen Hebräer, der in diesem Dorf leben soll, Amram geheißen, und seine Frau Jochebed, kannst du mir sagen, wo ich sie finde?“
„Von Pharo geschickt, welche Ehre", wieder die heisere Stimme und der Hebräer machte eine höhnische Verbeugung, „und du glaubst, wenn du Pharao sagst, verraten wir unsere Stammesgenossen? Nein, Ägypter, suche du deine Leute anderswo, aber nicht hier im Dorf.“
„Simon, hältst du wieder deine aufrührerischen Reden? Dein Vater sucht dich, geh nach Hause.“
Eine angenehme Frauenstimme kam aus der zweiten Hütte am Eingang des Dorfes und nun erschien in der Türöffnung eine ältere Frau, gebeugt, mit einem runzligen Gesicht, vielleicht vierzig Jahre alt und richtete den Blick ihrer klaren Augen fest auf Simon. „Immer führst du hier das große Wort, anstatt deinem Vater zu helfen, der nicht mehr allein für seine Nahrung sorgen kann. Geh, kümmere dich um deinen Vater, ich kann mich schon selbst beschützen.“
Zu Moses Erstaunen senkte Simon den Blick vor der Frau und ging langsamen Schrittes davon.
„Du suchst Amram, Fremder?“, richtete die Frau nun das Wort an Moses, der stumm stand und sie anblickte, „ich bin Jochebed, seine Frau, was willst du von meinem Mann?“
„Jochebed“, flüsterte Moses, noch immer in den Anblick der Frau versunken, „Jochebed“, und seine Augen belebten sich, „ich bin Moses, dein Sohn, aus Theben gekommen, um nach dir zu sehen.“
„Moses? Du bist Moses, den ich großgezogen habe, bis er fünf war und in den Palast Pharaos gerufen wurde? Moses“, fragte sie noch einmal und kam dann in die ausgebreiteten Arme Moses gelaufen, lief wie ein junges Mädchen, Tränen in den Augen und umschlang den jungen Mann, den sie als ihr damaliges Baby nicht wieder erkannte, so riesenhaft groß war er geworden und so standen sie, umarmten einander und hielten sich voneinander ab, um sich zu betrachten und fielen sich wieder in den Arm. Endlich löste sich Jochebed von ihrem Sohn und sah ihn an.
„Wie vornehm du geworden bist, in Leinen gekleidet, mit der Perücke, und sieh mich dagegen an, in Lumpen, ich bin arm, wir sind arm, Amram muss draußen bei den Ägyptern arbeiten, er wird erst heute Abend wieder kommen, aber bis dahin bist du mein Gast, komm in meine Hütte.“
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