»Du darfst es ja behalten. Das ist dein Geschenk.«
»Das ist keine Bezahlung, das ist Erpressung.«
»Du verstehst nicht, Erdling. Wir werden dir nicht das Leben nehmen, wenn du unseren Auftrag nicht annimmst, du wirst sterben, so wie der Rest der Welt.«
»Wi … Wieso?«
»Weil du an Gott glaubst.«
Sven runzelte die Stirn. »Ich dachte, das würde sich irgendwann auszahlen.«
»Du glaubst doch nicht an Gott, weil du meinst, es würde sich irgendwann auszahlen. Das wäre keine aufrichtige Loyalität, sondern nur eine Entscheidung für die bessere Seite.«
»Wie auch immer. So wie’s aussieht, habe ich keine Wahl. Was ist das für ein Auftrag?«
»Du musst den Schlüssel von Dimenzion holen.«
»Von wo?«
»Von Dimenzion.«
»Nein, ich meine: Von wo muss ich ihn holen?«
Eine neue Stimme erklang in seinem Kopf und ein anderer Alienkopf wackelte. Offensichtlich hatte sich ein weiterer Außerirdischer in das Gespräch eingeschaltet.
»Besser wäre es, wenn Ihr sagtet: ›Wo ist er?‹«
»Saxisonorus hat sich etwas zu viel mit weltlicher Grammatik beschäftigt. Der Schlüssel befindet sich in Dimenzion, deshalb heißt er Schlüssel von Dimenzion.«
»Demenzion?«, hakte Sven nach.
»Nein, Dimenzion – hartes m, weiches e«, verbesserte Saxisonorus.
»Es gibt kein hartes m, weil es kein weiches m gibt«, verbesserte Sven.
»Ach deshalb?«, interessierte sich Saxisonorus.
»Ja, es gäbe auch kein B ohne A, aber egal. Wo ist Dimenzion?«, lenkte Sven das Gespräch wieder in
richtige Bahnen.
»Im heutigen Europa.«
»Geht es nicht etwas präziser?«
»Der Ort, den du suchen musst, befindet sich in Österreich. In Wien. Tschüss.«
»Moment! Das kann es doch nicht gewesen sein, ich brauche genauere Informationen und Instruktionen … außerdem muss ich am Montag wieder zur Arbeit.«
»Du musst überhaupt nicht mehr zur Arbeit. Dein Freund Konstantin, ein Außerirdischer unseres Wohlgefallens, gibt dir alle Informationen, die du brauchst … Nun geh dahin.«
Die Außerirdischen wiesen ihn zur Wand. Sven stolperte zurück, er hatte das Gefühl, noch tausend Fragen stellen zu müssen, aber das Gespräch war offensichtlich beendet.
Er begab sich zu der Luke, durch die er hereingekommen war. Vermutlich würde er dort auch wieder hinausgelangen. Offensichtlich galt bei diesen Gefährten immer solange das Nächstliegende, bis jemand etwas anderes behauptete. Nun stand er dort, wo er den Ausgang wähnte. Einen Moment später erklang das mechanische Geräusch erneut und die Tür öffnete sich.
Tosender Applaus war zu vernehmen, noch bevor Sven erkennen konnte, von wem er verursacht wurde. Als sich seine Augen nach der dunklen Umgebung an das Licht gewöhnt hatten, sah er die riesige Menschenmenge, die Hermanns Wiese plattstand, jemand ließ zwei Tauben aufsteigen und ein Sportflugzeug mit dem Banner »Aliens und Menschen Hand in Hand im wunderschönen Bayernland«, zog
über den Himmel.
Fernsehkameras zeichneten das Spektakel auf, außerdem standen bis an die Zähne bewaffnete Militärangehörige da, die nervös mit den Beinen wippten und Maschinengewehre in ihren Händen balancierten.
Sven hörte die Stimme eines Moderators: » … und nun haben wir zum ersten Mal Sichtkontakt mit einem Außerirdischen. Dieser Moment wird Geschichte schreiben.«
* * *
»Ach du Scheiße!«, murmelte Sven und hatte Angst, etwas zu tun, das die bewaffnete Garde als feindselige Geste auffassen konnte. Er wusste nicht genau, wie er sich verhalten sollte, aber die Menge wartete darauf, dass er eine Reaktion zeigte – oder gar eine Aktion. So hob Sven unbeholfen die Hand und winkte kurz, woraufhin die Soldaten nervös ihre Gewehre anhoben und die Menge in tosendem Applaus ausbrach.
Sven lief behutsam die Rampe nach unten und widerstand dem Impuls, seine Hände in die Taschen zu stecken, wie er es sonst tat, um nicht den Gedanken zu provozieren, er würde eine Waffe mit sich führen. Schon kam ihm ein Mann entgegengeeilt, der nicht gerade vertrauenswürdig aussah. Schwarze Sonnenbrille, schwarzer Anzug, Ohrhörer – offenbar, um mit den Kollegen oder Untergebenen in Funkkontakt zu bleiben. »Sir, wenn Sie bitte mit uns kommen würden«, sagte er, und es klang nicht wie eine Bitte.
Er hatte wohl keine Wahl, der Mann wurde von zwei maschinenbewehrten Männern begleitet.
Sie gingen in einen Wohnwagen am Rande der Ansammlung.
»Setzen Sie sich doch.« Der Mann deutete auf einen Stuhl, und seine Geste machte deutlich, dass auch dies keine Option war. Sven setzte sich. Der Mann positionierte sich ihm gegenüber an der anderen Seite des Tisches und stützte sich mit seinen Händen auf der Tischplatte ab. »Also, Herr Alien … wir möchten nur wissen, was Sie hier wollen.«
»Ich bin hier zuhause«, erklärte Sven unbedarft.
»Offensichtlich sind sie bereits unter uns«, murmelten sich zwei Soldaten im Hintergrund zu.
»Wir vom FBI«, fuhr der Erste fort, »sind daran interessiert, die Menschheit zu schützen.«
»Schön«, antwortete Sven, woraufhin der Sonnenbebrillte offenbar böse wurde. »Also, ich frage Sie nochmal: Was wollen Sie hier?«
»Und ich sag Ihnen nochmal, dass ich hier zuhause bin«, ließ sich Sven nicht beeindrucken.
»Was soll das heißen: Sie sind hier zuhause?«
»Ich bin aus dem Ort hierhergelaufen, weil dort das Raumschiff stand. Dann öffnete sich eine Luke und ich bin rein.«
»Einfach so.«
»Ich war neugierig.«
»Und was haben Sie im Inneren des Raumschiffs gesehen?«
»Nichts. Nur ein paar Kunststoffröhren aus Metall.«
»… Kunststoffröhren aus Metall …«
»Na ja, kunststoffummantelte Röhren aus Metall.«
»Woher wissen Sie denn, dass sie aus Metall waren, wenn sie doch mit Kunststoff ummantelt waren?«
»Das ist doch immer so, oder?«
Der Mann schlug mit den Händen auf den Tisch. »Ich hab genug von Ihren Spielchen.« Er atmete einmal durch. »Ich sehe mich gezwungen, Sie an Doktor Frightful zu übergeben. Der wird es schon aus Ihnen herauskitzeln.«
Der Agent schnippte mit den Fingern, woraufhin einer der Soldaten nach draußen ging und jemanden hereinholte.
Der Mann, der nun eintrat, trug eine Brille und einen Koffer. Er wuchtete ihn auf den Tisch – das sah nicht gut aus. Wahrheitsserum, Daumenschrauben, Schlitzmesser – der Koffer bot viel Platz für allerlei Folterwerkzeug und die schlimmsten Befürchtungen.
Der Doktor löste die Schnallen und öffnete sein Gepäck. Oje oje oje … Doch Svens Angst wich der Verblüffung, als er den Inhalt des Koffers sah. In der Aussparung im schwarzen Kunststoff war gerade genug Platz für ein Pendel. Es war golden und hing an einer filigranen Kette. Der Doktor hob es behutsam heraus und ging um den Tisch herum.
Er positionierte sich hinter Sven und ließ das Pendel im Uhrzeigersinn um seinen Kopf kreisen. Vor seinen Augen und hinter seinem Hinterkopf vorbei.
Bei Sven kam der Schweißer durch: »Das ist saubere Arbeit. Gefräst und anschließend im Kupferbad versiegelt?«
»Genau, danach noch eine Legierung …«, ließ sich der Doktor mitreißen.
»Machen Sie Ihre Arbeit!«, brüllte der Mann in Schwarz.
»Schluss damit!«, hörte er eine Frauenstimme vom Eingang des Wohnwagens schallen.
»Wer sind Sie?«, empörte sich der Agent, mit hörbarem Erstaunen in der Stimme.
»Christina Wagner, Bundesnachrichtendienst. Sie und Ihre Leute verschwinden hier.«
»Wissen Sie, mit wem Sie reden? Ich bin vom FBI.«
»FBI bedeutet in Deutschland nur Stoff für gute Fernsehserien. Sie befinden sich auf deutschem Hoheitsgebiet. Heidi, Susi – begleitet die Herren zum Flughafen.« Zwei Schäferhunde zogen zwei Beamte an Hundeleinen in den Raum, und die FBI-Leute zogen unter sichtlichem Unbehagen vor den Hunden Leine.
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