Wie sie diese bewältigen, interessiert wiederum äußerst wenig. Zumal es ja Konsens ist, wenn alle gleich behandelt werden und die gleichen Belastungen und widrigen Umstände aushalten müssen, weil es eben nicht anders geht, wie es wirtschaftlich und politisch so schön heißt, dann ist darüber nicht zu sprechen.
Festzustellen ist eine unglaubliche Härte bei der Verankerung politischer und wirtschaftlicher Interessen des Oben im Unten. Von Terror wird in diesen Zusammenhängen nicht reflektiert und demgemäß nicht gesprochen. Wie lange die Bürger das mitmachen sollen, bleibt genauso offen wie die Frage, was danach kommt. Denn der Bürger muss psychisch diese Oben-Ziele, diese fremde Gier (quasi), als seine eigene Zielsetzung in sein Selbst implantieren und mithelfen, das Oben zu befriedigen – dann ist es der Bürger Unten auch! Diese fremde Gier ist zu befriedigen, den Anforderungen der Wirtschaft mittels einer definierten Arbeitskraft zu einem bestimmten Salär zu verkaufen, heißt, sich selbst zu verraten, permanent gegen sich selbst zu handeln, zu denken, zu fühlen und gegen sich selbst anzudenken und gegen sich selbst anzuleben : Denn gefühlt und gedacht wird, was der Fürst, das Oben, sagt! Sagt man Unten, dass die Lohnerhöhung nicht ausreicht zum Leben, wird davon gesprochen, die Menschen Unten seien gierig. Das von Oben verordnete „Wir“ symbolisiert die Identifikation mit den Zielen des Oben durch die besitzlosen Menschen, das durch das Oben kreiert und verbal formuliert ist: Es ist sozusagen der Trägerstoff, das Wasser, das alles, was an Anforderungen, Frechheiten, Unmöglichkeiten, Fertigkeiten und Anpassungsforderungen gestellt wird, aufzunehmen und als eigene Ziele/Wünsche zu assimilieren sowie in eigene Ziele persönlich mit dem eigenen Leib zu transformieren, um die fremden Forderungen/Ziele zu verwirklichen. Wo dann noch eigene Vorstellungen von Arbeit, Leben und Bedürfnissen Platz haben sollen ist fraglich. Fragt man Menschen, haben sie keine Zeit. Denn sie schuften sich von einem Job zum anderen von morgens bis abends, um das notwendigste Lebenssalär zusammenzukratzen. Oben hat man ein ganz anderes Wir: Da identifiziert man sich mit seines Gleichen und dem Kontostand, aber doch nicht mit Menschen Unten!
Dies bedeutet in Kurzfassung: Wird von Oben gefordert, den Riemen enger zu schnallen, damit man es gemeinsam für Oben schafft, heißt das Unten Verzicht auf Lohn, Urlaub, Arbeitsplatz oder weitere, gravierende existenzielle Einschnitte wie Stadtteil- Stadtwechsel mit Wohnungswechseln oder weite und zeitintensive Anfahrtswege zum neuen Arbeitsplatz in Kauf zu nehmen, wenn denn einer in Aussicht steht. Als sei es der eigene Wunsch, das eigene Ziel, derartige Wechsel vorzunehmen! Wie Karl Marx schrieb, die Identifikation mit dem Fürsten ist gefragt und dies bedeutet für alle Menschen in der Gegenwart, ein Krebsgeschwür im eigenen Leib zu tragen, oder einen Wirt, der alle Nährstoffe für das eigene Leben entzieht. Was man Oben über diese Tatsache, dass alle Unten machen, was Oben gewünscht ist, denkt – möchte man gar nicht wissen: Das wäre zu ernüchternd. Es reicht, was man sich Oben an Tabubrüchen leistet, um ablesen zu können, wessen Geistes Kind diese Wirtschaftsmenschen sind. Einen Garant von Oben für wirtschaftliche Besserung im Unten gibt es jedenfalls augenblicklich nicht. Es gibt nur ein einzuforderndes „Wir“ für Unten von Oben, aber nicht umgekehrt. Unten ist man allein! Solidarisieren soll man sich Unten nicht untereinander, da macht man sich ja verdächtig: Huu!
Und wer möchte das schon, verdächtig sein ! Man will doch gar nicht auffallen oder was sagen – es soll nur besser werden! Denn täte man es, gäbe man ja zu erkennen, dass man das geforderte „Wir“ nicht mehr mitträgt und anderer Meinung ist und diesem propagierten „Wir“ nicht mehr traut.
Deshalb hatte die ältere Dame Angst, sie würde allein mit dem Schild auf der Straße stehen und die anderen Menschen würden sie anschauen, als wäre sie nicht ganz dicht, kurz, verrückt, wenn sie sagte: „So geht es nicht weiter! Da muss man doch was tun!“ (Vgl. S. 166 in Band 1)
Wer will zusätzlich ausschließen, dass das Vertrauen der Bürger in Bezug auf die scharfen Kontrollen im Rahmen der Anti-Terror-Maßnahmen und die Daten von Online-Durchsuchungen in ein paar Jahren nicht für andere Zusammenhänge benutzt werden? Auch so wird die Identifikation mit dem Oben in die Psyche eingerieben. Oben scheint man skeptischer zu sein, ob diese Art und Weise der Manipulation von Menschen noch lange so hält.
Unsicherheiten verheimlicht man tunlichst, Existenzvernichtung verleugnet man am besten; Unterordnungs- und Kontrollzwängen passt man sich an … so weit das Auge reicht. In der Psychotherapie gelten derartige atmosphärische Lebensbedingungen und -umstände als Psychoterror. In Deutschland übernimmt diese Form des Psychoterrors die Funktion, die Identifikation mit dem Oben zu erhalten. Der Bürger kann in vielerlei Hinsicht seine Unterordnung bezeugen und zeigen, dass er ein guter Bürger ist. Wer möchte kein guter Bürger sein? Ich glaube, da würde sich niemand mit Handzeichen melden.
Derartig politisch-ökonomische Umstände greifen nicht nur punktuell in die Persönlichkeitsrechte ein, sondern greifen Persönlichkeit, Psyche und Seele chronisch an. Chronische Prozesse zeichnen sich primär durch einen schleichenden Prozess aus: Es geht sehr langsam, erst merken Menschen es gar nicht und dann werden Symptome immer deutlicher, heftiger, schmerzlicher bis sie organisch manifest sind und eine Diagnose gestellt werden kann. Zum guten Schluss sind sie selbst an ihrer Krankheit schuld und zahlen drauf. Dann müssen sie sich persönlich behandeln lassen – und das möglichst billig! Nicht der Kapitalismus wird hinterfragt und so verändert, dass Menschen in ihm und mit ihm ein menschenwürdiges Leben führen können, sondern der Mensch hat sich anzupassen! Da kapitalistische Produktion nicht mehr so viele Menschen braucht, um effizient Gewinne zu erwirtschaften, macht es auch nicht viel, wenn viele Menschen daran erkranken und den Sinn von Profit nicht mehr verstehen?
Inzwischen mag man besser den Sinn der Sexualisierung in Medien verstehen: Sexuelle Phantasien und Sex als generelle und billige und kostengünstige Quelle von Freude, die sich Menschen Unten noch leisten können. Knöpfchen drücken und schon geht es los! Gewaltverherrlichung ergänzt das Programm, wenn man denn doch nicht mehr ständig sexualisiert werden möchte: Da kann man in der Identifikation mit den Hauptdarstellern zum Held auf dem Sofa und im Bett werden. Das bietet unsere Kultur allen (besitzlosen) Bürgern kostengünstig anstelle von Konfliktverarbeitungsmöglichkeiten an.
Erstrebenswert wäre, Psychotherapeuten an den Universitäten und in den freien Praxen würden eine Kooperation zur wissenschaftlichen Erfassung krank machender Faktoren im Alltagsleben zwecks Zusammenarbeit gründen:
Psychoökonomiewäre als neues Fachgebiet zu definieren
und ebenso präventiv kapitalistische Psychohygiene Finanz- und Bankenhygiene.
Unter Psychoökonomie ist die kapitalistische Beziehungsgestaltung und deren Auswirkungen auf Menschen zu verstehen: Wie der Kapitalismus Menschen krank und kaputt macht, weiß man – dann weiß man auch, was gesund erhalten kann.
Kapitalistische Psychohygiene umfasst als Arbeitsgebiet die Möglichkeit der Reflexion der negativen Auswirkungen auf den menschlichen Psyche-Körper und die Persönlichkeit.
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