Nun ist nicht der falsche Schluss zu ziehen, dass jeder Mensch ausschließlich selbst und allein für seine Seele zuständig ist und sich nur vor Gott oder zu seiner Seele bekennen muss und dann wird alles gut. Nein, der Mensch muss sich vor dem Menschen zu Gott und/oder zu seiner Seele bekennen. Daraus ist der Schluss zu ziehen, dass die Seele an der Spitze der Werteordnung in der Welt und im Menschen zu stehen hat, um dem menschlichen Wesen Bestätigung und Respekt zu zollen. So wie Gott durch einen Gott Liebenden lebt, indem der Mensch sich vor anderen Menschen zu ihm bekennt, so lebt die Seele durch einen Menschen, der die Seele des anderen Menschen fühlt und bestätigt. Dabei spielt die religiöse Ausrichtung, also in welchem Namen im jeweiligen Falle sich der Mensch zu Gott bekennt nicht die entscheidende Rolle. Entscheidend ist, dass er es tut. „Das Herz aller Religionen ist eins“ sagt der Dalai Lama in seinem gleich lautend titulierten Buch und führt es aus.
Es kann nicht angehen, dass Menschen, die an Gott glauben, in ein Eckchen Zeit und Raum und Gotteshaus zu bestimmten Feiertagen verwiesen werden, um ihren Glauben lebendig ausdrücken zu können. Diese Realität ist weltliche Politik, aber nicht Ausdruck des Glaubens. In dem Evangelium von Matthäus heißt es, wer sich zu Jesus bekennt, zu dem bekennt sich Jesus auch vor seinem Vater. Oder an anderer Stelle heißt es, wenn zwei sich in meinem Namen treffen, dann ist Gott gegenwärtig.
Hier im vorliegenden Buch geht nun an dieser Stelle nicht um einen Gottesbeweis oder um eine Bekehrung zu einem religiösen System. Es geht ausschließlich darum, dem nicht zu zerstörenden Teil des menschlichen Wesens, der Seele, den Platz zuzuweisen, der ihr in der Gemeinschaft oder einem Land von Menschen wie in ihm selbst gebührt. Dieser Platz ist das Herz in jedem Menschen und dieser Platz ist der Seele auch gesellschaftlich einzuräumen. Die Seele ist im Weltlichen und in der Wissenschaft anzuerkennen und es ist zu lernen, mit ihr und in ihrem Sinne zu leben - und nicht gegen sie. Es ist fast unnötig zu betonen, dass die Seele und nicht Geld und Kapital insbesondere im Gesundheitswesen zentral zu stehen hat.
Dafür ist sie von der Wissenschaft zur Kenntnis zu nehmen wie die Berufsgruppen, die die Seele in ihrer täglichen Arbeit bestätigen, anzuerkennen. Ein neues Paradigma ist dementsprechend auszurichten, um auch wissenschaftlich zu bestätigen, was bereits in vielen Aussagen von Menschen durch Erfahrung vorgelegt wurde und wird. Der Mensch will immer Beweise, weil er Angst hat, wieder abgewertet zu werden für das, was er glaubt oder er selbst erfahren hat. Der Mensch ist ein Gemeinschaftswesen und als solches braucht er Partner auf dem Weg, die Seele als im Leben wesentliche Konstante wachsen zu lassen. Der Motor der Seele ist das Bedürfnis nach Liebe, das den einen Menschen in Verbindung mit dem anderen Menschen sein und leben lässt.
Von vielen Reichen heißt es, dass sie gläubig seien. Warum sie dann nicht gerecht mit Ärmeren teilen, was sie an weltlichen Mitteln zum Leben erlangt haben, bleibt allerdings erklärungsbedürftig. Von vielen armen Menschen heißt es, dass sie das letzte Hemd mit einem andern Menschen teilen, noch irgendetwas aus den Ecken zaubern, dass das Herz eines anderen Menschen froh macht und erleichtert. Wenn die Seele in der Mitte des menschlichen Lebens in einer Gemeinschaft steht, dann kann eigentlich nichts mehr passieren und ein „Fürchtet Euch nicht“ in völlig neuem Licht erscheinen lassen.
Aber weder ist diese Sichtweise auf die Seele und damit das menschliche Wesen formuliert, noch die Frage, ob der Mensch bzw. das menschliche Wesen der Heilung bedarf, gestellt – auch nicht vom Bundespräsidenten. Seele und menschliches Wesen kommen in dem alten Denkschema, dass Kapital und Geld das wichtigste im Leben seien, gar nicht vor. Im Gegenteil wird mit dem Glauben und den Seelen von Menschen gespielt und an ihrer Irreführung verdient. Den nicht besitzenden Menschen wird in einer an Kapital orientierten Welt durch die Welt Oben vorgegeben, wo und wie sie zu leben haben, nämlich Unten. Es ist berechnetes Leben: Unten wird nur mit soviel Geld auszustatten, dass Waren gekauft werden können. Ein Leben lang, tagein und tagaus, müssen sie schuften, damit sie die Waren kaufen, an deren Verkauf Oben verdient wird. Zusätzlich weckt die Wirtschaft mittels Manipulation immer neue Bedürfnisse, zu deren Befriedigung wieder neue Produkte ersonnen werden. Die Wirtschaft wächst durch Mehrwerterschaffung, die sich grob gesprochen aus dem Verhältnis der Bezahlung der Arbeitskraft einerseits und den übrigen Produktionsbedingungen (Produktionsmittel, Technologie, Standort) ergibt. In Zeiten der Globalisierung werden weltweit die billigsten Arbeitskräfte und Standorte zur Maximierung von Gewinnen gesucht. Waren werden preiswert produziert und teuer, z.B. in Deutschland, verkauft. Die Renten sind wiederum ganz niedrig angesetzt und werden nun auch noch in Deutschland besteuert.
Wirtschaft und Politik sieht sich insofern 2009 vor eine mathematische Aufgabe gestellt: Wie viel Geld muss der einzelne Mensch zum Leben zur Verfügung haben, damit er nicht elendig zugrunde geht und gleichzeitig noch genügend zum Kauf der wirtschaftlichen Güter zur Verfügung hat. Die Seele wird durch diese einteilenden Menschen schamlos wie zum Spott durch Ignoranz dargeboten: „Nun könnt ihr mal beweisen, ob die Seele euch rettet. Glaubt nur schön weiter! Ab und zu wollen wir euch dann auch mal was spenden, wenn es gar zu arg wird für euch! Und damit ihr auch wirklich das Himmelreich auf Erden errichtet, werden wir euch noch das Letzte nehmen: Die Bedingungen, die die Seele braucht, um durch das Nadelöhr schon auf Erden zu gehen, stellen wir her. Wir haben so viel Misstrauen und Gemeinheit verbreitet und gesät, dass es wirklich eines Quantensprungs bedarf, um anderen Sinnes zu werden. Wenn euch das gelingt, dann werden auch wir glauben, dass es etwas gibt, das größer und mächtiger ist als Kapital und Geld!“
Zu Weihnachten 2008 war die Deutsche Bank empört über die Kritik des Bischofs bzw. der Kirche. In der Tageszeitung (Ruhr-Nachrichten 27.12.2008, Titelseite) hieß es: „Führende Vertreter der beiden großen Kirchen in Deutschland haben zu Weihnachten angesichts der Finanzkrise materialistisches Denken und Profitgier scharf verurteilt.“ Die Deutsche Bank zeigte sich verärgert über die Kritik an ihrem Vorstandsvorsitzenden Josef Ackermann. Der Bischof Wolfgang Huber hatte in der Berliner Zeitung vom 24.12.2008 kritisiert: „In den aktuellen Zusammenhängen ist das Geld zum Gott geworden.“ Namentlich wurde Ackermann diesbezüglich genannt. Generell wurden Manager zu Bescheidenheit ermahnt. Es wäre erfreulich, dem Ärger der Deutschen Bank entnehmen zu können, sie hätte einen Sinneswandel in den letzten Tagen des Jahres 2008 durchlaufen, der die Position des Geldes in dieser Welt auf einen anderen als den gewohnten Platz zu verweisen vor hat und Gott und die Seele mit an die Spitze der Werteordnung in der Gesellschaft befördern wolle. Oder wie soll diese die Tatsachen und Einkommensverhältnisse verkehrende ärgerliche Stellungnahme der Deutschen Bank verstanden werden? Als Rechtfertigung bezüglich der Höhe des Managergehaltes von Josef Ackermann als eines von Gott gewollten Gehaltes? Bestätigt nicht im Gegenteil dieser geäußerte Deutsche-Bank-Ärger noch die kritische Feststellung der Kirche? Ist er als ein letztes verkehrendes Platzhirschgebaren zu verstehen, was wiederum die Kritik der Kirche bestätigt? Eine intentional und generalisiert gemeinte Mahnung, die für alle Menschen gilt, zu schweigen? Sollen die Dinge nicht beim Namen genannt werden? Was steht denn als Wert über dem Geld? Wie und wo bekennt sich die Deutsche Bank zu Gott oder zur Seele? In dem sie diesbezüglich wenig demütig und unempfänglich für höhere Botschaften den Bischof kritisiert? Ein Bekenntnis der Deutschen Bank im Laufe der deutschen Geschichte ist bekannt und liegt von ihr selbst aufgearbeitet und publiziert vor. Aber von einem Bekenntnis zu Gott und Seele des Menschen durch die Deutsche Bank habe ich noch nichts gehört. Wem wäre hier ein „Fürchtet euch nicht!“ zu zurufen? Ackermann wird auch im August 2010 wieder zum Star-DAX-Chef, zu dem DAX-Manager, der am meisten verdient, ernannt. (Spiegel-Online in: wirtschaft.t-online.de, 7.8.2010).
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