Statt den halbtoten Mann am Boden mit meiner Klinge sauber zu töten, nahm ich meinen Schwertknauf um ihm damit den Schädel einzuschlagen. Blut und Knochensplitter flogen mir ins Gesicht, während meine vom Zorn verzerrte Fratze ein makaberes Bild abgab.
Ich konnte nicht aufhören, obwohl in meinem Kopf noch dieser klare Gedanke war, der wusste, dass ich eine Grenze überschritt. Aber es war längst zu spät, ich war meinem Zorn ausgeliefert und mein Körper war nur noch ein Werkzeug meiner Wut, während mein Verstand fassungsloser Zuschauer sein musste.
Ich erhob mich und rannte in die Meute rein, die durch die eingeschlagene Tür kam.
»Namenloser!«, hörte ich Janek entsetzt schreien, doch er klang für mich sehr weit entfernt.
Ich sah rot. Nicht nur wegen des vielen Blutes, das aus den Körpern jener Männer spitzte, die meinem Schwert und meiner Wut zum Opfer fielen.
Ich weiß nicht, wie viele ich niederschlug, regelrecht abmetzelte. Viele. Aber nicht genug.
Janek rief, ich konnte ihn hören, aber ich hörte nicht auf ihn.
Wut macht dumm, denn ich konnte das unmöglich gewinnen. Auf jeden einzelnen Mann, den ich niederstreckte, folgten fünf weitere. Es nahm kein Ende und trotz des Zorns in mir konnte ich bereits die Erschöpfung in meinen Armen spüren.
Ich wäre längst tot, hätten Janeks Pfeile mir nicht in diesem Raum unendliche Male das Leben gerettet.
Meine Feinde umzingelten mich, fast wie Wasser. Ohne Luft dazwischen. Doch aufhören und fliehen wollte ich nicht. Noch immer konnte ich mich nicht beherrschen, mittlerweile war ich von oben bis unten voll mit fremdem Blut. Vielleicht auch einwenig von meinem eigenen Blut, ich hatte jedenfalls genug Schmerzen um einige Wunden am Leib zu tragen. Mein blondes Haar war verklebt mit roter Flüssigkeit, die schnell einzutrocknen begann.
Ich war bereits völlig erschöpft, als mich plötzlich Arme von hinten umschlangen und wegzerrten.
»Wir müssen hier weg!«, brüllte Janek, während er mich fortschleifte.
Erst wehrte ich mich, weil ich noch mehr Elkanasai niedermetzeln wollte, mein Hunger nach Rache und Blut war noch lange nicht gestillt.
Doch ich besann mich, dass hier weder der Ort noch die richtige Zeit dafür war.
Also drehte ich mich um und befreite mich damit aus Janeks Griff, ich übernahm die Führung und wir eilten aus dem Tunnel, immer darauf achtend, dass unsere Verfolger uns nicht aus den Augen verloren.
***
Der Tunnel führte aus dem Boden heraus zu einem Ausgang hinter einem Felsen an einem Waldrand.
Ich kletterte hervor – oder besser gesagt, kroch ich hervor und zog mich mit letzter Kraft aus dem Loch – und holte keuchend Luft.
»Ihr seid vollkommen wahnsinnig!«, sagte Janek ebenso atemlos hinter mir. Es klang nicht nach einem Vorwurf, ehe klang es nach Bewunderung. Ein Lächeln lag auf seinen Lippen als ich ihn ansah.
»Merk dir das gut«, erwiderte ich. Es war sowohl ein gut gemeinter Ratschlag als auch eine ernstzunehmende Drohung.
Wir eilten fort von dem Geheimausgang, als wir die Elkanasai hinter uns hörten.
»Stopp!« Mitten auf einer Wiese blieb ich stehen und drehte mich um.
Janek tat es mir gleich und spannte den Bogen. Viele Pfeile hatte er nicht mehr. Aber wenn ich sie in der Halle nur lange genug hatte aufhalten können, würde er sie auch nicht mehr benötigen.
Erst kamen sie vereinzelt aus dem Waldrand hervor, doch sie waren nicht dumm, sie formierten sich neu, ehe sie uns angreifen wollten.
Dann kamen sie. Eine Wand aus Soldaten, ein Meer, das die Wiese überflutete und unaufhaltsam auf uns zuraste. Hier draußen würden sie mich und Janek einfach überrennen, die enge des Gebäudes war zuvor unser Vorteil gewesen, auf den wir nun nicht mehr zurückgreifen konnten.
Janek zappelte nervös neben mir.
Ich starrte die Reihen an, die mit gezogenen Schwertern und Speeren auf uns zueilten, Schilde blitzten im Sonnenschein, der durch die dicken Schneewolken am Himmel brach, und Kriegsgeschrei wehte zu mir hinüber.
»Komm schon«, flüsterte ich vor mich hin, als sagte ich ein Gebet auf. »Na komm schon!« Immer tiefer versanken meine Schuhe im aufgeweichten Boden, es stank nach Dung auf dieser Wiese. Bald würde es auch nach Tod riechen.
Und dann hörte ich sie. Die Hufe. Schwere Hufe starker Pferde, die mit donnerndem Galopp hinter uns auftauchten.
Ich drehte mich um und sah Derrick an der Spitze. In V-Formation flogen sie heran wie ein Gewittersturm, und auch eben so laut. Derrick zog sein Schwert und streckte es mit einem Brüllen in die Luft. Meine Männer, meine Brüder stimmten in den Kampfschrei mit ein.
Janek atmete neben mir fassungslos aus. »Ich dachte, ihr währt nur eine Handvoll Söldner.
»Siebenundsiebzig sind doch nicht viel«, gab ich bescheiden zurück. In Wahrheit hätte ich gerne sehr viel mehr Männer gehabt. Wir waren einst auch zahlreicher gewesen, doch das Leben in Carapuhr war hart. Ich konnte meine Brüder nicht so schnell ersetzen wie sie manchmal fielen. Zumal ich nicht jedem dahergelaufenen Anwärter einfach so aufnahm.
Der Sog des Windes, der von den Pferden verursacht wurde, riss mich fast von den Beinen als sie im vollen Galopp ziemlich knapp an mir vorbeirannten.
Ich folgte Derrick und meinen Brüdern um mich erneut ins Getümmel zu stürzen.
Es war nun einfacher zu kämpfen, denn ich hatte mehr Platz und musste mich nicht allein gegen fünf, sechs Angreifer stellen.
Ein Schwerthieb hier, ein Hieb dort. Eine Pirouette, als würde ich tanzen, eine X in der Luft, um zwei Angreifer gleichzeitig zu verletzen. Ducken, austeilen, abrollen, ausweichen. Alles schon mal getan, alles nichts Neues. Und doch ging ich bedachter vor als in der Halle. Vielleicht weil ich nicht riskieren wollte, einen meiner Männer in meinem Wahn zu verletzen.
Wir hatten die Meute schon fast ausgelöscht, als ich während des Kampfes Janek beobachtete, der sich nervös umsah, als wollte er schnell fliehen.
Ich erstach einen Elkanasai und trat einen weiteren direkt in Lazlos Klinge.
Neugierig warf ich wieder einen Blick zu Janek, doch da war er schon verschwunden.
Es kitzelte mich im Nacken. Hatte ich mich in ihm getäuscht?
Wut auf mich selbst flammte auf, ich wurde langsam nachsichtig ... oder einfach zu gutgläubig.
Wo war Janek hin?
Nach kurzem Umsehen fand ich ihn auf den Wald zueilen, wieder in Richtung des Dorfes.
Einem Instinkt folgend, rannte ich ihm nach.
»Warte! Bruder, nein!«, reif mir Derrick vergebens nach.
***
Ich holte Janek im belagerten Dorf ein. Dort war es nicht sicher, denn uns waren nicht gänzlich alle Soldaten gefolgt, einige wollten das Dorf schützen.
Janek rannte durch das Tor, er nahm mir etwas Arbeit ab, als er zwei seiner Leute mit dem Dolch erstach.
Ich stockte, wusste nicht, was das zu bedeuten hatte. Warum rannte Janek zurück zum Dorf, wenn er sich nicht wieder seinen Leuten anschließen wollte? Möglicherweise wollte er einfach nur alle abmetzeln.
So musste es sein!
Ich zuckte mit den Schultern und folgte ihm zu den Gebäuden. Hinter mir konnte ich bereits wieder Pferdehufe hören, die über matschigen Boden heran geeilt kamen. Es waren nicht alle meine Brüder, Derrick hatte nur eine Handvoll dabei um mir zu folgen.
»Namenloser!«, rief Derrick.
Ich drehte mich zu den herannahenden Reitern um und rief ihm entgegen: »Nehmt das Dorf ein, wir treffen uns am Südtor!«
»Warte!«
Aber ich wartete nicht.
Janek zu verfolgen war nicht einfach. Ein Elkanasai war flink, wie eine Maus. Manchmal bemerkte man sie gar nicht.
Bei mir sah das jedoch anders aus. Ich als großer Barbar wurde schnell erkannt, wo Janek unbemerkt hindurch huschen konnte.
Also kämpfte ich, während ich Janek nachrief, und ließ hinter mir eine Spur aus blutigen Leichen zurück. Derrick würde ihnen ohne Zweifel folgen wie ein Huhn verstreuten Brotkrumen.
Читать дальше