Der klügste, schönste oder meinetwegen ehrlichste Spieler, hat rein gar nichts von seiner Intelligenz, seinem Aussehen oder seinen anderen vorhandenen Tugenden, solange er am Automaten steht und sein Dasein verspielt. Spieler messen ihren persönlichen Wert daran, was sie am Automaten gewinnen. Je höher dieser angebliche Gewinn zu sein scheint, desto wichtiger und einflussreicher fühlen sie sich in dieser Szene. Und das ist das Problem an der ganzen Sache, denn diese Tatsache, ist nicht armselig oder bemitleidenswert – es ist eine Krankheit und muss auch dem entsprechend wahrgenommen werden.
Ich komme aus einer wohlbehüteten Familie, jedenfalls glaube ich sagen zu können, dass ich eine gute Kindheit hatte – doch im Nachhinein betrachtet, verging sie viel zu schnell. Eher ich mich versah, befand ich mich bereits im Schul- und nach ein paar Jahren im Berufsleben. Der Ernst des Lebens begann, das ist die Zeit zwischen Berufseinstieg und Rente – nicht gerade die stressfreieste Zeit. Eltern, Erzieher/innen und Lehrer versuchen einen immer auf das Kommende vorzubereiten, doch auf das Leben kann dich niemand vorbereiten, es kommt dir wie ein Schlag ins Gesicht entgegen. Dieser Schmerz sollte gestillt werden und ich fand Gefallen darin, mein Glück herauszufordern. Es klingt merkwürdig, aber ich passte an den Automaten, wie der Deckel auf den Topf. In dem Augenblick, wo ich mich vor einem Automaten befand, fühlte ich mich Vollkommen, ich verspürte völlige Freiheit. Mein Gesicht war fürs Lächeln bestimmt, doch die Welt ist nicht lustig, sie fügt einem Schmerz zu. Schmerz, mit dem ich nicht umgehen konnte.
Nach Jahren am Automaten, fühlte ich mich wie ein lachender Clown, der sich nach außen witzig und humorvoll präsentierte, doch in Wahrheit auf Knopfdruck losheulen hätte können. Am Automaten etwas Geld zu gewinnen, wirkt für viele notwendig, für einen Spieler wird es vollständig zur Nebensache. Für mich war es nur eine weitere Möglichkeit, um länger spielen zu können. Ob Freispiele oder Bargeld, es landet so oder so wieder im Automaten. Ich war ein Mensch, der sich gerne mit seinen Freunden traf, der sich gerne in Gesellschaft befand, doch im Grunde fühlte ich mich immer alleine. Ich habe einen relativ hohen IQ, gebracht hatte er mir rein gar nichts, bis auf Isolation – gedankliche Isolation. Intelligenz ist oftmals definitiv kein Segen.
Die gesellschaftliche Isolation fand gezwungenermaßen statt, ich mied plötzlich die Gesellschaft von jeden, nur am Automaten befand ich mich noch in einer halbwegs heilen Welt, die ich nach meinen Vorstellungen formte. In meiner Welt interessierte mich das oberflächige Denken der Gesellschaft nur bedingt – denn immerhin bekam ich nichts mehr davon mit. Mehr und mehr übernahm der Automat mein Leben, egal was ich tat, ob ich arbeiten ging oder in Gesellschaft etwas trank, der Automat schrie förmlich nach mir – oder ich nach ihm.
Ein Spieler besitzt keine Freude, keinen Seelenfrieden, keine Zufriedenheit oder einen Hauch von Harmonie und Einklang, nein – mein Leben bestand aus zwanghaften Spielen und der systematischen Selbstzerstörung. Egal wie hart es auch klingen mag, ich tat dies freiwillig, denn niemand außer meine persönlichen Gedanken zwangen mich, mein Leben zu verspielen.
Viele Spieler betrachten ihre begangenen Taten und versuchen vor ihrer eigenen Vergangenheit zu flüchten. Doch ich bin der Meinung, dass man sie als Erfahrung abspeichern sollte. Nicht als etwas, was die Zukunft bestimmen wird, sondern als etwas, was uns Hoffnung geben kann. Nichts lässt uns schwerer vergessen, als der dringliche Wunsch, etwas unbedingt vergessen zu wollen. Sie würden sich durch das bewusste Verdrängen nur selbst belasten, akzeptieren Sie Ihre Vergangenheit, denn wie gesagt, sie bestimmt nicht über unsere Zukunft. Es mag gut sein, dass wir durch das Wissen anderer Personen gelehrter werden, aber Weiser wird man nur durch seine eigene Weiterentwicklung. Wir sollten uns am jetzigen Zustand erfreuen, ohne uns mit anderen durchgehend zu vergleichen.
Jeder Spieler kennt irgendeinen Spieler, der seinen Lebensunterhalt angeblich mit dem Spielen bestreitet. Sein Arbeitsplatz wäre der Spielautomat und irgendwie hat fast jeder Spieler schon mal von diesem einen legendären Spieler gehört; Richtig?
Diese Art von Spieler, den jeder Spieler irgendwie vom „hören und sagen“ zu kennen scheint, war ich. Sie lesen richtig, ich war einer dieser besagten Spieler, denen genau diese Illusion nachgesagt wurde. Wie diese Illusion zustande kam, ist im Grunde einfach erklärt – ich habe es zugelassen. Ich wollte diese Lüge leben, weil ich nur dadurch zu einem Spieler mutierte, den man beneidete, anstatt ihn zu bemitleiden. Spieler stehen auf Respekt, Anerkennung und zum Teil auch auf Aufmerksamkeit – je nachdem. Wird der Spieler als Spieler entlarvt, kann er seiner Meinung nach nichts mehr davon anstreben. Hätte ich die Wahrheit gesagt, wäre ich nicht zu einem Spieler geworden, den man für das Spielen feierte, man hätte mich bemitleidet, weil ich eine Krankheit besitze, die ich einst nicht als solche wahrhaben wollte. Ich lebte in dem Glauben, ich sei etwas Besonderes, weil ich spielte. Es mag merkwürdig klingen, aber ich denke, dass ich damals das Gefühl besitzen wollte, dass ich etwas ganz Besonderes konnte, wofür man mich beneiden müsste. Wie jeder Spieler, hatte ich mir eine eigene bzw. persönliche Spielweise angeeignet, um den Automaten per „Risiko-Taste“ hochzudrücken und zum Höhepunkt meiner „Spielkarriere“, klappte dies sogar täglich. Ich räumte jeden Tag einen Automaten aus, der Trick bestand im Grunde in der Illusion selbst, ich verspielte so viel Geld, bis der Automat automatisch wieder einen Teil der Einnahmen ausbezahlte. Dadurch erwirkte ich den Anschein, ich könnte nicht verlieren. Da Spieler niemals auf die Ausgaben achten, sondern immer nur auf den Gewinn fixiert sind, erkannte ich als Spieler nicht mehr, wie ich mich immer weiter in der Suchtspirale abwärts bewegte. Die Sucht hatte mich vollständig infiziert.
Geprägt und gefesselt von der Sucht, bewegte ich mich immer weiter in die Sucht hinein. Anstatt das zu beenden, was mich auf längere Sicht definitiv töten würde. Ich hielt daran fest, das Richtige zu tun. Ich lebte in dem Glauben, ich wüsste, was ich tat. Das genaue Gegenteil war der Fall, doch ich erkannte es nicht, weil mich die Sucht bzw. meine suchtgesteuerten Gedanken daran hinderten.
Ich dachte über Jahre hinweg, dass sich alles irgendwie wieder automatisch beruhigen würde, womöglich einen Jackpot gewinnen könnte, der mein Leid lindern würde, doch dieses Leid entstand durch das Spielen – wie könnte ich das Leid durch das Spielen lindern?
Die Entscheidung, für immer dem Spielen zu entsagen, war für mich kein Gedanke oder eine kurzzeitige Einsicht, es mutierte zu meinem Lebensinhalt. Ich habe durch meinen Spielzwang erkannt, dass es völlig egal ist, was andere behaupten oder was Spieler als „gut“ oder „schlecht“ betiteln, denn diese gehen ihren und ich gehe den meinen Weg. Heute weiß ich, dass ich den richtigen Weg einschlug, ich kehrte der Sucht den Rücken und alles, was sich dadurch ebenfalls verabschiedete, war Ballast, den ich grundlos jahrelang mit mir herumschleppte. Die Spielsucht war nicht mein Schicksal, die Spielsucht war eine falsche Entscheidung. Mein Schicksal wurde es, dass ich der Glücksspielindustrie mit Wissen und Entschlossenheit entgegentrete. Man kann im Leben alles werden, alles erreichen und wirklich alles umsetzen, aber dafür müssen wir verstehen, dass eine Entscheidung erst dann unser Schicksal bestimmen kann, wenn wir das Gesagte in die Tat umsetzen. Ich stand mir jahrelang selbst im Weg, ich bestrafte mich regelrecht am Automaten, ich war der Versager in diesem Spiel, doch anstatt dies zu begreifen, ließ ich mich dafür feiern, dass ich mein Leben vergeudete und letzten Endes alles verspielen wollte.
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