Moralisches Risiko
Realtalk
Neustart
Spiegelbild
„Sucht“ funktioniert
Der Trojaner
Der Fragebogen
Verblendung
Designer Sucht
Schatten des Seins
„... ohne Rosen heim“
Spieltrieb
Antispieler
„777“
Allgemeine Fragen
„Irgendwann“ ist niemals
Zwang
Zwischen den Zeilen
Sin City
Vielleicht
„Normal“
Vicious circle
Zeitlos
Suizid
Defend
Das Urteil
Entschlossenheit
Der große Traum
Instinkt
Gute Nacht
Erwartet uns
Anti
Zu allererst möchte ich Sie bitten, sich entspannt hinzusetzen – keine Angst, ich werde Sie nicht hypnotisieren.
Um Ihnen etwas beweisen zu können, müssen Sie nun bitte folgende Dinge tun; zuerst sollten Sie das Buch bzw. E-Book vor sich hinlegen oder es in die linke Hand nehmen. Bis hierhin müssten Sie mir problemlos folgen können – zumindest dann, wenn Sie den Absatz bis hierhin gelesen haben, nun starten wir:
Bewegen Sie Ihr rechtes Bein im Kreis (im Uhrzeigersinn, also nach rechts) – immer weiterdrehen, immer weiter. Also, während sich nun Ihr rechter Fuß bzw. Ihr Bein im Uhrzeigersinn dreht, zeichnen Sie bitte mit der rechten Hand eine „6“ in die Luft – na, in welche Richtung dreht sich plötzlich Ihr Bein? Keine Magie, keine Tricks (Linkshänder können es auch mit dem linken Bein & dem linken Arm versuchen). Wir können dadurch eines deutlich in Erfahrung bringen: Ihr Gehirn reagiert auf Ihren Körper und im Umkehrschluss reagiert Ihr Körper zugleich auf Ihren Verstand. Der Körper reagiert zumal mit einer Eigendynamik, die anfangs nicht bewusst gesteuert werden kann. Das kommt übrigens auch bei starken Gefühlen, wie zum Beispiel bei Wut oder Freude vor. Es gibt hunderte ähnliche- oder vergleichbare Methoden, die uns verdeutlichen, wo die anfänglichen Grenzen unseres Verstandes gesetzt sind. Unser Gehirn sucht sich den einfachsten Weg, ähnlich wie Wasser nehmen unsere Gedankengänge verschiedene Formen an, um sich den Gegebenheiten erleichtert anpassen zu können. Es lernt Mechanismen zu erkennen und dadurch schlussfolgert unser Gehirn. Dennoch ist es möglich, den Fuß bzw. das Bein im Kreis zu bewegen und eine 6 in die Luft zu zeichnen, nämlich durch Training, einzig allein durch wiederholendes und zielstrebiges Training, erlernt unser Gehirn instinktiv das Richtige bzw. das Erlernte auf Befehl abzurufen und umzusetzen. Ähnlich ist es mit der Spielsucht: dem Spielen endgültig zu entsagen, klingt anfangs äußerst einfach. Doch ein gefühltes „ich möchte spielen“ zu unterdrücken und gleichzeitig mit einem „ich spiele nicht“ zu handeln, lässt im Gehirn extremen Stress entstehen und da sich unser Gehirn dem Belohnungssystem untergeordnet hat, erkennt es keinen Mechanismus, der das Spielen automatisch verhindern würde. Das bedeutet, unser Gehirn wählt von Anfang an den einfachsten Weg und signalisiert „spiel endlich, spiel doch, nur noch einmal, komm schon“, nur um dem Stress entfliehen zu können, indem es alte Mechanismen abruft.
Diesen fehlgeleiteten Mechanismus müssen wir durch Training in eine andere Bahn lenken. Das ist alles, mehr geschieht nicht und mehr muss nicht vollbracht werden.
Durch das Spielen am Automaten, möchte man um jeden Preis etwas verlieren, manch einer seine Sehnsucht, andere wiederum ihre Tobsucht. Doch eines bleibt oftmals unversucht – der Ausstieg. Die waghalsige Suche endet letzten Endes in einer selbstzerstörerischen Suchtspirale.
Es ging oder geht selten um den finanziellen Aspekt, denn die Habsucht lockt uns nur anfangs an den Spielautomaten. Bis man bemerkt, was mit uns – aufgrund des Spielens – tatsächlich geschieht, dann rückt der finanzielle Aspekt immer weiter in den Hintergrund und die anfängliche Habgier, schweift in vollständige Leere ab. Kurz darauf folgt die Spielsucht und ab diesen Zeitpunkt, rückt plötzlich alles in den Hintergrund, bis auf das Spielen, weil das zu unserem Bezugspunkt in unserer eigens erschaffenen Realität wird. Während alles in den Hintergrund rückt, nähern wir uns zielstrebig dem Abgrund. Bevor ich seelisch zerstört, suizidgefährdet und auf ganzer Linie am Leben scheiterte, war ich ein verdammt guter Spieler – im Ernst, ich war so gut, dass ich täglich einen Automaten ausräumte. Ich war so gut, dass man mir jede Lüge geglaubt hätte. Ich lebte diese Lüge und obendrein liebte ich es, die Lüge glaubhaft präsentieren zu können. Am Automaten gab es nur mich, alles um mich herum wirkte wie ausgelöscht. Es zählte nur noch ich und der jeweilige Automat; keine Sorgen, keine Last, nur Schall und Rauch. In diesen paar Minuten, wo man einen Automaten endlich dort hat, wo man ihn die ganze Zeit haben wollte – nämlich ganz Oben – fühlte ich mich frei. Niemand sucht nach „Sucht“, aber jeder begegnet ihr auf dem Weg der Selbstzerstörung. Man hätte mir früher vieles erzählen können und womöglich hätte ich auch vieles davon geglaubt, doch die Tatsache, dass ich eines Tages von einer Maschine vollständig abhängig sein würde, hätte ich belächelt und niemals für bare Münze genommen – niemals.
Das wirklich Merkwürdige ist, dass man als pathologischer Spieler die Sucht längst erkannt hat, man vermutet sie, lange bevor sie von anderen wahrgenommen werden kann, dennoch beginnt man damit, sich mit anderen Spielern zu vergleichen. Man vergleicht Sucht mit Sucht und wenn man nur einen einzigen Spieler findet, der noch unvernünftiger, noch extremer und noch weitaus mehr Geld verspielt, als man selbst, ja dann ist der Andere natürlich süchtig, nicht aber man selbst – immerhin verspielen andere weitaus mehr Geld.
Sie können Äpfel mit Birnen vergleichen und natürlich hunderte Unterschiede finden, doch feststeht, dass beides Obst darstellt. Sucht variiert und jeder pathologische Spieler stellt somit ein Individuum dar. Nichts desto trotz sollten Sie sich nicht an irreführende Unterschiede klammern, sondern die Gemeinsamkeiten richtig deuten. Denn eines steht unbestreitbar fest, die Spielsucht kratzt enorm an unserer Psyche. Sie können sich natürlich einreden, dass Sie durch die Spielsucht nicht zerstört werden oder dass Sie als Spieler am Automaten durchgehend glücklich sind, doch ich weiß, dass Sie es nicht sind und nie waren, denn die Selbstzerstörung hat längst begonnen. Alles was Sie tun, wirklich alles, stellt eine Suchtverharmlosung dar, Sie nähern sich dem vollständigen Realitätsverlust. Akzeptieren Sie die Tatsache, dass Sie derzeit von einer Krankheit bestimmt werden. Akzeptieren Sie, dass Sie derzeit Zuschauer Ihres eigenen Lebens sind. Wir alle besitzen eine Vergangenheit, doch wir leben nicht in ihr. Nur die Narben, die wir Spieler aufgrund unserer Taten tragen, erinnern uns daran, dass die Vergangenheit tatsächlich stattgefunden hat. Unsere Vergangenheit bestimmt nicht über unseren jetzigen Zustand, wir sind es, die darüber bestimmen.
Wenn man sich als Spieler outet, ist es nicht wichtig, was andere darüber sagen. Wichtig ist nur, was Sie gesagt haben. Ich erschuf durch eine simple Idee und dem Drang nach Erfolg, eine einzigartige Spielsucht-Ratgeber-Reihe, Bücher, die in Deutschland, Österreich und der Schweiz großen Zuspruch erhielten. Es folgte im Jahr 2016 der internationale Durchbruch. Denn es war nie von Bedeutung, „wie“ etwas gesagt wird, sondern dass es gesagt wird. Meine Entschlossenheit, mein Wille etwas zu verändern und der Drang für Gerechtigkeit einzustehen, änderte die Gegebenheiten. Plötzlich erscheint selbst ein Buch, als etwas so Heilbringendes – und zwar ganz ohne Wunder.
Es ist nicht wichtig, welche Suchthilfe gut oder schlecht zu sein scheint, das Ziel muss erreicht werden, nur das zählt. Wir müssen lernen, unseren Geist für das Unscheinbare zu öffnen, denn nur so können Sie die Dinge wahrnehmen, die einst als Selbstverständlich galten. Sieht man sich die jetzigen Suchttherapien an, sind selbstverständlich hilfreiche Dinge vorhanden, aber der Weg, um dorthin zu gelangen, nimmt zu viel Zeit in Anspruch. Es sind zu viele irrelevante Standard-Klauseln vorhanden, zu viele, um von einer schnellen Hilfe sprechen zu können. Denn der größte Fehler, den man als Spieler begehen kann, ist, wenn man während einer Therapie vergisst, warum man den Ausstieg wählte. Eine Therapie bzw. die Gesundungsphase, sollte durch einen klaren Fluss entstehen, wie ein roter Faden muss es den Spieler direkt vom Automaten abholen und zugleich aus der Sucht führen. Die Kunst meines Buches besteht darin, das Unwesentliche wegzulassen. Es hat keine starre Verhaltensanalyse, damit es jede beliebige Form der Gesundung annehmen kann. Viele unflexible und starre Therapien verfestigen Dinge, die einst fließend vonstattengingen. Es wird viel Zeit damit vergeudet, den Spieler mit einer irreführenden Fragestellung vom Automaten wegzubringen. Verwirrung hat uns dem Automaten nähergebracht, wie könnte Verwirrung nun Besserung vorantreiben?
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