„Sie haben dort sicherlich auch Kontakt mit dem Wasser gehabt, eventuell sogar mit einer Hautverletzung oder Sie haben vielleicht auch Fische gegessen die Sie gefangen haben?“ stellt er weiter fragend fest.
„Ja, natürlich! Beides.“ antworte ich wahrheitsgemäß.
„Auf diese Weise könnten sich unter Umständen auch Parasiten in Ihrem Körper eingenistet haben, welche es in Mexikos Flüssen zu Tausenden gibt und sich normalerweise kaum bemerkbar machen.
Erst wenn der eigene Körper sie aufgespürt hat reagiert er mit einer erhöhten Produktion von sogenannten eosinophilen Granulozyten, welche auch eine Art von Leukozyten sind. Aber das werden wir jetzt genauestens in unserem eigenen Labor feststellen.
Die Ungarn haben natürlich nur eine einfache Blutuntersuchung gemacht, weil sie lediglich die Blutgruppe für eine Transfusion bestimmen wollten und haben dabei Ihre Leukozytose nur am Rande entdeckt.“ führt er beruhigend aus, aber seine Besorgnis weicht dennoch nicht von seinem Gesicht.
„Womit hätte Matt denn die besseren Chancen?“ fragt Saundra weinend.
„Mit einer echten Leukämie oder mit den Parasiten?“ presst sie kaum verständlich hervor.
„Mit keiner von beiden Miss Dunaway. So ehrlich muss ich sein.“ flüstert Dr. Spector kaum hörbar, streicht Saundra mit der rechten Hand über das Haar und drückt gleichzeitig mit der Linken meine Hand, wobei er tief Luft holend nach oben blickt.
„Vielleicht könnten Sie schon einmal eine Liste machen mit Verwandten von Mr. Bolder, die notfalls für eine Stammzelltransplantation in Frage kommen könnten.
Eltern, Geschwister, Onkeln, Tanten, Cousins, entfernte Verwandte … rufen Sie am besten seine Mutter dazu an.
Gleichzeitig können wir uns auch an die ‚Bone Marrow Donors Worldwide‘ wenden, die fast auf der ganzen Welt mit möglichen Spendern vernetzt ist.
Aber jetzt sollten wir zuerst genau feststellen, woher die erhöhten Leukozyten kommen.
So und nun sollten wir so langsam los! Ich habe das MRT extra für Sie heute Vormittag reservieren lassen und vielleicht wissen wir morgen dann schon mehr. Ich warte vor der Tür auf Sie.“ sagt er bedrückt.
Leise steht er auf und geht vor die Tür, welche er ebenso lautlos hinter sich schließt.
„Neeiin!“ ruft Saundra aus und schlägt nun auf dem Boden hockend beide Hände vor ihr schönes Gesicht und schüttelt dabei unablässig den Kopf.
„Nein! Ich will das nicht! Nein, das kann doch nicht sein. Ich will, dass du gesund bist und bei mir bleibst. Ich will das nicht! Bitte nicht!“ ruft sie aus und bricht schluchzend zusammen.
Schnell springe ich aus dem Bett und knie mich neben sie auf den Boden, schlinge sacht meine Arme um sie herum und spreche beruhigend auf sie ein obwohl mich die Nachricht von Dr. Spector genauso geschockt hat wie Saundra und ich reagiere nur noch reflexartig.
„Nicht doch Saundra! Nicht weinen! Bitte!“ flüstere ich in ihr Ohr.
„Vielleicht ist es ja doch ganz harmlos. Wir sollten einfach die Tests abwarten und auf das was dabei herauskommt. Mach‘ dich jetzt nicht verrückt, Darling!“
Nachdenkend mache ich eine kurze Pause und wiege ihren bebenden Körper in meinen Armen, bis mir eine Idee kommt.
„Wie wäre es, wenn du eine Runde mit Dr. Perez sprichst bis ich wieder da bin. Vielleicht hilft dir das ja schon etwas hmm. Was meinst du?“ raune ich sanft und Saundra sieht mich mit verweinten Augen an, wobei sie apathisch nickt und sich langsam beruhigt obwohl ihr Körper vor Anspannung und Angst immer noch zittert.
„Okay, dann ziehe ich mir jetzt etwas über und gebe Dr. Spector Bescheid, dass er Dr. Perez zu dir schicken soll. Komm schon…“ spreche ich leise weiter und ziehe sie dabei sanft vom Boden in die Höhe und drücke sie daraufhin vorsichtig an den Schultern auf das Bett.
„Leg‘ dich noch etwas hin bis Dr. Perez eintrifft, das tut dir vielleicht gut.“ schlage ich vor, gebe ihr zärtlich einen Kuss auf den Mund und streichle ihre Wangen.
Zweifelnd sehe ich ihr dabei tief in die grünen Augen, wobei ich versuche ein Lächeln aufzusetzen so gut es in diesem unheilvollen Moment eben geht.
„Ich bin bestimmt bald wieder da Darling und es wird sicher alles gut werden, du wirst sehen.
Ich liebe dich! Vergiss‘ das nicht, aber ich muss jetzt los … Dr. Spector noch länger warten zu lassen, wäre unhöflich.“
Zart küsse ich sie noch einmal auf den Mund, ziehe aus meinem Koffer ein frisches T-Shirt und eine Jeans, denn so etwas wie eine Jogginghose habe ist gar nicht dabei.
Notdürftig ziehe ich mich an und muss Saundra zu meinem tiefsten Bedauern fast lethargisch allein zurück lassen, bevor ich mich nach draußen begebe und ich mache mir gleichzeitig die allergrößten Sorgen um sie.
Denn ich weiß nicht wie sie das alles nach ihrem Geständnis der eigenen Vergewaltigung und dem Outing ihres Vaters verkraften wird.
Unsicher trete ich auf den Gang als ich auch schon unvermittelt vor Dr. Perez stehe, der mit einem kurzem „Mr. Bolder!“ gleichzeitig unser Zimmer betritt.
Fragend schaue ich zu Dr. Spector, der an der gegenüber liegenden Wand lehnt und die Arme wartend verschränkt hält.
„Tut mir leid, Mr. Bolder. Aber ich habe heute Morgen bereits mit Lázló Dunaway gesprochen, der mir so einiges gesteckt hat und ich hielt es daher für unerlässlich nach Dr. Perez zu rufen.“ klärt er mich schuldbewusst auf, zieht die Augenbrauen in die Höhe und versucht ein Lächeln zustande zu bringen, was ihm aber gründlich misslingt.
„Ich wollte Sie gerade darum bitten, Dr. Perez zu holen, denn ich weiß wirklich nicht, wie Saundra das alles verkraften soll. Es ist so viel passiert in den letzten Tagen…“
„Ich weiß!“ unterbricht er mich freundlich.
„Mr. Dunaway hat mir ausführlich davon berichtet und mir die Erlaubnis gegeben das alles an Dr. Perez weiter zu geben, was auch unbedingt notwendig ist, wenn er Miss Dunaway nur annähernd helfen will.“ sagt er selbstbewusst und fährt fort, während wir nebeneinander den Krankenhausgang hinuntergehen.
„Ich soll Ihnen übrigens viele Grüße von Mr. Dunaway ausrichten und dass Mr. Coleman inzwischen außer Lebensgefahr ist. Die Ungarn konnten scheinbar doch noch eine geeignete Blutspende auftreiben, die ihm letztendlich das Leben gerettet hat.“
„Wie? Noch eine Blutspende?“ frage ich verwirrt.
„Chitam hatte ihm doch Blut gespendet und er war zu dem Zeitpunkt der einzige Geeignete. Sind wir am Ende doch zu früh abgereist? Aber Lázló wollte das doch so?“
„Nein, nein!“ Dr. Spector schüttelt mit dem Kopf.
„Ihre Abreise war völlig in Ordnung! Die Wunde von Mr. Coleman ist erst Stunden später wieder aufgebrochen, warum auch immer und dadurch wurde eine neuerliche Blutspende notwendig.“
Ach, daher die Aussage von Lázló in seiner SMS, dass Tristan zwar die Nacht überstanden hat aber immer noch nicht außer Lebensgefahr wäre und er allein fast verrückt wird.
„Und wie steht es jetzt um ihn?“ frage ich nur halb neugierig als wir um die nächste Ecke biegen.
„Mr. Coleman wird es schaffen, aber es dauert eben seine Zeit bis er transportfähig ist und Mr. Dunaway ihn in die USA zurück bringen kann, so wie er es vorhat.“
„Zum Glück ist wenigstens das eine erfreuliche Naeichricht.“ flüstere ich mehr zu mir selbst und lasse den Kopf hängen.
„Nicht doch Mr. Bolder.“ versucht Dr. Spector mich zu trösten und legt seine Hand auf meine Schulter.
„Sie dürfen jetzt nicht schon von vornherein die Flinte ins Korn werfen. Wir sehen jetzt erst einmal genau nach was Ihnen fehlt und Sie versprechen mir bitte, dass Sie nicht schon im Vorfeld die Hoffnung aufgeben.“
Er bleibt stehen und sieht mir mit einem Nicken ins Gesicht und ich erwidere diese Geste ebenfalls mit einem Nicken.
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