Nach dem Aussteigen wuchtet der Taxifahrer schnaufend unsere Koffer aus dem Kofferraum und lässt uns zunächst ziemlich verloren vor dem Eingang des Albert Einstein Medical Centers einfach stehen.
„Ich gehe erst einmal hinein und checke die Lage!“ sagt Saundra stirnrunzelnd und sieht mir besorgt in die Augen.
„Du bleibst am besten erst einmal bei den Koffern, aber schlafe bitte nicht darauf ein.“ lächelt sie nun zögernd als ich mich auf einem von ihnen sitzend niederlasse und meinen Kopf in die linke Hand fallen lasse.
Doch kaum hat sie sich umgedreht kommt auch schon Dr. Spector in Zivilkleidung aus dem Haupteingang direkt auf sie zu.
„Nanu? Miss Dunaway? Ich dachte sie wären in Europa? Was machen Sie denn mitten in der Nacht mit drei Koffern hier vor dem Medical Center?
Ist irgendetwas nicht in Ordnung mit Ihnen?“ stellt er ziemlich viele Fragen auf einmal.
„Nein, nein! Dr. Spector! Mit mir ist alles bestens!“ antwortet sie leise und schluckt ziemlich hart, was ein Zeichen dafür ist, dass sie verzweifelt die Tränen unterdrückt welche nun in ihre Augen drängen, wie ich in dem matten Licht der Laternen schwach schimmernd erkennen kann.
„Wir kommen gerade aus Sárvár … äh, Ungarn meine ich, aber…“ sie stockt abermals und schluckt erneut Tränen hinunter, die sie jetzt kaum mehr aufhalten kann und berichtet weinerlich weiter.
„… diesmal geht es um Matt!“
„Um Himmels Willen, Miss Dunaway! Was ist denn passiert? Aber Matt ist doch hier!“ stellt er verständnislos fest und deutet mich dem Kopf auf mich, während er seinen Arm um ihre Schultern schlingt und sie tröstend an sich zieht.
„Sie verstehen nicht!“ sagt sie, reißt ihre Augen weit auf und sieht zunächst seufzend nach oben in den rabenschwarzen Himmel.
In dieser unheilvollen Nacht herrscht gerade aufsteigender Neumond und es ist stockdunkel, nur die Straßenlaternen spenden ihr schwaches Licht in dem man sich gegenseitig gerade so erkennen kann.
Saundra schließt kurz darauf wieder ihre Augen, woraufhin zwei dicke Tränen ihre Wangen hinunterkullern.
Sie bettet ihren Kopf an die Schulter von Dr. Spector, schlägt die Hände vor das Gesicht und beginnt hemmungslos zu schluchzen.
„In Ungarn hat man bei einem Bluttest festgestellt, dass Matt vielleicht Leukämie haben könnte und ich habe solche Angst Dr. Spector! Ich will … ich darf ihn nicht verlieren, ich brauche ihn doch, weil ich ihn so sehr liebe!“
Saundra weint nun bitterlich an der Schulter des Arztes und ich erhebe mich träge um ihr von hinten ebenfalls meinen Arm um die Schultern zu legen.
Erst jetzt wird mir bewusst wie stark sie die ganze Zeit mir gegenüber war, während des Rückfluges und der Fahrt zur Klinik und wie viel Angst sie tatsächlich um mich hat.
„Nicht doch Baby! So schlimm wird es schon nicht sein.“ raune ich ihr beschwichtigend ins Ohr und drücke zärtlich meine Wange an die ihre.
So bleiben wir etwa eine halbe Minute stehen bis Dr. Spector sich von uns beiden langsam löst und Saundras Kinn in eine Hand nimmt.
Er zwingt sie damit ihn anzusehen und schlägt leise aber bestimmt vor „Okay! Ich hätte jetzt zwar eigentlich Feierabend vom Notdienst, aber um sie beide kümmere ich mich gerne noch persönlich.
Ich besorge Ihnen jetzt noch ein Privatzimmer, lasse ihre Koffer hinein bringen und dann schlafen Sie erst einmal den langen Flug von Europa bis hierher aus und morgen früh sehen wir weiter.“
Er dreht sich langsam um, gibt uns einen Wink mit dem Kopf und strebt schnellen Schrittes dem Haupteingang entgegen, woraufhin wir ihm zunächst unsicher folgen.
Doch seine Anweisungen an der Rezeption zeigen sofort Wirkung und zwei Pfleger laufen nach draußen um unsere Koffer herein zu tragen.
Dr. Spector geleitet uns schnellen Schrittes zu einem Aufzug der uns in den gut bekannten siebten Stock bringt.
„Kommen Sie!“ sagt er freundlich und eilt einen langen Gang entlang.
Er öffnet die Tür zu einem exklusiven Krankenzimmer mit zwei Räumen, Klimaanlage, Fernseher, Internetanschluss, einem geräumigen Bad und zwei Betten die nebeneinander stehen.
„So!“ sagt er verhalten scherzend.
„Ihr exklusives Hotelzimmer!“
Damit wird er jedoch wieder sehr ernst.
„Jetzt schlafen sie sich beide erst einmal richtig aus und morgen früh sprechen wir dann über das, was die Ärzte in Ungarn festgestellt haben wollen.“
„Aber Dad wollte, dass sich Matt sofort in ärztliche Behandlung begibt, sobald wir in den USA sind.“ wirft Saundra aufgeregt ein.
„Miss Dunaway!“ beschwichtigt sie Dr. Spector.
„Erstens ist es jetzt mitten in der Nacht und Zweitens arbeitet kein Labor mehr so spät für ausführliche Bluttests wenn es kein absoluter Notfall ist.
Bitte beruhigen Sie sich! Falls es wirklich so sein sollte wie Sie sagen, dann kommt es auf ein paar Stunden nicht an und Sie sollten sich und Ihrem Körper die nötige Ruhe gönnen, indem Sie ein wenig schlafen. Sie sehen beide ziemlich übernächtigt aus.“
„Aber Dr. Spector…“ unterbricht sie ihn erneut, doch er legt ihr seinen Zeigefinger auf die Lippen und sieht ihr beschwörend in die Augen.
„Glauben Sie mir Miss Dunaway! Ihr Lebensgefährte wird heute Nacht bestimmt nicht sterben. Ich bin morgen früh um zehn Uhr a.m. wieder da und dann bereden wir alles, beziehungsweise machen wir alle Tests die notwendig sind und dann kann ich auch den Bericht aus Ungarn anfordern, sofern er notwendig sein sollte.
Schlafen Sie jetzt ein paar Stunden, denn ich glaube dass Sie das beide im Augenblick sehr nötig haben.“ endet er mit einem kurzem sorgenvollen Seitenblick auf mich, verabschiedet sich freundlich und lässt uns allein zurück.
Mit dem Fuß schiebe ich die Koffer in eine Ecke des Krankenzimmers, hänge meinen Mantel über einen Stuhl und lasse mich erschöpft auf eines der beiden Betten fallen.
Müde lege ich meinen rechten Unterarm über beide Augen und flüstere ermattet.
„Das hätten wir auch zu Hause haben können und da wäre es bestimmt schöner gewesen.“
„Ach Matt!“ flüstert Saundra zurück und setzt sich neben mich auf die Bettkante.
„Tut mir leid Darling! Aber ich dachte, wir wären hier besser aufgehoben, weil Dad meinte du solltest dich sofort in eine Klinik begeben.“
Sie beugt sich zu mir herunter und schiebt meinen Arm von den Augen, wobei sie ihr Gesicht ganz nah an das meine hält und mich zärtlich auf den Mund küsst.
„Ich habe einfach nur ganz furchtbare Angst um dich und würde alles tun… nur um dich nicht wieder zu verlieren.“
Vorsichtig umrahmt sie mein Gesicht mit ihren Händen und streichelt meine Wangen leicht mit den Daumen.
Auf ihrer Stirn erscheinen zwei steile Falten zwischen den Augenbrauen und ihre Augen füllen sich erneut mit heißen Tränen.
„Bitte Darling! Das darf doch alles nicht wahr sein!“ raunt sie kopfschüttelnd.
„Ich will das nicht! Ich will mit dir für den Rest meines Lebens glücklich sein, mehr nicht! Ist das etwa vom Leben zu viel verlangt, nach all‘ der Scheiße, die ich schon durchgemacht habe?“
Betrübt lässt sie ihren Kopf auf meine Schulter sinken und beginnt leise zu weinen, während sie ihre Hände um meinen Nacken legt.
Langsam und vorsichtig umschlinge ich sie zunächst mit meinen Armen, küsse sie auf die duftenden Haare und zwinge sie mich wieder anzusehen, indem ich ebenfalls ihr Gesicht in beide Hände nehme und ihren Kopf etwas nach oben schiebe.
„Bitte Darling! Du darfst jetzt nicht weinen! Wer weiß… vielleicht stellt sich alles als falscher Alarm heraus oder als irgendetwas anderes.
Wir sollten wirklich erst abwarten, was Dr. Spector herausfindet und nicht auf die Blutwerte aus Ungarn vertrauen.
Warten wir doch einfach ab, vielleicht ist alles ganz harmlos und es war am Ende doch nur der Jetlag!“ versuche ich Saundra zu beruhigen, doch ihre Tränen fließen unablässig weiter.
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