OK, Papa. Dann saisonal.
Was meinst du denn nun schon wieder? Woher kennst du das Wort?
Von Mettes Eltern, die kochen immer, was gerade wächst. Dann ist das frisch und bekömmlich.
Aha. Und was ist gerade frisch?
Letzte Woche haben wir bei Mette panierten Kohlrabi gegessen. Mit Stampfkartoffeln, Apfel-Zwiebel-Gemüse und über die Stampfkartoffeln Hackbrösel.
Hmmm, das hört sich gut an. Soll ich das mal probieren?
Au ja, Papa. Ich helfe dir.
***
Nachdem sie gegen 14:00 Uhr den Van geparkt hatten, stellten sie sich an die lange Menschenschlange vor der Kasse an. Mehrere Lehrer mit geschätzten 90 Schülern aus NRW freuten sich genauso auf den Besuch des Aquariums wie Amelie. Aber dann ging doch alles schneller als gedacht.
Zuerst wollte Amelie zu der Sonderausstellung „Quallenzauber“, denn Mette und ihr Bruder Lasse hatten am letzten Schultag davon berichtet. Sie fanden es geil.
Boah, Papa, sind die schön.
Ja, und so viele verschiedene Quallen. Guck mal, Amelie. Diese Farben.
Und wie sie sich bewegen. So elegant. Wie Feen, die durch den Himmel schweben. Zu Mama.
Mama fände das auch toll hier, Amelie. Mach doch ein paar Fotos für sie. Die zeigen wir ihr dann.
AU JA, Papa.
Guck mal, was da steht. Quallen haben gar kein Gehirn. Auch keine Nerven und kein Blut.
Kein Gehirn? Wie können sie dann leben?
Sie können Licht und Geruch anderer Tiere durch spezielle Sinnesorgane wahrnehmen.
Steht da, 97% Wasser? Bestehen sie fast nur aus Wasser?
Ja, das steht da. Wir Menschen bestehen auch zu rund 70% aus Wasser.
Deswegen gluckst mein Bauch so oft.
Nee, das hat wohl andere Gründe, Amelie. Hier, komm mal. Hier steht, dass es Quallen schon vor den Dinos gab.
Irre, Papa.
***
Die Zeit verging wie im Flug. Die Seepferdchen fand Amelie so süß, dass sie unbedingt noch ein Stoff-Seepferdchen als Souvenir mitnehmen wollte. Als Freund für Mukkel. Und, um es Mama zu zeigen.
Hin und weg war Amelie auch von Speedy, der grünen Meeresschildkröte. Sie segelte so ruhig und gelassen durch das Wasser wie ein Segel-Flugzeug am Himmel.
Als Speedy gefüttert wurde, staunten alle, dass sie neben Äpfeln, Gurken und Salat auch Broccoli fraß. Und zwar gerne.
Im Interaktiven Berührungsbecken nahm Amelie etwas ängstlich eine Krabbe auf die Hand. Das fand sie ziemlich unangenehm, aber nicht so komisch, wie die Tentakel der Seeanemone.
Völlig überdreht kamen beide gegen 19:00 Uhr wieder zu Hause an.
Was machen wir morgen, Papa?
Gar nichts, Schatz. Morgen ruhen wir uns aus. Ist Mette noch zu Hause? Dann besuch sie doch mal und erzähl ihr und Lasse vom SEA LIFE. Und abends gehen wir zu Mama ans Grab und erzählen ihr alles.
OK. Aber Freitag?
Gut, Freitag. Ich würde gerne zum Neustädter Binnensee fahren. Da können wir wunderbar Tiere beobachten, am See entlang gehen und danach Pizza essen. Wie klingt das?
Priiima, Papa.
***
Es war ein warmer Freitag am 28. Juni, als Vater und Tochter im Van zum Neustädter Binnenwasser aufbrachen. Leif hatte mit Amelie eine Route herausgesucht, wo sie entlang des Naturschutzgebietes gehen durften. Amelie hatte ihren Akku frisch geladen, die Speicherkarte formatiert für viele neue Aufnahmen und war nun bereit zu einer Foto-Safari mitten in OstHolstein. Pflanzen, Tiere, Geräusche ... sie freute sich auf alles.
Papa, du hast ja dein Fernglas mit.
Ja, mein Schatz. Ich beobachte und du fotografierst.
Kannst du damit auch zoomen?
Das ist schon gezoomt. Es heißt ja FERNglas.
Ahhh. Du, Papa, ich möchte wohl mal drei Wochen lang nur Fischstäbchen mit Kartoffelstampfe essen.
Wünsch dir das nicht, Amelie. Es könnte in Erfüllung gehen.
Ja, suppi. Heißt das, ich darf? In den Ferien, Papa?
Amelie, drei Wochen! Das ist eine lange Zeit, und NUR Fischstäbchen!
Nein, zum Frühstück und abends normal. Nur Mittags.
Ja, auch nur mittags sind drei Wochen lang. Und ich möchte KEINE drei Wochen mit dir Fischstäbchen essen.
NEIN, Paps, nur ich. Du isst drei Wochen dein Lieblingsessen. Was ist das eigentlich?
Mama und ich aßen am liebsten Medaillons mit Rosarien-Kartoffeln und Gemüse.
Oh, Paps, das haben wir noch nie gegessen. Das müssen wir mal kochen.
Ich habe es nie mehr gegessen, weil es mich traurig macht. Aber nach sieben Jahren könnten wir es mal probieren.
Au ja, Papa.
Aber keine drei Wochen.
Wie habt ihr euch eigentlich kennen gelernt?
Mama und ich? In Travemünde, beim Bäcker.
WAS? Ist das komisch.
Ja, ich stand da so rum und fand für mich und meinen Cappuccino keinen Platz. Sie saß ganz alleine an ihrem Tisch. Und dann hat sie mich angelacht und mich zu sich gewinkt.
Cool. Und dann warst du verliebt.
Ja, Amelie. Sofort. Freya war so eine bezaubernde Frau. So schön. So lieb. Du ähnelst ihr. Das macht mich immer sehr froh.
Können wir nicht in den Ferien mal nach Travemünde fahren? Du zeigst mir den Bäcker und dann spielen wir die Szene nach.
Möchtest du das?
Ja, gerne, Papa. Der Bäcker wird dann mein Lieblings-Bäcker.
***
Der Rundgang um den Burgwald war mit einer Stunde eingeplant. Leif kontrollierte, ob er auch sein Fernglas für interessante Vögel mit dabei hatte, und dann ging es los.
Amelie juchzte und schrie vor Freude bei jedem neuen Motiv. „Papa, guck mal da!“, rief sie unentwegt. „Können wir nicht auch mal mit dem Rad am Bahndamm entlang? Lea und Ida machen das im Sommer oft mit ihren Eltern.“ „Aus deiner Klasse?“, fragte ihr Vater. „Ja, die Zwillinge mit den blonden Wuschelköpfen.“
Vögel beobachten, an Gräsern riechen und mit dem Finger in Erde bohren .... Das alles dauerte dann doch länger als vermutet. Gegen 12:00 Uhr mittags machten sich beide dann auf den Heimweg. Aber vorher gab es noch Pizza.
***
Ich hab da vorhin eine Pizzeria gesehen. Hättest du noch Lust auf Pizza, Amelie?
AU JA, Papa. Und ein Eis. Und eine Cola.
Gut, dann machen wir das. Ich hab nämlich auch einen Bären-Hunger.
Siehst du? Da drüben? Da ist sie, die Pizzeria. Wir gehen jetzt noch über den Zebrastreifen, dann rechts und wieder links, und schon sind wir da.
Dr. Leif Jorgensen zeigte mit dem Finger in die Richtung, während Amelie es kaum noch erwarten konnte. Sie lief über den Zebrastreifen, als plötzlich aus dem Nichts ein schneeweißer Geländewagen ungebremst auf Amelie zufuhr und sie mit einem klatschenden Geräusch zu Boden warf. Dahinter kam ein Polizeiwagen zum Stehen. Die Beamten sprangen aus dem Wagen und einer rief sofort den Krankenwagen.
Leif Jorgensen stand wie gelähmt am Zebrastreifen, an dem er vor Sekunden noch mit seiner Tochter gelacht und geredet hatte. Nun lag sie da, mitten auf dem Zebrastreifen, Arme und Beine verrenkt, während langsam Blut aus ihrem Kopf sickerte. Er rannte auf sie zu, nahm den blutverschmierten Kopf in seine Hände und redete beruhigend auf seine Tochter ein, wie er es als Arzt gelernt hatte.
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