Helmut Lauschke
Grenze und Wortdurchbruch
Reflexionen
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Inhaltsverzeichnis
Titel Helmut Lauschke Grenze und Wortdurchbruch Reflexionen Dieses ebook wurde erstellt bei
Der letzte Atemzug Der letzte Atemzug Grenze und Wortdurchbruch Reflexionen Es ist der Atemzug der Erinnerung einer großen Liebe, die du gabst in grenzenloser Weise. Ja, es war eine wunderbare Reise durch die Jahre, durch die Tage. Groß war der Augenblick ohne die letzte Frage nach dem Wohin und dem Warum. Das Leben geht in Zügen, im Zählen der Züge tust du dir schwer, besonders bei rasendem Herzen, wenn die Liebe dir weitere Schmerzen gibt, dass du die Orientierung verlierst und dir die Sicht und Sinne entgleiten und du verstört dastehst in den Zwischenzeiten. Was kommen wird, du hast es geahnt, es nimmt deine Kräfte und drückt dich zu Boden, als gäb es den Wald, den jungen, zu roden, der doch erst im Wachsen ist mit seinen Stämmen, den dünnen mit den zarten Rinden und den Wurzelästen, die zu greifen beginnen in einem Boden, der dir freundlich entgegenblickt. Es bleibt dabei, der letzte Atemzug, er ist für dich. Mein letzter Lidschlag wird dich mit dem Mantel der Freude und Sehnsucht umhängen. Übersieh, dass er abgetragen ist und die Flicken des Schmerzes und der Einsamkeit an den Ärmeln hat.
Die schweren langen Rohre Die schweren langen Rohre sind aus Stahl und haben dicke Wände, sie sind hochgedreht, nach oben gerichtet, als zielten sie auf den dunklen Punkt im Himmel, einen der vielen herumschwirrenden Punkte in der Grenzenlosigkeit der Freiheit. Die Geschosse fliegen, während es unter dem zeitlosen Feucht gammelt und schimmelt und sich von Tag zu Tag streckt und dehnt. Die Münder nach oben gähnen und nach unten kauen sie, solange es zu kauen gibt. Es kracht und donnert und schlägt frenetisch, dass die zerfurchte alte Hand mit dem bisschen Reis zittert und die dünne Haut vor Schreck reißt. Die Hand ist wie tausend andere Hände hochgestreckt, als kleben sie an Wänden. Die alte Hand umfasst den verwaschenen Stein, der das Gestern in die Zukunft trägt.
Wenn du und nur du allein Wenn du und nur du allein dich in mich vergräbst wie in einen Stein, weil außen abstirbt, was tief innen im Kern noch lebt, dann wird aus mir nichts anderes werden als der willenlose Rest, der übrig bleibt und bis zur letzten Stumpfheit abzugreifen ist. Was neu entstehen kann, das ist etwas ganz anderes, dessen Namen keiner kennt, und dessen Form aus dem Ungeformten keiner ahnt und keiner zeichnet. So ist’s, und so wird’s bleiben: Die Idee ist groß und mächtig, gegen sie kommen wir nicht an, doch weit werden wir auf ihr getragen. Es ist ein Flug, der auch nach uns kein Ende nimmt.
Zieh den Splitter Zieh den Splitter aus meinem Atem und halt ihn fest, binde die Fessel von deinem Atem los, dass wir etwas von der Freiheit in den Lungen atmen und schmecken. Es ist die Trauernde um den Schweigenden, den einst Tapferen und frohen Helfer, den Freund der Kinder und der Alten. Er wird uns fehlen auf den Feldern der Saaten und Ernten, auf den Plätzen und Straßen des einfachen Lebens. Seine Worte waren: Freuet euch der Natur, die als unser aller Mutter uns beschenkt. Sie tut es reichlich und auf wunderbarste Weise, weil sie uns als ihre Kinder durchs Leben führt, ihre schöne Hand uns entgegenstreckt und uns hebt und trägt und tröstet. Nun liegt die Sprache vollendet oder unvollendet im Gegangenen, als schlafe sie der Ewigkeit zu im Schweigenden mit dem guten Herz, der nun stumm die Vergangenheit in die Zukunft trägt und an eine Rückkehr zur Erde nicht mehr denkt. Vorstellbar ist, dass der Freund der Kinder und der Alten aus dem Raum der großen Freiheit herab beobachtet, um was sich die Menschen hier unten verständlich und unverständlich und oft gegensätzlich bemühen. Dem geöffneten Mund liegt das Wort auf der Zunge, es braucht die Atmung mit der Luft, die das Wort bewegt, um hörbar zu werden. Das staunt den Mund zur Sprachlosigkeit hin, wenn die Offenheit im Offenstand dazu in der Lage ist.
Wenn die Körbe Wenn die Körbe in den Schächten weiter rauf und runter fahren, ziehen die Seile das Gewicht der Schwermut mit hoch. Es braucht den kräftigen Fuß auf die Bremse, wenn ganz unten nicht alles durcheinanderknallen soll. Auf der Fahrt nach unten gehen die Gedanken nach oben, ob es in den Familien genug zu essen gibt. Während der Quietschfahrt nach oben verweilt im Winter die Erinnerung unten im Stollen mit der Frage, ob es zuhause genug Kohle zum Heizen gibt. Körbe gleiten rumpelnd aneinander vorbei, So tun es die Gedanken und Vermutungen, die sich blind kreuzen, aufeinander stoßen und treffen, dass es ein lebendiges Gespräch sein könnte, wenn es weniger Wände und mehr Licht gäbe. Ebrök, Bröke, o ferne Brücke des Verstehns von Worten, Sprache und Gedanken. Hört, stimmt an das Lied und lasst das Wanken, auf dem Wege krampfen die Waden des Versehns, bis es dämmert über dem Horizont und in den Köpfen.
Der Felgenring Der Felgenring ist angeschlagen, verbogen ist das Blech, verbeult drängt er sich der Zukunft auf. Wie alles, was sich drängt und drängelt. wenn es sich verrenkt, dann ist’s um das Sein geschehn. Hämmer schlagen, dengeln die Sensen, Späne warten auf die kehrenden Besen. Es gab Tage, die haben die Sauberkeit gesehn. Kein Wort, nicht eine Silbe kommt aus den aufgesperrten Augen. Kein Ort, nicht einer kommt entgegen In der Dämmerung nach schlafloser Nacht. Worte, Wortspiel, Wortspiegel, Wortgeraden, Wortkreisel und Wortsalat, Dinge kehren um ganz unverhofft, wenn unerwartet, so ist’s mit Ringen an den Fingern, Schlüsseln und von Felgen. Wer kennt sich mit Blechen, Beulen und mit Büchsen aus?
Sie rutschen auf den Knien Sie rutschen auf den Knien über raue und steinig aufgeworfen zerklüftete Böden. Nichts ist glatt geschweige denn weich, nichts soll gleiten ohne Wunden ohne Schmerz. Mager sind die Körper, heiser sind die Stimmen vom Hunger, den Schlägen und schwankenden Sinnen, wenn die Tage finster und grell hell die Nächte sind. Sie nennen die Namen entlang der Straße, der steinig und endlos langen, die barsch nach ihren Namen fragt. Wer dann noch ohne Namen auf den Knien rutscht, der hat sich verloren und verraten in der Vergesslichkeit. Das Leben auf den Knien ist bis auf halbe Längen kürzer als im schwingend oder schwindelnden Gang der Füße. Dann sind’s die Schläge gegen die Barmherzigkeit, die die Verkürzung am Körper und am Leben bringen. O Heil und gute Besserung, wenn es nicht anders geht als auf den Stümpfen, weil das Verlängernde abgeschlagen ist. Beine ohne Füße sind ein Gräuel, weil Prothesen etwas Totes sind, denen das verkürzte, kniekriechende Leben aufgesetzt beziehungsweise aufgeschnallt wird.
Dunkle Ringschatten Dunkle Ringschatten um die Augen mit dem Blick auf den zerkratzten Fingerring. Es ist der ungewohnte Morgenblick, der seit Monaten ein ungewohnt-gewohnter Blick geworden ist, weil der Morgen gestern sich vom Morgen vorgestern nur um einige klimatische Nuancen unterschied. Etwas ist verrutscht. Doch was es genau ist, ist schwer zu sagen und damit nicht zu beschreiben, was sich auf die äußeren Umstände beschränkt, weil sich die inneren Umstände nicht zu erkennen geben. Es sind die immer wieder umgebauten Stände, die die seitlichen Betrachtungen so schwierig machen, dass es zu keinen konkreten Ergebnissen kommt. Schatten, ja, weil es Licht gibt, das von den Ecken hereinbricht, das seine Fäden in den Tag und dann durch den Tag zieht. Es ist so fadenscheinig nicht, dass die Brennstrahlen den Boden hart und rissig und für eine Ernte unbrauchbar machen. Ringschatten rändern die Augen, denen die Trockenheit schmerzt, weil das Nahrungs- und Trinkwasserproblem das Ausmaß erreicht, die Völker und Kontinente das Fürchten mit dem Sturz in den Hungertod und die totale Austrocknung des Lebens lehren. Schwer wird das Tragen zwischen dir, dem Unendlichen, und mir mit dem zu kurzen Sein. Schwer wird das Klagen, wenn die weitergetragene Hoffnung schwindet, der Schmerz aufflammt und das Wort ‘Liebe’, o ihr hohen Mächte, bis auf die letzte Krume verbrennt.
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