Norbert drückte die Taste für den Feueralarm und Chin zündete schnell die Tischdecke an, damit es auch nach Feuer aussah. Alle wussten wo der versteckte Hinterausgang war, durch den fast alle den Raum verließen. Nur Norbert ließ es sich nicht nehmen, zum Vorderausgang hinaus zu spazieren.
Howard verabredete sich noch schnell mit Max und Fred, nach Mitternacht, in einem anderen Lokal. Es lag in einem Vorort der Stadt, sodass sie davon ausgehen konnten, dort ihre Ruhe zu haben.
Der Wirt wusste, dass er um die Konsumation nicht umfallen würde, denn er würde zu einem späteren Zeitpunkt fair entlohnt werden, und dies auch ganz ohne Rechnung.
Chin und Chou hatten ihren Lexus ohnehin hinter dem Gebäude geparkt. Die Bodyguards bekamen eine detaillierte Beschreibung der Person, welche die Versammlung gestört hatte. Dies würde umgehend in Arbeit genommen, da brauchte es keiner weiteren Worte.
So unauffällig wie die Runde zusammen gekommen war, zerstob sie auch in alle Richtungen und im Lokal war wieder gähnende Leere, nachdem das kleine Feuer gelöscht worden war.
Die Gruppe Kingsize wusste in solchen Fällen genau, was sie tun hatte und es ab auch schon einen alternativen Plan B in sechs Wochen in Milano. Bis dahin wäre auch geklärt, ob unter ihnen ein Maulwurf wäre, sodass man nicht ein zweites Mal in eine solche Falle lief.
Das Lokal im Vorort der Stadt war sehr schwach besucht, Howard, Max und Fred trafen sich gegen 0 Uhr 30 und nahmen in einem der Separees Platz. Howard orderte Getränke und zog dann, als die Mädels mit ihren Stripshows begannen, die Vorhänge zu.
Fred und Max berichteten Howard von dem, was sie üblicherweise taten, aber auch davon, was sie demnächst vorhätten. Über den Plan hatten sie schon eine Weile nachgedacht und daher konnten sie jetzt auch über viele Details Auskunft geben, was allerdings bei Howard immer mehr zum Kopfschütteln führte. „Leute, wenn ihr das so aufzieht, dann dauert es keine sechs Monate, bis ihr schwedische Gardinen seht!“ – und damit war Gefängnis gemeint.
„Die Grundidee ist schon ausbaubar“ fügte er hinzu, „aber ihr seid komplett ohne Deckung und auch der Vertrieb kann so nicht funktionieren. Das muss man irgendwie anders aufziehen. Ich denke mal darüber nach“ ergänzte er noch. Fred mochte ihn in einigen Tagen anrufen, aber Howard lehnte neuerlich ab mit „bist du wahnsinnig? Ich werde mich bei euch melden und bis dahin haltet eure Füße still“.
Die Nacht wurde noch recht gesellig, als sie nicht mehr über Geschäfte sprachen, und so wurde es ziemlich spät, besser gesagt früh, als sie nach Hause aufbrachen.
Fred und Max wussten, dass sie bisher auf einer sehr anständigen Schiene unterwegs waren, aber es brachte ihnen auch nichts ein, jedenfalls keine Reichtümer, sondern nur die üblichen Gehälter als Beamte. Der Stein des Anstoßes war ein Kollege, der vor einigen Wochen bei einer Klettertour den Halt verloren hatte und damit auch sein Leben – und in weiterer Konsequenz auch die Existenz für seine Familie. Natürlich hatten sie im Amt gesammelt, aber das war alles nur ein Tropfen auf einem heißen Stein. Sich eine goldene Zukunft aufzubauen, ging aus der Perspektive dieses Berufes jedenfalls nicht. Es musste in absehbarer Zeit für Max und Fred einen merkbaren Aufschwung geben und in sechs Wochen könnte es losgehen.
In den nächsten Wochen tat sich nichts von Bedeutung in dieser Stadt, wenn man von dem riesigen Bau absah, der sich mitten in der Stadt hochschraubte. Es würde wohl eine Bank oder Versicherung werden oder der Prachtbau einer Investitionsheuschrecke. In den tragenden Teilen hoch über der Stadt wurde der verdeckte Ermittler im Beton eingearbeitet, sodass er die nächsten 50 oder 100 Jahre die Stadt aus diesem Winkel gut und verdeckt beobachten konnte. Obwohl der Ermittler einst in der Olympiamannschaft schwamm, gelang es ihm nicht, im Betonmischer an die Oberfläche zu schwimmen. Sein spurloses Verschwinden fiel erst auf, als der Beton schon fast trocken war. Nun war er ein wirklich verdeckter Ermittler.
Nicht ganz zwei Monate später machten sich Fred und Max auf den Weg zu einer Weiterbildungsveranstaltung und diesmal fuhren sie gemeinsam Richtung Süden ins Palazzo Parigi. Dort traf sich Howard immer mit seinen russischen Freunden, wenn er wieder neue Geschäfte einfädelte. Was Fred und Max nicht so gefiel, war das Rauchverbot in den öffentlichen und privaten Bereichen, aber gegen etwas bares ‚presente‘ würde sich das schon regeln lassen.
Howard war schon vor Ort und als Stammgast bekam er auch all seine Wünsche erfüllt. Natürlich checkte er nicht unter seinem eigenen Namen ein, und auch für Fred und Max hatte er gefälschte Papiere, sodass ihr Aufenthalt später nicht nachvollzogen werden konnte.
Es begann alles mit einem exquisiten Abendessen, bei dem Howard vorsorglich darauf achtete, die üppigen Trinkgelder, die er verteilte, aus seiner rechten Tasche zu nehmen. „Ich habe darüber nachgedacht, einige Telefonate geführt“, begann Howard seine Ausführungen, „ob an eurer Idee etwas dran ist.“
Fred war ziemlich angespannt, weil ihm seine Frau ein großes Eifersuchtsszenario bei seiner Abreise gemacht hatte, welches ihm noch immer nicht aus dem Kopf gegangen war. Umso mehr war er nun auf einen greifbaren Erfolg aus, aber bis jetzt hatte er noch keine Signale für den großen Erfolg gehört oder gesehen, außer vielleicht das Ambiente des Palazzos und den Aufwand der gefälschten Papiere.
„So wie ihr euch das gedacht habt, ergäbe das nur Peanuts und wäre kaum den Aufwand wert, der dafür erforderlich scheint“ erzählt Howard den beiden. „In meinem Geschäft habe ich Spesen und Aufwand in Höhe von 75% einzurechnen. Wenn ich also 10 Millionen erwirtschaften möchte, brauche ich 40 Millionen, die ich bewegen muss und dazu benötige ich alleine in Europa um die 800 Leute.“
Max war etwas verwirrt, von den Dimensionen, die hier durch den Raum zischten. Sie hatten an 30, 40 oder 50.000 im Jahr gedacht, aber wovon jetzt die Rede war, konnte er sich überhaupt nicht vorstellen. „Was ist dein Part an der Geschichte? Warum hast du daran Interesse?“ fragte Max nach.
„Überlegt mal“, erläuterte Howard, „ich wäre doch ein Idiot, wenn ich für 800 Leute arbeiten würde, wäre außerdem sehr gefährdet! Das kann alles nur funktionieren, wenn wir Spezialisten ins Spiel bringen, von denen ihr nur maximal fünf Leute zu kennen braucht – maximal fünf und einer davon bin ich, also noch vier Andere. Alles wird so aufgebaut, dass jeder das macht, was er am besten kann, dafür auch jeder eine zufriedenstellende Entlohnung bekommt, damit alle bei der Stange bleiben und das Ding lange Zeit laufen kann.“
All dies klang für Max und Fred einleuchtend, bloß dass sie immer weniger verstanden, was sich hier zu entwickeln schien. Sie fühlten sich wie Kinder, denen ein Elternteil seinen riesengroßen Schlapphut übergestülpt hatte, der ihnen nun bis zur Nase ging und sie immer weniger sehen konnten.
Howard sah natürlich die leichten Zweifel, die bei den beiden auftauchten, und daher musste er konkreter werden. „Zunächst mal brauchen wir ein Jahr oder wenigstens 10 Monate, um das Netzwerk aufzubauen, eure besonderen Leistungen einzufädeln und auch die anderen Spezialisten zu suchen, zu prüfen und in Position zu bringen. Diese Vorfinanzierung übernehme ich, denn mein Geschäft wirft schon länger Geld ab. Dafür bekomme ich, wenn es läuft, 20% vom Profit. Nach etwa einem Jahr seid ihr aus dem Schussfeld und dann können wir mit der Gewinnphase beginnen. Das braucht dann nochmals zwei bis drei Monate, aber dann läuft es wie eine Dampflok und das für ziemlich lange Zeit. Da könnt ich euch dann langsam nach einer Hazienda umsehen, auf der ihr den Rest eures Lebens verbringen wollt.“
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