„Mika“, keucht Mika hervor und zwar ausnahmsweise nicht, weil er so schüchtern ist, sondern weil ihm nach dem Schließen der Haustüre quasi die Luft wegbleibt. Es ist warm im Haus, es ist sauwarm, es ist tropisch! Und jetzt fällt Mika auf, was er vor Aufregung erst gar nicht wahrgenommen hatte.
Der Typ – Edward – trägt einen Hausmantel aus feinster dunkelblauer Seide. Und kaum hat Mika diese Tatsache verarbeitet, lässt Edward das Teil auch schon die Schultern hinab gleiten. Maddie tut es ihm gleich und steht nur noch in sehr knappen Shorts vor ihnen. Edward hat sich ein weißes kurzes Tuch um die ziemlich füllige Körpermitte geschlungen.
„Also, ihr beiden“, plaudert Edward weiter, „wir gehen schon mal zurück zu den anderen Gästen.“
„Du kennst ja den Weg, Jana“, ruft Maddie ihnen noch zu, bevor sie durch die nächste große Doppeltüre verschwinden.
Jana hat sich bereits ihrer Jacke und ihres Pullis entledigt. Sie grinst Mika schelmisch an.
„Ich hab' ja gesagt: es wird der Wahnsinn. Komm! Reiß dir die Klamotten vom Leib, sonst brichst du gleich mit tropischem Fieber zusammen! Boah! Was für eine Hitze!“
Mika zieht sich gemeinsam mit Jana in der Eingangshalle aus. Jacke, Sweat-Shirt, Schuhe, Socken. Alles wird von diskretem Personal entgegen genommen. Seine Jeans lässt Mika allerdings noch an und krempelt nur die Beine hoch. Jana bedient sich an einem Stapel Tücher und schlingt sich eines davon um die schmalen Hüften. Völlig unbefangen fährt sie sich mit beiden Händen über die blanken Brüste.
„Na, dann komm' mal mit!“, raunt sie Mika zu. „Ich führ' dich rum.“
Und schon schiebt sie ihn in den gleichen Raum, in dem ihre Gastgeber verschwunden sind. Mika steht vor Staunen der Mund offen. Das sind bestimmt dreihundert Quadratmeter; exklusiv eingerichtet. Soweit Mika es übersehen kann, wurden mindestens drei Couchlandschaften im Raum verteilt. In einer Ecke steht ein Billardtisch. Rechter Hand befindet sich eine verspiegelte Bar, hinter deren Theke ein livrierter Kellner bedient. Unter seinen nackten Füßen spürt Mika kostbare weiche Teppiche. Der ganze Raum ist in gedämpftes Licht getaucht. Und es ist so warm, dass Mika ein wohliger Schauer über den Rücken läuft.
„Was möchtest du trinken?“, fragt Jana ihn beiläufig. „Wie immer?“
Mika nickt und bekommt nur ein zustimmendes Krächzen zustande. Jana lacht kurz auf.
„Ich kann das gut verstehen. Mir sind das erste Mal auch fast die Augen aus dem Kopf gefallen. Aber warte ab, was noch alles kommt!“ Sie wendet sich an den Barkeeper. „Zwei Gin-Tonic!“, bestellt sie und wischt sich eine Schweißperle von der Stirn.
Nicht lange und Jana reicht mit einem „Hier“ ein Longdrink-Glas an Mika weiter. Sie stoßen an und nehmen einen wunderbar erfrischenden Schluck. Mika schließt kurz genießerisch die Augen und stöhnt leise. Jana beobachtet ihn und ... lächelt. Mika runzelt die Stirn.
„Was ist?“
Ihre Gesichtszüge werden weich vor Zuneigung.
„Versprich mir, dass du immer so bleibst wie du bist, Schatz!“ Mit solch‘ einer Aussage hat Mika wirklich nicht gerechnet.
„Wie kommst du denn jetzt auf sowas?“, fragt er verwirrt und fährt verunsichert mit einem Finger über den Rand seines Glases. Jana legt abschätzend den Kopf schräg.
„Du bist so süß und verlegen und … einfach ganz Du, dass du nicht mal merkst, dass dich Andere schon wie ein Stück Beutefleisch taxieren. Aber das macht dich aus und du darfst dich niemals ändern! Versprichst du mir das?“
Während sie immer leiser und zärtlicher redet, schmiegt sich Jana an ihn und gibt Mika einige sanfte Küsse auf die Brustwarzen. Ihre Brüste reiben sich neckisch gegen ihn.
„Oh, Mann, Jana, ich krieg‘ voll den Ständer! Hör‘ auf!“
Doch statt sich zurückzuziehen beugt sich Mika vor und küsst Jana zärtlich auf den Mund. Sie lächelt.
„Hier wird niemand schräg gucken, wenn du mit einer Megalatte durch die Gegend rennst, glaub mir!“ Sie fährt ihm ganz nebenbei mit einer Hand über seinen anschwellenden Schritt.
„Ich möchte, dass du dich heute Abend so richtig amüsierst. Ich will, dass du dich locker machst und alles hier genießt. Vergiss Keno, dieses Mega-Arschloch! Vergiss einfach alles, was dich traurig macht!“
Mika lacht kurz auf. „Wenn du es befiehlst hab‘ ich ja sowieso keine andere Wahl!“
„Genau!“, erwidert sie kokett und schlendert davon. Mika nimmt noch einen tiefen Schluck, bevor er ihr grinsend folgt.
Am Ende des Raumes verschlägt Mika der Ausblick durch eine riesige breite Glastüre endgültig die Sprache.
„Das glaub' ich einfach nicht“, keucht er atemlos.
Sein Blick verliert sich in einer Schwimmlandschaft, welche durch eine Glaskuppel überdacht wird. Wie ein riesiges altes viktorianisches Gewächshaus. Die Scheiben wurden einzeln miteinander verschweißt und die Streben haben eine grünliche Patina. Ja, man muss es einfach Landschaft nennen, was darin errichtet wurde, denn neben dem riesigen kurvenreichen Pool wurden Sanddünen aufgeschüttet. Palmen, deren Kronen fast das fünf Meter hohe Dach berühren, befinden sich in mächtigen Töpfen. Alle Pflanzen sind mit Lichterketten geschmückt und in unregelmäßigen Abständen stecken große Fackeln im Boden. Zikaden zirpen, leise hawaiianische Musik schwebt in der Luft und eine Handvoll Menschen albert im Wasser herum. Sogar einige kleine Eidechsen sieht Mika aus dem Augenwinkel herum huschen und um eine Palmenkrone flattern und piepen etliche kleine Vögel.
„HEYYYY!“, ruft die Gruppe jetzt aus dem Becken. „Kommt rein! Ziert euch nicht so!“ Und schon balgen sie weiter oder werfen sich bunte Bälle zu.
„Ich glaube, jetzt geht kein Weg mehr dran vorbei“, schmunzelt Jana. „Runter mit den letzten Klamotten, Feigling!“
Da sich weiter niemand darum kümmert, ob er sich nun auszieht oder nicht, hat Mika kein Problem mit dem Nacktsein. Schließlich sind es ja alle anderen auch.
Wie an einem echten Strand ist das eine Ende des Pools flach gehalten. Mika und Jana planschen zu den anderen und der Spaß beginnt.
Mika kann sich nicht erinnern, wann er sich das letzte Mal so königlich amüsiert hat. Er balgt mit Jana, spielt mit allen Gästen Wasserball und wird tatsächlich nach einem kleinen Gruppensieg ziemlich heftig von Maddie abgeknutscht. Die ganze Atmosphäre ist so ausgelassen und die körperliche Nähe zu den anderen Leuten so selbstverständlich, dass Mika die Knutscherei einfach nur genießt.
Bei den Gästen handelt es sich um eine altersmäßig gemischte Gruppe von ungefähr zehn bis zwölf Personen. Der Großteil ist älter als Mika, nur ein Mädchen und ein Junge scheinen in seinem Alter zu sein. Wie er später erfährt, handelt es sich bei dem Mädchen um die Tochter eines Bekannten von Edward – Anna. Um es freundlich auszudrücken: Anna scheint ein ganz schönes Luder zu sein. So kokett und herausfordernd wie sie sich den männlichen Gästen anbietet, wundert Mika sich, dass ihre Eltern sie jemals einen Augenblick aus den Augen lassen.
Die Gastgeber scheinen das ganz okay zu finden. Der Junge, der ständig an ihrer Seite ist, hat nur Augen für sie und kümmert sich kein bisschen um andere Gäste oder darum, wie Anna sich aufführt. Sobald sie sich ihm zuwendet, blüht er auf und liest ihr jeden Wunsch von den Lippen ab. Er lässt sie nicht aus den Augen – auch nicht, wenn sie anscheinend das Interesse an ihm verliert. Und sie lässt ihn öfters links liegen. Mika versteht das Mädel nicht. Der Typ hat einen Body wie ein Filmstar und das dazu passende Gesicht mit eingefrästem Grinsen. Wieso behandelt sie ihn so eigenartig?
Mika hechtet in Janas Richtung, um sie von hinten zu umklammern.
„Diese Anna ist ja eine komische Tussi“, raunt er Jana zu. „Benimmt sich wie ein Flittchen. Und ihr Freund da lässt sich alles gefallen. Komische Leute!“
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