„Unfreundliches Wetter!“ bemerkte ich: „Ich fürchte, Mrs. Heathcliff, die Tür wird infolge der lässigen Aufmerksamkeit Ihrer Diener etwas abbekommen haben. Es war ein verteufeltes Stück Arbeit, bis sie mich gehört haben!“
Sie öffnete den Mund nicht. Ich starrte sie und sie starrte mich an. Jedenfalls ließ sie ihre Augen auf eine kühle, unbekümmerte Art auf mir ruhen, die äußerst verwirrend und unangenehm war.
„Setzen Sie sich!“ sagte der junge Mann mürrisch. „Er wird bald hier sein.“
Ich gehorchte, räusperte mich und lockte die böse Juno, die bei diesem zweiten Zusammentreffen geruhte, die äußerste Spitze ihres Schwanzes zu bewegen, als Zeichen, daß sie sich meiner Bekanntschaft erinnerte.
„Ein prachtvolles Tier!“ begann ich von neuem. „Werden Sie die Jungen abgeben, gnädige Frau?“
„Sie gehören nicht mir“, sagte die liebenswürdige Wirtin noch abweisender, als selbst Heathcliff hätte antworten können. „O, dann sind wohl das dort Ihre Lieblinge?“ fuhr ich fort und wies auf ein dunkles Kissen, auf dem anscheinend Katzen lagen.
„Eine sonderbare Auswahl von Lieblingen!“ bemerkte sie verächtlich.
Unglücklicherweise war es ein Haufen toter Kaninchen. Ich räusperte mich noch einmal, rückte näher an den Kamin und wiederholte meine Bemerkung über den stürmischen Abend. „Sie hätten nicht ausgehen sollen“, sagte sie, stand auf und langte nach zwei von den bemalten Blechdosen auf dem Kaminsims.
Vorher war sie dem Licht abgewendet gewesen; jetzt erhielt ich einen klaren Eindruck von ihrer Gestalt und ihrem Gesicht. Sie war schlank und anscheinend kaum dem Kindesalter entwachsen, hatte die wundervollste Figur und das reizendste kleine Gesicht, das ich jemals gesehen habe; feine Züge, sehr schön; flachsblonde, nein, eigentlich goldene Locken, die lose über ihren zarten Nacken fielen; Augen, die unwiderstehlich gewesen wären, wenn sie einen angenehmen Ausdruck gehabt hätten. Zum Glück für mein empfängliches Herz schwankte das einzige Gefühl, das sie ausdrückten, zwischen Verachtung und einer Art Verzweiflung, und diese dort anzutreffen, mutete ganz besonders unnatürlich an.
Die Blechdosen waren für sie kaum zu erreichen; ich machte eine Bewegung, um ihr zu helfen, aber sie fuhr herum wie ein Geizhals, dem jemand beim Geldzählen helfen wollte.
„Ich brauche Ihre Hilfe nicht“, fuhr sie mich an, „ich kann sie allein herunterholen.“
„Verzeihen Sie!“ beeilte ich mich zu entgegnen.
„Sind Sie zum Tee eingeladen?“ fragte sie, während sie sich eine Schürze über ihr elegantes schwarzes Kleid band und einen Löffel voll Teeblätter über den Topf hielt.
„Ich würde gern eine Tasse trinken“, erwiderte ich. „Sind Sie eingeladen?“ wiederholte sie.
„Nein“, sagte ich lächelnd. „Vielleicht haben Sie die Güte, es zu tun.“
Sie schleuderte den Tee, den Löffel und alles übrige zurück, nahm ärgerlich ihren Platz wieder ein, runzelte die Stirn und schob ihre rote Unterlippe vor, wie ein Kind, das weinen will. Unterdessen hatte der junge Mann einen äußerst schäbigen Rock angezogen, stellte sich aufrecht vor das Feuer und blickte aus den Augenwinkeln auf mich herab, als ob eine tödliche Fehde unausgetragen zwischen uns bestünde. Ich schwankte, ob er ein Knecht war oder nicht, sowohl seine Kleidung wie seine Sprache waren primitiv, und es fehlte ihnen gänzlich die Überlegenheit Mr. und Mrs. Heathcliffs. Seine dichten braunen Locken waren widerspenstig und ungepflegt, ein Vollbart bedeckte seine Wangen wie ein Pelz, und seine Hände waren sonnengebräunt wie die eines einfachen Landarbeiters. Und doch war sein Auftreten sicher, fast stolz, und die Art, wie er die Frau des Hauses behandelte, bekundete keine dienerhafte Unterwürfigkeit. In Unkenntnis seiner Stellung hielt ich es für das Beste, sein merkwürdiges Verhalten nicht zu beachten, und fünf Minuten später befreite mich Heathcliffs Eintritt in gewissem Grade aus diesem unbehaglichen Zustand.
„Wie Sie sehen, Mr. Heathcliff, bin ich, meinem Versprechen gemäß, gekommen“, rief ich mit gespielter Munterkeit aus, „und ich fürchte, ich werde für eine halbe Stunde durch das Wetter festgehalten werden, wenn Sie mir während dieser Zeit Obdach gewähren können.“
„Eine halbe Stunde?“ meinte er und schüttelte die weißen Flocken von seinen Kleidern. „Ich möchte wissen, warum Sie sich einen Schneesturm zum Umherstreifen aussuchen. Wissen Sie, daß Sie Gefahr laufen, sich im Moore zu verirren? Selbst Leute, die mit unseren Sümpfen vertraut sind, kommen an solchen Abenden oft vom Wege ab, und ich sage Ihnen, daß im Augenblick keine Aussicht auf eine Änderung besteht.“
„Vielleicht darf ich einen Ihrer Burschen als Führer haben, und er kann bis morgen früh in meinem Gehöft bleiben. Können Sie jemanden entbehren?“
„Nein, das kann ich nicht.“
„Ach, wirklich? Nun, dann muß ich mich eben auf meinen eigenen Scharfsinn verlassen.“
„Hm!“
„Wirst du jetzt den Tee aufgießen?“ fragte der im schäbigen Rock und ließ seine wilden Blicke von mir zu der jungen Dame wandern.
„Soll er welchen haben?“ fragte sie, sich an Heathcliff wendend.
„Mach los!“ war die in einem so wütenden Tone vorgebrachte Antwort, daß ich auffuhr. Der Ton, in dem die Worte gesprochen wurden, offenbarte unverhüllte Bosheit, und ich fühlte mich nicht mehr geneigt, Heathcliff einen famosen Burschen zu nennen.
Als der Tee fertig war, lud er mich mit den Worten ein: „Na, dann rücken Sie Ihren Stuhl heran!“ Wir alle, auch der bäuerliche junge Mann, vereinigten uns um den Tisch, und während wir uns mit der Mahlzeit beschäftigten, herrschte ein unfreundliches Schweigen.
Ich hielt mich zu einem Versuch verpflichtet, die Wolke, deren Ursache ich gewesen war, zu verscheuchen. Sie konnten doch nicht alle Tage so düster und schweigsam dasitzen; es war unmöglich, wie schlecht gelaunt sie auch sein mochten, daß der gemeinsame finstere Ausdruck ihr alltägliches Gesicht war! „Es ist seltsam“, begann ich in der Pause zwischen zwei Tassen Tee, „Es ist seltsam, wie stark Gewohnheit unsere Neigungen und Vorstellungen formt. Manch einer könnte sich kein Glück denken in einem Leben völliger Abgeschiedenheit von der Welt, wie Sie es führen, Mr. Heathcliff. Und doch wage ich zu behaupten, daß, umgeben von Ihrer Familie und mit Ihrer liebenswürdigen Hausfrau, die in Ihrem Heim und Herzen regiert…“
„Meine liebenswürdige Hausfrau?“ unterbrach er mich mit einem geradezu teuflischen Hohnlachen im Gesicht. „Wo ist sie, meine liebenswürdige Hausfrau?“
„Ich meine Mrs. Heathcliff, Ihre Frau.“
„Ach so! Also Sie wollten andeuten, daß ihr Geist die Obliegenheiten eines Schutzengels übernommen hat und die Schätze von Wuthering Heights bewacht, obwohl ihr Leib dahin ist. War es so?“
Ich merkte, daß ich einen Fehler begangen hatte, und versuchte, ihn wiedergutzumachen. Ich hätte sehen müssen, daß der Altersunterschied zwischen den beiden zu groß war, als daß man sie für Mann und Frau hätte halten können. Er war etwa vierzig, ein Alter geistiger Kraft, in dem Männer sich selten der Täuschung hingeben, daß ein Mädchen sie aus Liebe heiraten könnte; dieser Traum ist uns als Trost für unseren Lebensabend vorbehalten. Sie sah aus wie höchstens siebzehn. Da blitzte es in mir auf: Der Tölpel an meiner Seite, der seinen Tee aus einem Napf trinkt und sein Brot mit ungewaschenen Händen isst, ist vielleicht ihr Mann. Natürlich, Heathcliff junior. Das ist die Folge des Lebendigbegrabenseins: sie hat sich an diesen Bauernlümmel weggeworfen aus lauter Unkenntnis, daß es noch bessere Männer gibt! Wie schade! — Ich muß vorsichtig sein und ihr keine Ursache geben, ihre Wahl zu bereuen. — Diese letzte Überlegung mag eingebildet klingen, sie war es nicht. Mein Nachbar erfüllte mich fast mit Abscheu; aus Erfahrung wusste ich, daß ich leidlich anziehend wirkte. „Mrs. Heathcliff ist meine Schwiegertochter“, sagte Heathcliff, meine Vermutung bestätigend. Während er sprach, warf er einen eigentümlichen Blick in ihre Richtung, einen hasserfüllten Blick, es wäre denn, daß er über höchst eigenwillige Gesichtsmuskeln verfügte, die nicht, wie die anderer Leute, die Sprache der Seele erkennen lassen.
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