Jack London - Martin Eden - Vollständige deutsche Ausgabe

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Martin Eden ist eines der größten Werke von Jack London. Der zum Teil autobiographische Roman erschien erstmals im Jahre 1909. Es ist die Geschichte eines ungebildeten, ungehobelten, jedoch weltklugen jungen Mannes, der sich heroisch um die Zuneigung eines Mädchens aus der gehobenen Schicht bemüht.
Martin Eden glaubt, einzig durch das Erlangen von Bildung und Respekt würdig für die Liebe der jungen Ruth Morse zu sein. Er kann sich aber keine Schule und keinen Lehrer leisten und beschließt somit, sich selbst zu unterrichten. Auf diesem Weg offenbaren sich ihm Geschichten, die es wert sind, erzählt zu werden, Geschichten über sein eigenes Leben und das anderer, Geschichten, die seine Erfahrungen in einer gesellschaftlichen Schicht erzählen, die bei Ruth, ihren Eltern, ihren Brüdern und deren sozialem Umfeld verpönt ist.

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Martin Eden

Jack London

Inhaltsverzeichnis

Der Autor Der Autor Jack London wurde am 12.01.1876 in San Franzisco geboren und wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf. Er schlägt sich als Fabrikarbeiter, Austernpirat, Landstreicher und Seemann durch, holt das Abitur nach, beginnt zu studieren, geht dann als Goldsucher nach Alaska, lebt monatelang im Elendsviertel von London, gerät als Korrespondent im russisch-japanischen Krieg in Gefangenschaft und bereist später die ganze Welt. Am 12.11.1916 setzt der berühmte Schriftsteller auf seiner Farm in Kalifornien seinem zuletzt von Alkohol, Erfolg und Extravaganz geprägten Leben ein Ende. London hat hervorragende Tiergeschichten, Kurzgeschichten, naturalistisch-romantische Abenteuerromane und sozialkritische Romane verfaßt, denen zumeist eigene Erlebnisse zugrunde liegen.

Erster Teil Erster Teil

Erstes Kapitel

Zweites Kapitel

Drittes Kapitel

Viertes Kapitel

Fünftes Kapitel

Sechstes Kapitel

Siebentes Kapitel

Achtes Kapitel

Neuntes Kapitel

Zehntes Kapitel

Elftes Kapitel

Zwölftes Kapitel

Dreizehntes Kapitel

Vierzehntes Kapitel

Fünfzehntes Kapitel

Sechzehntes Kapitel

Siebzehntes Kapitel

Achtzehntes Kapitel

Neunzehntes Kapitel

Zwanzigstes Kapitel

Einundzwanzigstes Kapitel

Zweiundzwanzigstes Kapitel

Dreiundzwanzigstes Kapitel

Vierundzwanzigstes Kapitel

Zweiter Teil

Erstes Kapitel

Zweites Kapitel

Drittes Kapitel

Viertes Kapitel

Fünftes Kapitel

Sechstes Kapitel

Siebentes Kapitel

Achtes Kapitel

Neuntes Kapitel

Zehntes Kapitel

Elftes Kapitel

Zwölftes Kapitel

Dreizehntes Kapitel

Vierzehntes Kapitel

Fünfzehntes Kapitel

Sechzehntes Kapitel

Siebzehntes Kapitel

Achtzehntes Kapitel

Neunzehntes Kapitel

Zwanzigstes Kapitel

Einundzwanzigstes Kapitel

Zweiundzwanzigstes Kapitel

Impressum

Der Autor

Jack London wurde am 12.01.1876 in San Franzisco geboren und wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf. Er schlägt sich als Fabrikarbeiter, Austernpirat, Landstreicher und Seemann durch, holt das Abitur nach, beginnt zu studieren, geht dann als Goldsucher nach Alaska, lebt monatelang im Elendsviertel von London, gerät als Korrespondent im russisch-japanischen Krieg in Gefangenschaft und bereist später die ganze Welt. Am 12.11.1916 setzt der berühmte Schriftsteller auf seiner Farm in Kalifornien seinem zuletzt von Alkohol, Erfolg und Extravaganz geprägten Leben ein Ende. London hat hervorragende Tiergeschichten, Kurzgeschichten, naturalistisch-romantische Abenteuerromane und sozialkritische Romane verfaßt, denen zumeist eigene Erlebnisse zugrunde liegen.

Erster Teil

Erstes Kapitel

Der eine klinkte die Tür auf und trat ein. Ihm folgte ein junger Bursche, der linkisch die Mütze abnahm. Seine Kleidung war derb und erinnerte an die der Seeleute; offenbar fühlte er sich in der geräumigen Halle wie ein Fisch auf dem Trockenen. Er wußte nicht, was er mit seiner Mütze anfangen sollte, und wollte sie gerade in die Hosentasche stopfen, als der andere sie ihm abnahm. Er tat es ganz ruhig und natürlich, und der linkische junge Bursche wußte das zu schätzen. Der hat Verständnis, dachte er, der wird mich schon richtig durchlotsen.

Er folgte dem andern dicht auf den Fersen, mit schwingenden Schultern und unbewußt so breitbeinig, als höbe und senkte sich der ebene Boden wie Meereswogen. Die großen Räume schienen zu eng für seinen wiegenden Gang, und heimlich hatte er furchtbare Angst, daß seine breiten Schultern an den Türrahmen stoßen oder die Nippes von dem niedrigen Kamin fegen würden. Er schwankte zwischen den verschiedenen Dingen hin und her und vervielfältigte dadurch die Gefahren, die in Wirklichkeit nur in seiner Einbildung bestanden. Zwischen einem Flügel und einem hoch mit Büchern beladenen Tisch in der Mitte des Zimmers wäre Platz genug für ein halbes Dutzend Männer nebeneinander gewesen, aber er wagte den Weg nur mit Zittern und Zagen. Seine schweren Arme hingen schlaff an den Seiten herab. Er wußte nicht, was er mit diesen Armen und Händen anfangen sollte, und als seine erregte Phantasie ihm vorspiegelte, daß er die Bücher auf dem Tische umwerfen könnte, machte er wie ein scheues Pferd einen Satz nach der anderen Seite und entging mit Mühe und Not einem Zusammenstoß mit dem Klaviersessel. Er beobachtete den leichten Schritt des andern vor ihm, und zum erstenmal wurde ihm klar, daß sein Gang sich von dem anderer Leute unterschied. Einen Augenblick durchfuhr ihn schmerzliche Scham über seine eigene Schwerfälligkeit. Der Schweiß brach in kleinen Tröpfchen auf seiner Stirn aus, er blieb stehen und wischte sich mit dem Taschentuch über das sonnenverbrannte Gesicht.

»Warten Sie ein bißchen, Arthur«, sagte er, indem er seine Angst hinter einer scherzhaften Bemerkung zu verbergen suchte. »Das ist zuviel auf einmal für Ihren ergebenen Diener. Sie müssen mir Zeit lassen, mal Luft zu schöpfen. Sie wissen, daß ich nicht mitkommen wollte, und ich glaube, Ihre Familie wird auch nicht gerade darauf brennen, mich kennenzulernen.«

»Aber nicht doch«, lautete die beruhigende Antwort. »Ihnen braucht nicht bange vor uns zu sein. Wir sind ganz einfache Menschen. Hallo, da ist ja ein Brief für mich!« Er trat an den Tisch, riß den Umschlag auf und begann zu lesen, so bot er dem Fremden Gelegenheit, sich zu sammeln. Und der Gast begriff und war dankbar. Er besaß selbst die Gabe des Verstehens, des Mitfühlens, und auch jetzt wirkte sie unter seiner äußeren Erregung fort. Er trocknete sich die Stirn und blickte ruhiger umher, wenn auch in seinen Augen der Ausdruck des wilden Tieres lag, das die Falle fürchtet. Er befand sich in einer unbekannten Umgebung, ängstigte sich vor dem, was da geschehen mochte, und wußte nicht, wie er sich benehmen sollte; dabei war ihm seine Ungeschicklichkeit wohl bewußt, und er fürchtete, Geist und Seele wären ebenso gelähmt wie sein Körper. Er war überaus empfindlich und hoffnungslos befangen; der belustigte Blick, den der andere ihm heimlich über den Rand des Briefes zuwarf, brannte wie ein Dolchstoß in ihm. Er ließ sich jedoch nichts anmerken, denn unter anderen Dingen hatte er auch Selbstbeherrschung gelernt. Aber der Dolchstoß hatte seinen Stolz getroffen. Er verwünschte sich, weil er gekommen war, und beschloß gleichzeitig, die nun einmal begonnene Sache auf jeden Fall durchzuführen. Seine Züge wurden härter, und ein streitbares Feuer blitzte in seinen Augen. Er sah sich viel unbefangener um und fühlte mit seiner schnellen Auffassungsgabe, wie jede Einzelheit in dem schönen Raum sich seinem Bewußtsein einprägte. Seine Augen standen weit auseinander; nichts innerhalb ihres Gesichtskreises entging ihm; und wie sie die Schönheit, die sie sahen, tranken, schwand der kampfbereite Ausdruck in ihnen und wich einer warmen Glut. Er war empfänglich für Schönheit, und hier gab es genug aufzunehmen.

Ein Ölgemälde fesselte ihn. Schwere Brandung donnerte krachend gegen einen vorspringenden Felsen; drohende Sturmwolken bedeckten den Himmel, und vor der Brandung lag ein Lotsenschoner mit gerefften Segeln, holte gerade über, so daß man jede Einzelheit auf seinem Deck sah, und wurde von den Wellen in ein wolkiges Abendrot gehoben. Das war Schönheit, und er fühlte sich unwiderstehlich davon angezogen. Er vergaß seinen linkischen Gang und trat ganz dicht an das Gemälde heran. Da schwand die Schönheit von der Leinwand. Sein Gesicht zeigte Bestürzung. Er starrte auf etwas, das scheinbar nichts als eine nachlässige Schmiererei war. Dann trat er wieder zurück. Sofort kehrte alle Schönheit auf die Leinwand zurück. Ein Trickbild, dachte er und wandte sich ab, fand aber inmitten der vielen Eindrücke, die auf ihn einstürmten, doch Zeit, sich zu empören, daß man soviel Schönheit auf ein Trickbild verwandt hatte. Von Malerei verstand er nichts. Er war zwischen Farbdrucken und Lithographien aufgewachsen, die in der Nähe wie aus der Ferne immer gleich scharf und deutlich wirkten. Zwar hatte er in Schaufenstern Ölgemälde gesehen, aber die Scheibe hatte ihn gehindert, dicht an sie heranzutreten.

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