Während ich einen Monat schönen Wetters an der See verlebte, geriet ich in die Gesellschaft eines bezaubernden Geschöpfes, einer wahren Göttin in meinen Augen, solange sie mir keine Aufmerksamkeit schenkte. Ich gab meiner Liebe nie mit Worten Ausdruck; doch wenn Blicke sprechen können, hätte auch der ärgste Dummkopf erraten, daß ich bis über beide Ohren verliebt war. Sie verstand mich schließlich und erwiderte meine Augensprache mit dem süßesten Blick, den man sich vorstellen kann. Und was tat ich? Ich gestehe es voller Scham: ich zog mich, zu Eis erstarrt, in mich selbst zurück wie eine Schnecke, zog mich bei jedem Blick abgekühlter und weiter zurück, bis die arme Unschuld schließlich anfing, ihren eigenen Sinnen zu misstrauen und, niedergeschlagen und verwirrt, ihre Mutter überredete, die Zelte abzubrechen. Durch diese merkwürdige Veranlagung bin ich in den Ruf vorsätzlicher Herzenskälte gekommen, wie unverdient, kann nur ich allein ermessen.
Mein Wirt ging auf den Herdsitz zu, ich nahm am entgegengesetzten Ende Platz und füllte eine Pause des Schweigens mit dem Versuch, die Hündin zu streicheln, die ihre Kinderstube verlassen hatte, wie ein Wolf von hinten an meine Beine herangeschlichen war und ihre weißen Zähne zum Zuschnappen bleckte. Mein Streicheln veranlasste ein langgezogenes tiefes Knurren.
Auch Mr. Heathcliff knurrte. „Sie sollten den Hund lieber in Ruhe lassen!“ Er unterdrückte gröbere Gefühlsäußerungen durch ein Aufstampfen mit dem Fuß. „Sie ist nicht gewöhnt, gestreichelt zu werden; sie ist kein Spielhund.“ Dann, zu einer Seitentür tretend, rief er wieder: „Joseph!“
Joseph brummelte undeutlich in der Tiefe des Kellers, gab aber nicht zu verstehen, daß er heraufkommen wolle; darum stieg sein Herr zu ihm hinab und ließ mich allein mit der wilden Hündin und einem Paar grimmig zottiger Schäferhunde, die sich mit ihr in die argwöhnische Bewachung jeder meiner Bewegungen teilten. Da ich nicht darauf brannte, mit ihren Fängen in Berührung zu kommen, saß ich still; aber weil ich mir einbildete, sie verstünden stumme Beleidigungen kaum, erlaubte ich mir unglücklicherweise, mit den Augen zu zwinkern und dem Trio Gesichter zu schneiden, und eine Grimasse brachte die Hundedame so auf, daß sie plötzlich in Wut geriet und auf meine Knie sprang. Ich schleuderte sie zurück und beeilte mich, den Tisch zwischen uns zu bringen. Dieser Vorgang brachte die ganze Meute auf die Beine. Ein halbes Dutzend vierfüßiger Furien, verschieden in Alter und Größe, kam aus verborgenen Winkeln hervor bis in die Mitte des Raumes. Auf meine Stiefelabsätze und Rockschöße hatten sie es besonders abgesehen, und während ich die größeren Angreifer, so gut es ging, mit dem Schüreisen abwehrte, sah ich mich gezwungen, laut nach jemand im Hause um Hilfe zu rufen, um den Frieden wiederherzustellen.
Mr. Heathcliff und sein Knecht stiegen die Kellertreppe mit aufreizender Ruhe herauf; ich glaube nicht, daß sie sich um eine Sekunde schneller bewegten als sonst, obwohl am Herdplatz ein wahres Unwetter von Toben und Kläffen war. Zum Glück bewies eine Bewohnerin der Küche mehr Eile: eine lebhafte Frauensperson mit aufgeschürztem Kleid, nackten Armen und feuererhitzten Wangen stürzte, eine Bratpfanne schwingend, mitten unter uns und gebrauchte diese Waffe und ihre Zunge so erfolgreich, daß der Sturm sich wie durch Zauber legte und sie allein bewegt blieb wie die See nach einem Unwetter, als ihr Herr den Schauplatz betrat.
„Was zum Teufel ist hier los?“ fragte er und blickte mich in einer Weise an, die ich nach dieser ungastlichen Behandlung schlecht ertragen konnte.
„Was zum Teufel? Allerdings!“ brummte ich. „Die Schweineherde in der Bibel war sicherlich von keinem schlimmeren Geist besessen als Ihre Tiere hier. Geradesogut könnten Sie einen Fremden mit einer Tigerbrut allein lassen.“
„Sie tun keinem etwas zuleide, der nichts anfasst“, bemerkte er, während er die Flasche vor mich hinstellte und den verschobenen Tisch zurechtrückte. „Die Hunde sind in ihrem Recht, wenn sie wachsam sind. — Nehmen Sie ein Glas Wein?“
„Nein, danke!“
„Sie sind doch nicht gebissen worden?“
„Wenn ich es wäre, hätte ich dem Beißer einen Denkzettel gegeben.“
Heathcliffs Gesicht entspannte sich in einem Grinsen. „Na, na“, sagte er, „Sie sind aufgeregt, Mr. Lockwood! Hier, trinken Sie ein Glas Wein. Gäste sind in diesem Hause so selten, daß ich und meine Hunde — das gebe ich zu kaum wissen, wie man sie empfängt. Zum Wohl, Mr. Lockwood!“
Ich verbeugte mich und trank ihm zu, denn ich sah ein, daß es töricht gewesen wäre, wegen des schlechten Betragens dieses Hundevolks zu schmollen. Überdies hatte ich keine Lust, dem Manne Gelegenheit zu geben, sich weiter über mich lustig zu machen, zumal er in der Stimmung dazu war.
Er, wohl von der Erwägung ausgehend, daß es unklug sei, einen guten Pächter zu beleidigen, mäßigte ein wenig seine Art, die Wörter einzeln abgehackt hervorzustoßen, und leitete zu einem Gegenstand über, von dem er annahm, daß er mich interessierte, einem Gespräch über die Vorteile und Nachteile meines neuen Wohnortes. Ich fand ihn sehr bewandert in den Dingen, die wir berührten, und bevor ich nach Hause ging, war ich so weit ermutigt, daß ich mich aus freien Stücken für morgen wieder ansagte. Er wünschte augenscheinlich keine Wiederholung des Besuchs, doch werde ich trotzdem hingehen. Es ist erstaunlich, wie gesellig ich mir, mit ihm verglichen, vorkomme.
Gestern Nachmittag setzten Nebel und Kälte ein. Ich hatte halb und halb Lust, in meinem Studierzimmer am Kamin zu bleiben, anstatt durch Heide und Lehmboden nach Wuthering Heights zu waten. Als ich jedoch vom Mittagessen aufstand (nebenbei bemerkt, ich esse zwischen zwölf und ein Uhr; die Haushälterin, eine ältere Frau, die ich laut Vereinbarung zugleich mit dem Hause übernommen hatte, konnte oder wollte meine Bitte, um fünf Uhr zu speisen, nicht begreifen), als ich also mit diesem bequemen Vorsatz die Treppe hinaufging und das Zimmer betrat, kniete dort, inmitten von Bürsten und Kohleneimern, eine Dienstmagd am Boden, die mit Haufen von Asche die Flammen erstickte und dabei einen höllischen Staub aufwirbelte. Dieser Anblick ließ mich augenblicklich entweichen; ich nahm meinen Hut und langte nach einem Marsch von vier Meilen bei Heathcliffs Gartenpforte an, gerade zur rechten Zeit, den ersten wirbelnden Flocken eines Schneegestöbers zu entrinnen.
Auf dieser kahlen Höhe war die Erde hart gefroren, und die kalte Luft ließ mich am ganzen Körper erschauern. Da ich die Kette nicht lösen konnte, sprang ich über den Zaun, lief den von Stachelbeersträuchern gesäumten gepflasterten Damm entlang und klopfte, vergeblich Einlass begehrend, an das Tor, bis meine Knöchel schmerzten und die Hunde heulten.
›Elende Bande!‹ knirschte ich innerlich, ›ihr verdientet, für eure flegelhafte Ungastlichkeit ewig von euresgleichen gemieden zu werden! Zum mindesten würde ich meine Tür während des Tages nicht verriegeln. Mir ganz gleich — ich will hinein!‹ Mit diesem Entschluss fasste ich die Klinke und rüttelte heftig daran. Es dauerte noch eine Weile, bis das essigsaure Gesicht Josephs in einem runden Fenster der Scheune erschien.
„Was wollen Sie?“ schrie er mich an. „Der Herr is drunten aufm Feld. Gehn Sie doch hinten rum, wenn Sie ’n sprechen wollen.“
„Ist denn niemand im Haus, der die Tür öffnen kann?“ schrie ich zurück.
„Nee, nur die Frau, und die macht nich auf, und wenn Sie bis heut nacht weitertoben.“
„Warum nicht? Können Sie ihr nicht sagen, wer ich bin, he, Joseph?“
„Nee, ich nich! Ich will nix mit zu tun ham“, murmelte er, und der Kopf verschwand.
Der Schnee begann dichter zu fallen. Ich ergriff die Klinke, um noch einen Versuch zu machen, als ein junger Mann ohne Rock mit geschulterter Heugabel hinten im Hof erschien. Er rief mir zu, ihm zu folgen, und nachdem wir durch ein Waschhaus und einen gepflasterten Hof, an einem Kohlenschuppen, einer Pumpe und einem Taubenschlag vorbeigegangen waren, landeten wir endlich in dem großen, warmen, schönen Zimmer, in dem ich zuerst empfangen worden war. Es erstrahlte wohltuend im Schein eines gewaltigen Feuers, das von Kohle, Torf und Holz genährt wurde. Am Tisch, der für eine reichliche Abendmahlzeit gedeckt war, bemerkte ich zu meiner Freude die ›Frau‹, ein Wesen, von dessen Vorhandensein ich bis dahin nichts geahnt hatte. Ich verbeugte mich und wartete, in der Meinung, sie würde mir einen Platz anbieten. Sie blickte mich an, lehnte sich im Stuhl zurück und verharrte bewegungslos und stumm.
Читать дальше