Und ich habe es nie vergessen. Wie könnte ich auch! Nie zuvor hatte ich deine Liebe so stark und tief empfunden. Konnte dieses Gefühl noch wachsen, noch stärker, noch tiefer werden? Ja, es konnte, wenn auch unter Umständen, die ich uns lieber erspart hätte.
Zunächst ging alles seinen gewohnten Gang, Jahr für Jahr, und nichts deutete an, dass es nicht immer Jahr für Jahr so weitergehen könne. Gut, die Reisen führten nicht mehr gerade bis ans Ende der Welt, das Alter schlich sich ein, vor allem bei dir, und forderte seinen Tribut: die Augen, die Ohren, die Gelenke. Was soll’s…? Man stellt sich darauf ein und rückt den üblichen Beschwerden mit Kuren auf den Leib… Die Langsamkeit hat auch ihre Reize. Man tritt eben kürzer wie alle anderen auch. Dir aber fiel es schwer, im Alltagsleben nicht mehr die volle Leistung bringen zu können. Deine Bekannten aus fernen Kindertagen, an Jahren so alt wie du, waren dennoch schon älter. „Das kann ich nicht mehr“, so hieß es, „und jenes auch nicht.“ Du aber hieltest die Zügel noch fest in der Hand und schmisst den Laden wie eh und je – bis zu jenem verhängnisvollen Tag, an dem in der Uni-Klinik die Diagnose festgestellt wurde, die den Anfang vom Ende einläutete. Die Krankheit sei noch zu wenig erforscht, die Ursachen weitgehend unbekannt, und deshalb gebe es auch noch kein wirklich heilendes Medikament. Aber man arbeite daran, überall in vielen Ländern, und um den Ursachen auf den Grund zu gehen, überredete man dich, ein paar Tage dort zu bleiben, um Gewebeprobe entnehmen und untersuchen zu können. Vielleicht stoße man bei dir auf eine der wenigen von den vielen Varianten, über die man schon einige Kenntnisse habe. Und als du mit deiner Zustimmung zögertest, meinte der noch sehr junge Assistenzarzt: „Ich kann Sie nicht zwingen, aber es hängt von Ihnen ab, ob Sie noch ein Jahr zu leben haben oder fünf.“ Am liebsten wäre ich ihm an die Kehle gesprungen, aber wie ich an deiner Reaktion bemerkte, hattest du in deiner Aufregung die Worte gar nicht richtig mitbekommen, und außerdem dachte ich schon im nächsten Augenblick, sie seien nur so dahergeredet und nicht ganz ernst zu nehmen, denn was es eigentlich mit der Krankheit auf sich hatte, wussten wir beide damals noch nicht.
Heute ist das alles anders: Er hatte recht. Leider!
Leider brachte die Gewebeprobe auch kein erfreuliches Ergebnis: Deine Variante der Krankheit gehörte zu den vielen noch unbekannten Arten, die man mit Cortison zu bekämpfen versuchte, ohne sie heilen zu können, mehr ein Hinauszögern, eine Verlegenheit aus Mangel an wirksamen Medikamenten. Du konntest die Tabletten ohnehin nicht nehmen, da du sie nicht vertrugst.
Ich sehe noch die vielen Patienten in der Klinik mit Sauerstoffgeräten herumlaufen – oder besser: herumschleichen -, die beiden Enden des Schlauchs in der Nase, und ich dachte, hoffentlich bleibst du davon verschont. Aber nein, du bekamst auch so ein Gerät, ein Standgerät, das dich nachts mit Sauerstoff versorgen sollte. So fing es an… und dann…
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