P.S.: Emelie meine Liebe, ich setze meine ganze Hoffnung in dich! Ich wünsche dir ein wundervolles Leben! Alles erdenklich Gute für dich und viel Erfolg! Pass' gut auf dich auf!
In Liebe
Deine Tante Salborgh
Warum in aller Welt hatte mein Vater mir diesen diesen Brief verheimlicht?
»Was meint sie denn damit? Welche Sachen soll ich dort holen? Und warum durfte Mama nichts vom Inhalt diese Briefs wissen?« Wieder schaute er mich verlegen an.
»Du weißt doch, wie sie ist. Sie mochte Salborgh nicht und dann sollst du jetzt auch noch etwas für die Beiden erledigen, wobei sie ohnehin schon gegen die Anahme des Erbes war. Aber ich habe nicht die leiseste Ahnung, was du dort für sie erledigen sollst. Lass uns mal in ihr Schlafzimmer gehen und im Safe nach dem Testament von Friedrich sehen!«
Wir verließen das Wohnzimmer und gingen durch den schier endloslangen Flur. Der Dielenboden knarzte bei jedem unserer Schritte. Auch hier roch es leicht muffig.
»Ich glaube hier ist ihr Schlafzimmer. Lass uns mal schauen!«
Ich öffnete die schwere Holztür. Mein Vater drückte den Lichtschalter. Wir standen tatsächlich in Salborghs Gemächern. Ihr Himmelbett stand in der Mitte des Raumes. Mein Blick wanderte über die Perserteppiche am Boden und dann über die hellblauen Wände hin zum Safe. Er war geöffnet. Auf dem Boden lag das Gemälde mit der Malteserhündin.
»Oh, nein! Schau mal! Die Einbrecher haben den Safe geknackt.«
Ich eilte schnell zum Safe, um zu überprüfen, ob er komplett ausgeräumt wurde. Ach und das noch!
»Und das Testament haben sie kurzerhand mitgenommen. Dann wissen wir jetzt auch, wonach sie gesucht haben. Das bedeutet, dass die offensichtlich darüber informiert waren, das Friedrich in seinem Testament wichtige Angaben zum Verbleib irgendwelcher Artefakte oder Ähnlichem gemacht haben muss. Oder zumindest, dass er im Besitz von irgendetwas gewesen sein muss.«
Mein Vater schaute mich entgeistert und ratlos an. »Was könnte das denn sein?«
»Mhm... er muss wohl doch irgendetwas unermesslich Wertvolles besessen haben. Aber warum in aller Welt versteckt er das ausgerechnet auf Teneriffa?«
In mir stellte sich plötzlich ein eigenartiges Gefühl ein. Eine Mischung aus Abenteuerlust und Nervenkitzel, die aber nicht der leichten Unterströmung von Angstgefühlen unterlagen. Mir gingen tausend Fragen durch den Kopf. Was in aller Welt könnte er verstecken? Warum soll gerade ich das Erledigen? Und wer in aller Welt ist noch hinter Friedrichs Sachen her? Langsam dämmerte mir, dass es sich bei Friedrichs Nachlass nicht um irgendeinen archäologischen Klimmbimm handeln konnte. Das hatte wohl auch mein Vater längst begriffen. Er saß auf Salborghs majestätischem Samtsessel und ließ seinen Blick durch den Raum schweifen.
»Tja, die haben jetzt zwar das Testament und wissen möglicherweise auch, wo sich die Sachen befinden, aber sie haben keinen Zugang zu dem Bankschließfach in Santa Cruz. Der Schlüssel liegt ja beim Notar.«
»Ich muss dorthin fliegen, Papa! So schnell wie möglich! Das bin ich den Beiden schuldig.«
»Ach Emie, ich weiß nicht. Mittlerweile denke ich doch, dass die ganze Sache ziemlich gefährlich werden könnte. Schließlich bist du jetzt offensichtlich nicht die Einzig, die hinter Friedrichs Erbe her ist. Was, wenn die Einbrecher auch schon unterwegs nach Teneriffa sind?« Er schaute sehr besorgt.
»Ich würde es mein ganzes Leben bereuen, wenn ich es nicht tun würde. Außerdem bin ich siebenundzwanzig und kann sehr gut alleine auf mich aufpassen. Was soll schon passieren, Daddy? Die werden mich sicher nicht gleich umbringen.«
»Du weißt wie das ist, mein Schatz. Als Vater mache ich mir eben meine Gedanken. Im Prinzip hast du ja Recht. Wer weiß, ob die bei dem Einbruch überhaupt das Testament gesucht haben. Vielleicht hatten sie es auch auf etwas ganz anderes abgesehen. Ich denke nicht, dass hier in dem Safe nur das Testament lag. Aber alleine fliegst du auf gar keinen Fall dorthin. Hast du gehört?« Jetzt schaute er mich mit seinem strengen Erzieherblick an. Meine Gedanken kreisten weiter. Auf seine letzte Frage ging ich nicht mehr ein, sondern rätselte weiter laut vor mich hin.
»Salborghs Sparbücher waren hier jedenfalls nicht deponiert. Die habe ich nämlich vorhin in der durchwühlten Kommode in der Galerie liegen sehen«, entgegnete ich ihm.
»Die sind wahrscheinlich sowieso leer. Wir wissen ja, wie es um die finanzielle Situation von Salborgh bestellt war. Emie, eins musst du mir aber wirklich versprechen: Bitte erzähle Mama nichts von dem Brief und der ganzen Sache. Sie würde sich nur unnötig Sorgen machen. Außerdem lässt sie dich auch nicht auf die Kanaren fliegen, wenn sie erfährt warum du dorthin musst.« Er runzelte seine Stirn.
»Keine Sorge, Papa! Ich werde ihr nichts sagen. Aber ich will unbedingt wissen, was ich für Friedrich erledigen sollte.«
*
Nachdem wir auch Friedrichs Refugium auf dem Dachboden inspiziert hatten, waren wir uns ziemlich sicher, dass die Einbrecher es tatsächlich auf das Testament abgesehen hatten. Friedrichs komplettes Obergeschoss war extrem verwüstet. Alle Bücher waren aus den Regalen geschmissen worden und die Schubladen sämtlicher Schränke waren durchwühlt worden. Etliche Porzellanfiguren, ein uralter, antiker Globus und unzählige, wertvolle antiquarische Bücher. Nichts davon schien im Fokus der Einbrecher gelegen zu haben. Hier standen etliche wertvolle Stücke, schier unangetastet. Ich wurde immer neugieriger. Die Sache reizte mich mehr und mehr. Unbedingt wollte ich wissen, was sich in dem Schließfach in Santa Cruz befand. Als wir wieder unten angelangt waren, warfen wir noch einen Blick in die Sparbücher. Mein Vater behielt Recht. Tatsächlich waren auf sämtlichen Konten nur noch Centbeträge.
»Ach schau mal, hier liegt Salborghs Geldbörse.« Mein Vater öffnete den Druckverschluss des hellbraunen Ledergeldportemonnaies und begutachtete mit prüfendendem Blick den Inhalt.
»Hier drinnen ist ihre EC-Karte. Auf dem Girokonto ist bestimmt das Geld, dass du für die Reise nehmen sollst. Auch eigenartig, dass sie dir dafür kein Konto eingerichtet hat. Naja, alte Leute machen manchmal unlogische Sachen. Er zog die Scheine aus dem Fach und zählte.
»Sechshundertsiebzig Euro. Da hast du schon mal das Taschengeld für Teneriffa!« Mein Vater grinste mich an. Und er wiederholte sich.
»Aber nicht, dass du dort ganz alleine auf die Suche gehst. Das wäre wirklich ein bisschen zu gefährlich.« Er blickte mich mit ernster Miene an.
»Nein, ich werde Anna fragen, ob sie mitkommen will. Sie hat doch auch Semesterferien und mit Sicherheit nichts gegen einen Urlaub einzuwenden.«
*
Zuhause angekommen konnte ich es kaum erwarten, Anna von meinem Vorhaben zu erzählen. Während Papa direkt zu Mama ins Wohnzimmer ging und ihr von unserem Besuch im Schloss berichtete, ging ich nach oben in mein Zimmer, um Anna anzurufen.
Anna sagte mir natürlich sofort zu. Sie wollte mich unbedingt begleiten. Zum Glück. Ich konnte einfach immer auf meine beste Freundin zählen. Wir freuten uns riesig auf die Reise nach Teneriffa. Salborgh hatte mir auf ihrem Girokonto eine stattliche Summe hinterlassen. Mit den fünftausendsiebenhundertzweiundzwanzig Euro hätten wir vier Wochen im luxuriösesten Hotel der Insel absteigen können. Wir entschieden uns trotzdem für eine kleine, gemütliche Ferienwohnung in Igueste de San Andres. Igueste de San Andres liegt im Nordosten Teneriffas, unweit der Inselhauptstadt Santa Cruz, am Rande des grünen Anaga-Gebirges. Wir hatten keine Lust auf eine typische Pauschalreise und wollten die Insel fern der Tourismushochburgen auf eigene Faust erkunden. Meiner Mutter erzählten wir, dass wir uns auf Teneriffa ein bisschen vom Unistress erholen wollten. Das war zumindest nicht gelogen und sie brauchte nicht besorgt sein. Zwei Wochen mussten reichen, um Friedrichs vermeintlichen Schatz ausfindig zu machen. Ich war unwahrscheinlich gespannt, was mich auf der Insel erwarten würde. Am nächsten Morgen buchten wir unsere Flüge und einen Mietwagen.
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