Erst nach dem vierten Versuch ging Lisa dran.
„Wer ist da?“, fragte sie mit schlafender Stimme.
„Er ist tot, Mama, er ist tot, Mama, er hat sich umgebracht“, weinte Melanie fürchterlich.
„Wer ist tot?“, fragte Lisa und sprang aus dem Bett, schon ahnend, wer tot war.
„Wanted ist tot, Mama, Mama, Wanted ist nicht mehr da, er ist weg. Ich kann nicht mehr, Mama, ich will nicht mehr, ich will auch weg.“
„Melanie, Melanie, warte, warte bitte. Wo bist du, mein Schatz?“, fragte Lisa.
„Mama ich kann nicht mehr, ich kann nicht ohne ihn, Mama, Wanted ist tot.“
„Warte, Liebling. Bleib ruhig. Ich bin gleich da, Liebling. Ich bin gleich da. Hast du verstanden? Warte Melanie, bleib ruhig. Deine Mama ist gleich da.“
Sie zog sich schnell eine Jeans und ein T-Shirt an und rannte aus dem Haus.
Im Auto dachte sie an Wanteds Wohnungsschlüssel. Er hatte ihr in der guten alten Zeit einen gegeben. Das könnte nun helfen, dachte sie und ging schnell wieder ins Haus.
Kurze Zeit später war sie bei Wanted. Sie klingelte und niemand machte auf. In Wanteds Schlafzimmer konnte sie aber Licht erkennen. Sie freute sich, dass sie doch den Schlüssel mitgenommen hatte. Sie machte schnell die Tür auf und rannte ins Schlafzimmer.
Was sie da sah, war kaum zu fassen. Das Bett und der Teppich waren mit Blut verschmiert. Melanie saß auf dem Teppich, an die Bettkante gelehnt. Sie hielt Wanteds Kopf in der Hand und drückte ihn an ihren Bauch.
Lisa schrie so laut, bis der Nachbar mehrmals an die Wand klopfte. Sie untersuchte Melanies Puls und den von Wanted. Wanted war schon sehr kalt, aber Melanie war noch nicht tot.
Lisa beeilte sich und rief sofort einen Krankenwagen und die Polizei an.
Alles fing ganz harmlos und sehr schön an.
Wanted, wie man ihn nannte, war ein 26jähriger Mann aus Kamerun, der im Alice-Hospital in Darmstadt sein praktisches Jahr als Mediziner machte. Sein richtiger Name war Tessi Bella.
Man nannte ihn Wanted, le recherché oder der Gesuchte, weil er als Schüler oft die Schule geschwänzt hatte und so war er dann der meist gesuchte Schüler gewesen. Niemand wusste wo er war und wohin er ging, wenn er nicht in der Schule war. Er wurde ständig von den Lehrern und seinen Eltern gesucht. Seine Kameraden nannten ihn deswegen Wanted.
Wanted war schon seit Jahren in Deutschland und war ein Lebe-Mensch. Mit seinen 1,92 Metern, seiner sportlichen Figur, seinem sehr charmanten Lächeln war er ein Liebling nicht nur von Frauen, sondern auch von Männern.
Er besuchte jeden Freitagabend einen Weinkeller in Darmstadt. Er lernte den Gastwirt und dessen Frau kennen, sie wurden bald Freunde, und nach einiger Zeit war er ein willkommener Gast des Hauses. Das Gastwirtpaar hatte eine Tochter, die mit einem jungen, erfolgreichen Rechtsanwalt verheiratet war. Durch den Gastwirt lernte er auch die Tochter und ihren Mann kennen.
Die Tochter hieß Lisa, sie war eine elegante Zahnärztin, 29 Jahre alt, und hatte eine neunjährige Tochter, Melanie, deren Hautfarbe aber dunkler war, als ihre und die ihres Mannes.
Sie war ein sehr hübsches Mädchen, sehr zurückhaltend, aber lustig.
Das Gastwirtpaar und ihre Tochter samt Mann wohnten auf dem gleichen Grundstück. Der junge Rechtsanwalt hatte sich ein schönes Architektenhaus ganz hinten gebaut.
Das Gelände war riesig, und das Kind konnte ungestört auf dem ganzen Hof spielen.
Wanted liebte es, nach der Arbeit in das Weinlokal zu gehen, wo er Flammkuchen und ein Glas Wein bestellte. Er wohnte direkt am Woog und zur Arbeit musste er nur die Landgraf-Georg-Straße überqueren und den kleinen Berg zur Mathildenhöhe hochlaufen und schon bald war er im Krankenhaus.
Das Mädchen war oft mit ihrer Mutter im Hof und Wanted machte immer einen kleinen Stopp bei ihnen und laberte irgendwelches Zeug mit der Frau und spielte kurz mit dem Mädchen.
„Du hast eine sehr schöne Tochter, sie ist fast so schön wie du, nur etwas hübscher“, sagte er einmal provozierend zu Lisa.
Lisa war eine sehr attraktive und intelligente Frau, die nur so vor Selbstbewusstsein strahlte. Sie war ca. 1,74 Meter groß, 70 kg schwer, mit sehr schöner Figur, mit schönen weiblichen Proportionen. Da sie auch sportlich war, konnte man in ihren engen Jeans den schönen, leicht runden, leicht ovalen, hochgesetzten und vor allem knackigen Po sehen.
Ihr Selbstbewusstsein zusammen mit ihrer starken Weiblichkeit machten aus Lisa eine sehr starke Frau. Sie strahlte einfach die Selbstsicherheit einer erfolgreichen Frau aus. Eine Frau, die ihren Wert kannte, die wusste, was sie wollte und wie sie es wollte. Dadurch sah sie noch fantastischer aus, ein faszinierendes Wesen.
„Wenn ich die Wahl hätte zwischen dir und deiner Tochter, humm... würde ich Schwierigkeit haben mich zu entscheiden. Einen Rat gebe ich dir, Lisa: mach in Zukunft keine Tochter mehr, die genauso schön ist, wie du“, sagte Wanted naiv, aber genau wissend welche Wirkung seine Wörter langfristig bei Lisa haben würden. Beide lachten über solche Scherze. Der Kontakt wurde immer enger zwischen Lisa, Melanie und Wanted, was Sebastian nicht gerne sah.
Wanted nutzte alle Gelegenheiten, um Zeit mit der Familie zu verbringen. So kam er ihnen immer näher und näher und war nun Melanies Lieblingsspielgefährte.
Die beiden verstanden sich sehr gut. Melanie, die normalerweise zurückhaltend war, war sofort hip, wenn sie nur die Stimme von Wanted hörte. Sie mochte gern mit ihm spielen, zeigte ihm ihre neuen Geschenke.
Lisa fand es toll, wie Wanted mit ihrer Tochter umging und wie gut das Melanie tat. Man sagt in Kamerun, willst du das Herz einer Mutter erobern, erobere das Herz ihres Kindes, und Wanted war dabei, Lisas Herz langsam aber sicher zu erobern.
Sebastian, Basti, wie er genannt wurde, Ehemann von Lisa und Vater von Melanie, war nicht immer so angetan. Sein männlicher Instinkt mochte das nicht. Er konnte die Gefahr riechen.
„Lisa, warum ist Tessi so oft hier die letzte Zeit? Hat er nix mehr zu tun?“
„Von wem redest du, Basti?“ antwortete Lisa naiv, als ob sie nicht wüsste worauf Basti anspielen wollte.
„Wie, von wem? Ich rede wohl vom Tessi.“
„Ha, du meinst Wanted?“
„Wanted ist mir zu familiär“, entgegnete Sebastian.
„Genau deswegen nenne ich ihn Wanted, und deine Tochter liebt den Namen und dessen Hintergrund“, antwortete Lisa provokant.
„Oh, so familiär seid ihr geworden“, mokierte sich Sebastian.
Lisa tat so, als ob sie nicht wüsste, was Basti damit meinte.
„Ja er besucht uns öfter und DEINE TOCHTERspielt gern mit ihm, er ist der einzige – außer dir – bei dem sie nur beim Anblick schon außer sich vor Freude ist. Das finde ich toll, da du kaum Zeit hast, mit ihr zu spielen.“ Bei den Worten ‚deine Tochter‘ war absichtlich eine tiefe Betonung zu hören.
„Oh, wie wunderbar. Ich glaube nicht, dass er nur wegen MEINER TOCHERMelanie hier ist.“
„Ich bin nun gespannt“, sagte Lisa, „glaubst du, er will uns beklauen oder, warte, ja… vielleicht will er Melanie entführen?“
Sebastian war einer dieser neuen Art von Männern, die sich „zivilisiert“ nennen. Er kam aus einer guten Familie, hatte nur private Schulen und danach eine top Uni in England besucht.
Seine Meinung über Gefühle teilte er ungern mit, da er somit seine Schwächen zeigen könnte. Eifersucht? Nee. Er eifersüchtig? Niemals. Er hatte doch die Macht über sich, sagte er sich. So konnte er in solch einer Diskussion nicht wirklich deutlich sagen, was er fühlte.
Die intelligente Lisa wusste gut Nutzen davon zu ziehen und ließ so Basti oft ins Leere laufen.
Der zog sich nach dieser Diskussion grimmig zurück in seine kleine Bibliothek, suchte eine Streitakte heraus und mit gerunzelter Stirn verschwand er in der Lektüre von Gerichtsfällen.
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