Zufrieden sah er sich noch einmal in dem Raum um und machte sich dann auf den Weg zum Ausgang. Er öffnete die Tür und trat nach draußen. Was war das? Da standen plötzlich alle seine Engelkollegen und klatschten und freuten sich!
„Was, was .... ist denn los? Werde ich denn nicht bestraft?“ fragte unser Engel etwas eingeschüchtert.
„Nein“, sagte der Oberengel. „Im Gegenteil. Wir beglückwünschen dich und befördern dich hiermit in den Kreis der Eingeweihten! Herzlich willkommen! Schön, dass du es endlich geschafft hast!“ Sprachlos vor Erstaunen sah sich der Engel in der Runde um. Aber tatsächlich: alle waren fröhlich, nickten ihm zu und reichten ihm die Hände. Er konnte es nicht fassen. „Ich weiß aber gar nicht, womit ich das verdient habe. Ich habe doch gegen ein Gebot verstoßen!“ machte er einen neuen Anlauf, um des Rätsels Lösung doch noch zu erfahren.
„Weißt du, das ist so:“ sagte der Oberengel und nahm ihn bei der Hand, „viele möchten hinter das Geheimnis des Lebens kommen, aber die meisten geben auf halber Strecke auf. Engel, so wie du, die Mut, Courage und den festen Willen haben, das Geheimnis des Lebens zu ergründen, werden eines Tages, wenn sie genug erfahren haben, Schlüsselwärter vor dieser Tür zum Zimmer, das die Geheimnisse in sich birgt. Es ist dann eine Frage der Zeit, wann sie endlich den Zauberschlüssel, den sie in den Händen halten, auch benutzen. Denn erst dann, wenn sie ihn aus freien Stücken benutzen, sind sie wirklich reif dafür, das große Geheimnis kennen zu lernen. Und du, mein Engel, bist jetzt reif für das Geheimnis des Lebens. Fortan kannst du diesen Raum jederzeit betreten und deine Kräfte auftanken! Mach' weiter so, sei ein guter Engel und ein gutes Vorbild! Und dazu wünschen wir alle dir viel Glück und Erfolg!“
Unser Engel war ganz gerührt, bedankte sich von Herzen bei seinen Engelkollegen und Tränen der Freude und Erleichterung liefen auf seinem Gesichtchen hinunter.
Die kaltblütige Schwester
Es war einmal vor langer, langer Zeit ein König, der von seinem Schloss aus das Land regierte. Der König galt als gutmütig und weise und war bei jedermann beliebt. Das Volk vertraute seinem König, und alle waren gerne Untertan. Und genauso gut, wie der König war, genauso schlecht war seine Schwester. Sie war im ganzen Land als Hexe verschrien, denn sie war kaltblütig, hinterhältig und gemein. Dem König gegenüber aber war sie recht zurückhaltend, denn sie wollte auf den Thron. Aber das wusste der König nicht und in seiner gutmütigen Art hätte er wohl daran auch nie im Leben gedacht. Eines Tages nun war der König mit seinem Gefolge und seiner Dienerschaft im Lande unterwegs, um zu seinen Untertanen zu sprechen.
Das nutzte die Schwester des Königs für ihre bösen Pläne aus. Sie kommandierte die verbliebenen Diener herum, befahl, ihr ganz viele Taler aus der Schatzkammer des Königs zu holen und scheuchte die Diener umher, um ihre Wünsche zu erfüllen. Das Schlimmste war, dass sie sich einige Leute mit den Talern Untertan machte und so die Macht im Schloss ausübte. Das führte dazu, dass bald die ganze Dienerschaft ihr blind gehorchte, denn ein jeder von ihnen sah nur noch die blitzenden Taler, die die Schwester des Königs bot. Die Stimmung auf dem Schloss war jedoch alles andere als gut, denn Missgunst, Neid, Eifersucht und Misstrauen kamen auf. Das einstige Verstehen und Vertrauen, das auf dem Schloss herrschte, als hier der König regierte, war bald völlig verschwunden. Alle wurden angesteckt von dem bösen Charakter von der Schwester des Königs.
Als der König nach einiger Zeit von seiner Reise zurückkehrte, fand er sich vor verschlossenen Toren seines eigenen Schlosses wieder und die Wachen wollten ihm nicht öffnen. Ja, sie zuckten nicht einmal mit der Miene, als der König in Sichtweite kam. Die Tore blieben verschlossen und der König verstand nicht, was hier vor sich ging.
„Was mag hier passiert sein während meiner Abwesenheit?“ fragte er seine Diener, aber eine Antwort konnte ihm keiner geben.
„Schwesterherz“, rief er deshalb zum Schloss hinauf, „was hab' ich dir getan, dass du mich so schlecht behandelst?“ Oben im Schloss öffnete sich ein Fenster und die Schwester des Königs steckte den Kopf heraus.
„Eigentlich hast du mir nichts getan. Ich möchte nur etwas von deinem Reichtum abhaben. Und das habe ich mir jetzt genommen. Es steht mir zu. Außerdem hast du lange genug hier regiert. Es wird Zeit, dass die Verhältnisse sich ändern. Wenn du hier wieder wohnen willst, kannst du das gerne tun, aber nur, wenn du mir einen Vertrag unterzeichnest, dass alles mir gehört und du keine Ansprüche mehr erhebst. Auch nicht auf den Thron!“ Die Gefolgschaft des Königs war zutiefst empört über diese Rede seiner Schwester. Alles hatten sie erwartet – aber nicht diese Grausamkeit gegen den eigenen Bruder.
„Wie du willst, Schwester“, sagte der König. „Von mir aus kannst du auf dem Schloss regieren, solange du willst. Du kannst auch die Taler verbrauchen, wenn du möchtest. Aber eines wirst du nicht schaffen: Dir wird es nicht gelingen, dir das Volk Untertan zu machen, denn das Volk ist gut und alle kannst du mit Geld nicht bestechen. Also ist es nur eine Frage der Zeit, wann deine Regierung zu Ende ist. Bis jetzt hat noch immer das Gute gesiegt und so wird es auch in Zukunft sein!“
Und die Gefolgschaft des Königs applaudierte ihm zu dieser Rede, die allen aus der Seele sprach. Der König kam in einem Gasthaus unter und alle wollten ihm gern behilflich sein, so dass er wieder die Regierung übernehmen konnte. Lange Zeit fiel ihm nichts ein und so verstrich die Zeit.
„Wir wollen uns das Schloss im Kampf erobern?“ fragten die Untertanen. „Wir stehen zu dir!“ Aber von Krieg war der König gar nicht begeistert.
„Wollen wir ein Feuer legen und sie ausräuchern?“ war eine nächste Idee. Aber auch davon war der König nicht begeistert, denn er wollte Hab und Gut schützen und niemandem weh tun.
Eines lauen Sommerabends saß der König vor dem Gasthaus und genoss die Milde des Abends, als ein langer Trupp Wagen die Straße herunter kam, die direkt zum Schloss führte. „Was soll das?“ fragte der König, aber keiner konnte ihm diese Frage beantworten. „So einen langen Wagentrupp habe ich hier bei uns noch nie gesehen!“ rief der König. „Das muss ich mir näher ansehen.“ Er schwang sich auf sein Pferd und ritt dem Trupp entgegen. Seine Diener folgten ihm. „Halt!“ sprach der König, als er den Trupp erreicht hatte. „Was macht ihr hier?“ fragte er den Mann, der an der Spitze des Zuges ritt.
„Wir bringen Verpflegung und Kanonenkugeln für die Königin. Bitte lasst uns durch, “ sprach der Mann.
„Gern“, sprach der König und machte kehrt in Richtung Gasthaus.
„Aber König, wie kannst du den Trupp hindurch lassen? Es ist doch offensichtlich, dass deine Schwester Krieg gegen uns führen will. Wie kannst du sie dabei noch unterstützen?“ fragten die Diener.
„Aber ich unterstütze sie doch gar nicht“, meinte der König und fing an, sich andere Kleider anzuziehen. „Wir werden uns einen Wagen nehmen und uns unauffällig mit in den Trupp mischen. Auf diese Weise gelangen wir in das Schloss!“ Und alle waren von dieser Idee des Königs begeistert und stimmten sofort dem Plan zu. So reihten sich der König in Verkleidung und seine Mannen unter den Trupp und kamen unerkannt ins Schloss. Dort angekommen, machten sie sich sofort auf den Weg zu den Gemächern der Schwester. Die Diener, die sich unterwegs trafen, schlossen sich ihnen sofort an, denn alle waren mittlerweile froh, den König zu sehen, da alle der Knechtschaft überdrüssig wurden und auch keinen Krieg wollten. Ohne anzuklopfen drangen sie in die Gemächer der Schwester ein. Dieser erschrak sehr, rief nach ihren Dienern, aber es hörte keine mehr zu, denn alle hatten sich bereits auf die Seite des Königs und damit auf die Seite des Guten geschlagen. „Du hast leider keine Chance mehr“, sagte der König ein wenig wehmütig.
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