Da ich der niederländischen Sprache mächtig bin, werde ich ab und zu für eine Belgierin gehalten. Eine Deutsche, die Niederländisch spricht, ist für manche Einheimischen ein Kulturschock. Ich oute mich dann meist vergnügt als Mof, was immer zu einem überraschten Gelächter führt. Ich empfehle dies allerdings nicht zur Nachahmung! Wenn Sie dies falsch betonen oder ihr Gesicht nicht zu hundert Prozent deutlich macht, dass es sich hierbei um einen Spaß handelt, könnten Sie für einen Nazi gehalten werden. (Mof ist ein abfälliges Wort für Deutsche, welches im zweiten Weltkrieg, in der niederländischen Umgangssprache, mit Nazi gleichgesetzt wurde.) In einem Coffeeshop in Rotterdam, antwortete mir die Bedienung auf Englisch mit niederländischem Akzent, obwohl ich sie auf Niederländisch ansprach. Ich denke sie hielt mich für eine Limburgerin und obwohl ich keine bin, fühle ich mich bis heute dadurch irgendwie beleidigt. Ich denke dies benötigt einer kurzen Erklärung. Limburg ist ein „Bundesland“ der Niederlande. Die Limburger sprechen, im Gegensatz zu den Holländern, ein sehr weiches Niederländisch. Sie werden daher oft als halbe Deutsche verspottet. Für mich gab es nun nur zwei Gründe dafür, mir nicht auf Niederländisch zu antworten. Entweder sie hielt mich für eine Deutsche, die sie nicht mochte oder für eine Limburgerin, die sie nicht mochte. Wenn ich aus meinem Fenster sehe, lacht mich Limburg aus ein paar hundert Meter Entfernung an. Ich fühle mich wie ein Drittel Limburger, ich habe also auch das Recht mich mindestens ein Drittel beleidigt zu fühlen.
Feux? oder Briquet?
Französisch hört man täglich in den grenznahen Coffeeshops, denn Belgien, liebevoll auch Belgistan genannt, ist nur einen Katzensprung weit entfernt. Belgistaner sprechen übrigens kein Niederländisch, sondern Vlaams, nicht zu verwechseln mit Vla, das ist ein Pudding. Ich habe mit einigen Belgiern Niederländisch gesprochen und sie anscheinend Vlaams mit mir, verzeihen Sie mir bitte, aber ein Unterschied ist mir nicht aufgefallen. Coffeeshoptouristen, die keiner dieser Sprachen mächtig sind, findet man normalerweise in den größeren Städten, aber hin und wieder verirrt sich mal ein kleiner Entdeckertrupp in einen Kleinstadtshop. Diese Leute kiffen schon Jahre oder Jahrzehnte und waren noch nie in den Niederlanden. Sie freuen sich wie Kinder an Weihnachten.
Im Notfall können Sie sich auch mit Händen und Füßen verständigen, man weiß schließlich was Sie hier wollen: Cannabis. Ein Taubstummer kam eine Zeit lang regelmäßig in den Shop, er hatte keine Probleme damit die Sorte zu kaufen, die er favorisierte. Er konnte übrigens gut von den Lippen lesen, jedoch nur Niederländisch.
Fast hätte ich das Türkische vergessen. Bir alman sana sorarsa bu cünleyi tercüme edermisiniz o na deyinki herseyi bilmek iyi degildir .
Sie hören es gibt eine große Vielfalt, wenn Sie bei der lauten Musik noch genug mitbekommen, können Sie vielleicht noch etwas lernen. Als ich diese Seite noch einmal durchlese, setzen sich, lustiger Weise, zwei Männer an den Nachbartisch und fangen vergnügt an auf Polnisch zu quasseln.
DIE UNENDLICHE GESCHICHTE DES QUASSELKÖNIGS
Während ich diesen Satz schreibe, höre ich den Quasselkönig reden.
Er ist ein guter lieber Mensch und er ist nicht dumm, aber er redet ohne Unterbrechung. Er spricht gerne über seine Arbeit und er geht liebend gerne ins Detail. Wenn Sie an einer kostenlosen beruflichen Weiterbildung interessiert sind, hören Sie ihm einfach aufmerksam zu. Manche Quasselkönige reden auch gerne über Politik, ob Ihnen diese Gespräche gefallen, hängt jedoch davon ab, ob Sie seine politischen Ansichten wenigstens Ansatzweise teilen. Sie werden nämlich keine Diskussion mit ihm führen, da er Sie nicht auch nur einen Satz zu Ende sprechen lässt!
Der Quasselkönig hat sich neben mich gesetzt und erzählt dem Rest des Tisches irgendetwas von Säcken. Erst wenn Sie Monate lang neben so einem Menschen gesessen haben, verstehen Sie die wahre Bedeutung der unendlichen Geschichte.
Wie in Kapitel 1 erwähnt, gibt es drei Arten der Kommunikation in einem Coffeeshop: Erzählen, Diskutieren und Labern. Nach der Begrüßung wird meistens etwas erzählt. Was ist so in der Welt passiert, wie geht es einem selbst und was für einen Unfug machen Freunde und Verwandte. Desto mehr Leute an einem Gespräch teilnehmen, desto größer ist die Chance auf eine Diskussion. Durch die beruhigende Wirkung des Cannabiskonsums, werden diese Gespräche jedoch höchstens hitzig, einen fliegenden Aschenbecher oder vergleichbares hat es hier noch nie gegeben. Diskutiert wird über Gott und die Welt. Durch das Aufeinandertreffen völlig verschiedener Menschen, entstehen oft sehr interessante und amüsante Diskussionen. Ich sprach mit zwei Männern über die atomare Aufrüstung des Nahen Ostens. Der eine war strikt dagegen, der andere war dafür. Ich steuerte zum Gespräch bei, dass die USA das einzige Land auf der Erde ist, das jemals Atombomben im Krieg eingesetzt hat. Der Befürworter sagte, der Nahe Osten hat viel mehr Grund Angst vor den USA zu haben, als anders herum. Ich fragte beide, ob es nicht eine Lösung sei, wenn gar keiner atomare Waffen besäße. Wir konnten uns darauf einigen und eine Minute später, sprachen wir über etwas völlig anderes. Das Thema wurde mit dem Satz beendet: Dann hauen wir uns einfach so auf die Fresse. Wir lachten alle, nahmen einen Schluck von unseren Getränken und die Welt drehte sich weiter.
Wenn nun der Quasselkönig auf einen Konkurrenten trifft, gibt es einen epischen Quasselkrieg. Man muss sich gar nicht streiten, im Endeffekt gewinnt derjenige, der dem anderen öfters ins Wort fällt. Wenn Sie nun ihren Lokalmatador sehen, wie er seinen Herausforderer in Grund und Boden quasselt, müssen Sie sich nicht schämen, so etwas wie Stolz zu empfinden. Der Sieg über einen anderen Quasselkönig, hebt ihn empor zum Quasselkaiser.
Gelabert wird viel, aber damit möchte ich Sie nicht foltern.
Prinz Valium ist der wahre Lokalmatador des Coffeeshops. Er sitzt wie immer auf seinem Stammplatz, raucht und ist still. Seltsamerweise ist er völlig immun gegen den Quasselkönig. Prinz Valium kann etwas, dass viele Menschen mit der Zeit verlernt haben, er kann abschalten. Er raucht seinen ersten Joint zu Ende und danach macht er erst mal nichts. Dazu ist er hier, er kann das gut und er macht es gerne und einer muss ja schließlich machen. Aus seiner Bewegungsstarre begibt er sich zwar, um andere Besucher zu grüßen, doch dies ist, neben dem rauchen, seine intensivste Bewegung. Er hat alles was er braucht: Gras, einen Bong, ein Brettchen, zwei Dosen Cola und Feierabend. Bevor er den Laden verlassen will, wird er nicht mehr aufstehen. Sie legen sich an den Strand, machen Yoga oder gehen ins Stadion, Prinz Valium raucht sich einen Joint und lässt den lieben Gott einen guten Mann sein.
Nach dem zweiten Joint beschließt er weiterhin nichts zu tun, so in sich selbst vertieft erscheint er schon fast autistisch. Ich kann Ihnen nicht sagen, worüber diese Menschen nachdenken, aber ich persönlich halte denken für interessanter, als so manches Fernsehprogramm. (Es nervt das Fernsehprogramm und wie es nervt!) Man ist doch ein erwachsener Mensch, hat man nicht das Recht dazu einfach nur dazusitzen und glücklich zu sein? Obwohl Prinz Valium, mit eiserner Faust, so wenig spricht wie möglich, ist er bei jedermann beliebt. Dies trifft ebenfalls auf die Damenwelt zu. Es sind nicht nur die Dinge die man sagt, sondern auch diejenigen, die man nicht sagt. Dies macht einen Menschen sympathisch oder auch nicht.
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