Sharon Lee
ENDE DER SCHULD
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Inhaltsverzeichnis
Titel Sharon Lee ENDE DER SCHULD Dieses ebook wurde erstellt bei
Emilia Rodriguez Emilia Rodriguez Was dem einen Nektar ist, ist dem anderen Gift. ( D. H. Lawrence) 1 Die Tasse Minze-Tee mit beiden Händen umschlungen, sass Emilia Rodriguez am Bistrotisch direkt am Fenster. Noch müde von der durchzechten Nacht, liess sie ihren Blick nach draußen gleiten. Es war ein typischer Samstag an der Hauptverkehrstrasse in der Zürcher Innenstadt. Neugierig wurde sie, als eine Limousine auf den Besucherparkplatz eines Nachbarhauses einbog. Sie beobachtete, wie zwei Personen aus dem Wagen stiegen. Zu ihrer Verblüffung erkannte sie die beiden sofort. Zwei Wochen später war Emilia Rodriguez tot. 2
Die Tote im Wald
Der Auftrag
Mordverdacht
Die Akte der Mutter
Spuren und kein Beweis
Identität
Ausflug mit Todesfolge
Mitarbeiterlunch
Das Geheimnis
Eine Beobachtung
Schachmatt
Szeneclub
Schweigen der Kollegen
Bella Donna
Der Dealer
Bitter im Nachgeschmack
Tod der Nachtigall
Anonymer Brief
Einladung mit Folgen
Späte Reue
Unter Druck
Kokain und Wut
Ohne Beweis
Noch ein Mord
Todesangst
Ende des Spiels
Impressum neobooks
Was dem einen Nektar ist,
ist dem anderen Gift.
(D. H. Lawrence)
1
Die Tasse Minze-Tee mit beiden Händen umschlungen, sass Emilia Rodriguez am Bistrotisch direkt am Fenster. Noch müde von der durchzechten Nacht, liess sie ihren Blick nach draußen gleiten. Es war ein typischer Samstag an der Hauptverkehrstrasse in der Zürcher Innenstadt.
Neugierig wurde sie, als eine Limousine auf den Besucherparkplatz eines Nachbarhauses einbog. Sie beobachtete, wie zwei Personen aus dem Wagen stiegen.
Zu ihrer Verblüffung erkannte sie die beiden sofort.
Zwei Wochen später war Emilia Rodriguez tot.
2
In Ravensbühl, einem Weiler im Zürcher Oberland, lebte die berühmte Detektivin Carla Fuchs. Das Landhaus mit dem gepflegten Blumengarten lag nahe dem finsteren Tannenwald und verfügte über drei stattliche Schlafzimmer und damit über ausreichend Platz.
Seit fünfundzwanzig Jahren lebte und arbeitete Detektivin Fuchs alleine in dem 300-jährigen Haus – und genau das sollte sich mit dem Einzug ihrer Nichte ändern. Das Gästebett war frisch bezogen, das Zimmer bereit für Romy Rossis Einzug.
In feierlicher Vorfreude hatte Fuchs sämtliche Vorkehrungen getroffen, das Haus von oben nach unten durchgeputzt, den Keller aufgeräumt, die Gardinen gewaschen und gebügelt und die Fensterscheiben poliert. Die Landluft würde ihrer Nichte gut tun und das neue Zuhause womöglich eine entscheidende Wende in ihr Leben bringen.
Carla Fuchs hingegen konnte es kaum erwarten, die bevorstehende und von langer Hand geplante Reise durch den fernen Osten anzutreten. Zwei Mal bereits hatte sie dieses Abenteuer aus beruflichen Gründen aufschieben müssen. Doch vielleicht hatte dies alles seinen Sinn gehabt: drei Mordfälle hatte sie aufgeklärt und andere Verbrechen verhindert. Nun war ihre Nichte erfahren genug, um sie in der Detektei würdig zu vertreten.
Romy Rossi bewunderte ihre Tante für ihr unermüdliches Schaffen und hegte seit jeher den Berufswunsch, eine hervorragende Detektivin wie Carla Fuchs zu werden. Charakterlich kam Romy Rossi nach ihrem Vater, der in Süditalien eine Anwaltskanzlei führte. Sie verfügte über Biss, war hartnäckig und genauso stur, wenn es um die Verfolgung ihrer Ziele ging.
Romy Rossi lebte sich schnell ein in Ravensbühl. Der Umzug ins Zürcher Oberland fühlte sich richtig an und in Tante Carlas Haus kam sie alleine bestens zurecht. Vergnügt wippte sie im Schaukelstuhl. Spontan schnappte sie sich eine der Zeitungen vom Stapel und begann, sich darin zu vertiefen.
Unter den Kurznachrichten überflog sie einen Artikel: Die 84-jährige A.B. (Name der Red. bekannt) wurde am Mittwoch tot in ihrer Wohnung an der Stampfenbachstrasse aufgefunden. Zeugen werden gebeten, sich bei der örtlichen Polizeistelle zu melden.
Nachrichten aus Sport und Politik überblätterte sie und stellte fest, dass die Zeitung bereits zwei Wochen alt war.
Anschließend holte sich einen Kaffee aus der Küche und gönnte sich drei Stück von der Patisserie, die sie am frühen Morgen im italienischen Spezialgeschäft besorgt hatte.
Kaum hatte sie sich an den Schreibtisch gesetzt, klingelte das Telefon.
„Detektei Carla Fuchs“, meldete sie sich.
Eine Männerstimme verlangte, Carla Fuchs zu sprechen.
«Wollen Sie sie beruflich sprechen?»
Als er ihre Frage bejahte, erklärte sie: «Frau Fuchs ist für längere Zeit abwesend, ich vertrete sie.»
Der Herr, der sich inzwischen als Sebastian Peckard vorgestellt hatte, erzählte Rossi vom Verschwinden einer Mitarbeiterin. Er behielt sich vor, die Einzelheiten nicht am Telefon zu besprechen, betonte jedoch, die Sache sei ihm wichtig: «Ich schlage vor, wir treffen uns morgen Abend in Zürich, um die vertraglichen Details zu besprechen.»
Ehrgeizig wie sie war, betrachtete sie den Anruf als ein willkommenes Geschenk und willigte ohne jegliche Bedenken ein. Ihre Fragen liess er allerdings unbeantwortet. Nur einen einzigen Hinweis erhielt sie von ihrem Auftraggeber: sie solle sich doch den Zeugenaufruf der Kantonspolizei Zürich, der eben online aufgeschaltet worden sei, anschauen.
Peckard erwähnte lediglich: «Möglicherweise handelt es sich bei der Toten um meine Mitarbeiterin.»
Rossi blieb nichts anderes übrig: sie schnappte sich ihren Laptop, um anhand der wenigen Informationen, die sie von Sebastian Peckard erhalten hatte, zu recherchieren. Auf der Online-Seite «Polizeinews» stieß sie sofort auf eine Todesmeldung, die durch die Kantonspolizei Zürich erst vor einer Stunde publiziert worden war.
Tote im Wald. Polizei sucht Zeugen.
Am Samstagabend des 13. August wurde eine jüngere Frau in einem Waldstück im Zürcher Oberland tot aufgefunden. Die Identität ist derzeit noch unklar. Fremdeinwirkung kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht ausgeschlossen werden.
3
«Guten Abend, schöne Frau.»
Romy Rossi hatte ihn aufgrund ihrer vorgängigen Recherchen sofort erkannt und reichte Sebastian Peckard zur Begrüßung die Hand. Auch Peckard wirkte vorbereitet, beinahe so, als würden sie ein vertrautes Verhältnis pflegen.
Der Schein mochte trügen, doch fürs Erste gewann sie den Eindruck, Sebastian Peckard sei ein gepflegter Mann aus der gebildeten Gesellschaftsschicht, ein tadellos gekleideter Herr mit feinen Händen und sauberen Fingernägeln.
Er setzte sich mit einem Lächeln gegenüber von Romy Rossi an den Tisch.
«Erzählen Sie mir von sich und wie Sie zu der Ehre kommen, Detektivin Fuchs in ihrer Detektei zu vertreten?»
Sie erzählte ihm von ihrem Kriminalistik-Studium, ihrem Praktikum in der Anwaltskanzlei ihres Vaters in Italien und berichtete von der Reise ihrer Tante Carla. Rossi war im Tessin aufgewachsen und nach der Scheidung ihrer Eltern bei ihrer Mutter in der Schweiz geblieben. Ihr akzentfreies Deutsch, begründete sie auf seine Nachfrage mit ihrer deutschsprachigen Mutter, die viel Wert darauf gelegt hatte, dass Romy neben dem Italienisch, Schulfranzösisch und Englisch, ein perfektes Deutsch spreche. «Um Menschen zu kennen, musst du ihre Sprache verstehen», pflegte ihre Mutter stets zu sagen. Peckard pflichtete ihr bei und zeigte sich angetan von Rossis sprachlicher Begabung, wo er selbst neben dem Schweizer Dialekt nur die deutsche Sprache sprechen und auch diese nur halbwegs beherrschen würde.
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