1 ...6 7 8 10 11 12 ...17 Es waren viele Farsach, bis dorthin. Wenn man bedenkt, dass man für einen Farsach über eine Stunde Fußmarsch brauchte, so wussten wir, was auf uns zukam. Es würde noch ein beschwerlicher Weg bis dorthin werden. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass wir erst dort außer Gefahr sein würden, aber absolut sicher konnten wir nirgends sein. Gleichermaßen hatte ich das Gespür, dass sich ein Suchtrupp auf unserer Fährte befand. Alleine diese Furcht nötigte mich, zum Aufbruch zu drängen. Target schützte zwar Müdigkeit vor, doch zogen wir bald den Berg hinab.
Der Durst fing an, uns zu quälen, als wir zum Ausläufer der Schlucht gelangten, die uns den Berg hinab ins Tal geleitet hatte. Die Schritte wurden immer kürzer. Aber das war nicht das eigentlich Schlimme. Unsäglicher waren die Gedanken und die Hoffnungslosigkeit, die uns in dieser Situation befielen. Man glaubt, alles sei sinnlos. Man sieht Dinge, sich in nichts auflösen, sobald man näher kommt. Das lässt einen zunehmend an sich selbst zweifeln. Ist es wahr, was man sieht, oder pure Einbildung?
Dort am Fuße des unwirtlichen Berges staunte ich nicht schlecht, was ich plötzlich zu sehen bekam.
Als wir um eine Biegung kamen, empfing uns eine kleine grüne Oase. Ungläubig rieben wir uns die Augen. Erneut traute ich ihnen nicht. In einem sonnengeschützten kleinen Tal, wurde Landwirtschaft betrieben. Wir erspähten ein Getreidefeld, welches prächtig zu gedeihen schien. Ein Netz von kleinen Wasserkanälen durchzog das Feld. Eingesäumt war es von verschiedenen Obstbäumen und Palmen. Ich erblickte Orangen und Zitronenbäumen. Auch Datteln und Feigen waren vorhanden. Am Rande der kleinen Oase entdeckte ich auch den Grund für dieses natürliche Kleinod.
Damals war ich äußerst überrascht, so eine Oase zu finden. Doch heute weiß ich, dass das ganze weite Persien ein Land der Kontraste ist. In einem engen Gebirgstal wie dort, findet man Apfel- oder Pfirsichbäume, während ein kleines Stück weiter Dattelpalmen oder Orangenbäume wachsen. Oft sah ich mit eigenen Augen, dass Wüstensand, oder karges und ödes Gestein, nur durch eine Lehmmauer von dem fruchtbaren Garten getrennt war. Diese Oase kam uns dem Paradies gleich.
Die Kanäle wurden von einem Brunnen gespeist, der sehr einladend auf uns wirkte. Diese Bewässerungskanäle waren für den Anbau von Obst und Getreide unerlässlich. Ansonsten wären viele Menschen verhungert und verdurstet. Um das kostbare Nass vor dem Verdunsten zu schützen, wurde ein teils unterirdisches Kanalsystem entwickelt. In ganz Medien waren sie zu finden, wie auch in anderen Ländern.
Sofort steuerten wir durstig darauf zu. Das Pferd war nicht mehr zu halten, da es das Wasser roch. Wir waren ebenfalls vom Durst geblendet und deshalb unvorsichtig.
Die Strafe dafür folgte auf dem Fuß. Ein Pfeil kam unverhofft aus dem Nichts und verfehlte mich nur knapp. Er bohrte sich genau vor meinen Füßen in das Gras.
»Stehen bleiben, sonst seid ihr des Todes.«
Die Stimme kam energisch hinter einem Felsen hervor. Target und ich blieben sofort stehen. Nur dem Pferd waren die Worte egal. Es tat sich gütlich am Kühlen.
Target und ich richteten unser Augenmerk in jene Richtung, aus der die Stimme zu hören war, aber es war niemand zu sehen. Dennoch zweifelte ich keineswegs an seiner Drohung. Es war ihm sicherlich ernst mit dem Schutz seines Anwesens.
Der Mann hatte uns auf Farsi angesprochen. Auch ich sprach Persisch neben Medisch, da ich ja unter Medern aufgewachsen war. Außerdem hatten mir meine Eltern Assyrisch beigebracht. Doch nun gab es niemanden mehr, mit dem ich mich in der Sprache meines Volkes unterhalten konnte. Ich gehorchte dem Befehl und antworte ihm ebenfalls auf Farsi.
»Wir sind nur müde Wanderer, die sich an eurem Brunnen erquicken wollen. Ihr werdet uns doch kein Wasser verwehren?«
Ohne darauf zu antworten, trat hinter einem Felsen ein älterer Mann von kleiner Statur hervor. Seine Kleidung war bäuerlich einfach. Seinen Bogen hielt er noch immer schussbereit auf mich gerichtet.
»Seid ihr alleine?«, wollte er wissen.
»Ja,« antwortete ich.
»Was wollt ihr hier und wo kommt ihr her?«
»Das Herr, werden wir dir erzählen, wenn du die Waffe nicht mehr auf uns richtest und wir Wasser getrunken haben.«
Es hatte wohl Eindruck auf ihn gemacht, dass ich ihn, einen einfachen Bauern, einen Herrn nannte. Ihm war auch nicht entgangen, dass wir unbewaffnet waren. Offenbar war es mir gelungen, ihn von unserer Harmlosigkeit zu überzeugen. Daraufhin senkte er seinen Bogen und rief Anweisungen, ohne uns aus den Augen zu lassen.
»Dedakas und Beketes, seht nach, ob ihnen jemand gefolgt ist.«
Wie aus dem Nichts erschienen plötzlich zwei junge Männer, die anscheinend des Bauern Söhne waren. Eilig liefen sie mit gespanntem Bogen den Weg hinauf, den wir gekommen waren.
Nach einiger Zeit kamen sie zurück und stellten sich zu ihrem Vater. Dass sie die Söhne waren, war nun zweifelsfrei zu erkennen. Ihre Bekleidung war ebenfalls schlicht, wie ein Bauer sie in dieser kargen Gegend trug.
»In Ordnung, ihr könnt Wasser haben, so viel wie ihr wollt. Wir haben hier eine unerschöpfliche Quelle, die direkt aus dem Berg gespeist wird.«
Dies ließen wir uns nicht zweimal sagen.
Nachdem wir uns am kühlen Wasser gelabt hatten, ging es uns merklich besser. Der Bauer wies uns mit einem kurzen Fingerzeig an, in einer schattigen Ecke Platz zu nehmen. Wir bedankten uns. Jetzt lockerte sich des Bauern Gemütszustands und er stellte sich uns vor.
»Entschuldigt unseren unfreundlichen Empfang. Normalerweise sind wir gastfreundlich, doch treibt sich in letzter Zeit viel räuberisches Gesindel herum. Deshalb können wir nicht vorsichtig genug sein. Mein Name ist Mithrakas und dies sind meine Söhne Dedekas und Bekeles. Und da kommt meine Frau Kamani.«
Er zeigte auf eine alte Frau, die gebückt aus der sicheren Hütte trat. Ihr ungekämmtes langes Haar hing ihr wirr bis auf den Rücken hinab. Sie trug eine Schüssel und beachtete uns kaum. Nur mit einem kurzen Nicken zeigte sie an, dass sie uns wahrgenommen hatte. Ihr Schritt führte sie zu einem Ofen. Dieser kreisrunde Ofen war zum Brotbacken bestimmt, hatte in der Mitte einen Bauch und war nach oben durch eine schmale runde Öffnung frei. Den Teig, den sie zu flachen Fladen geformt hatte, führte sie mit der rechten Hand von oben hinein und deponierte sie so an der Innenseite, dass sie kleben blieben. Nach einer gewissen Zeit holte sie die Fladenbrote mit der bloßen Hand einfach aus dem heißen Ofen heraus, indem sie diese von der Innenwand löste. Als ich später ihre rechte Hand betrachtete, erkannte ich, dass sie durch diese ständige Tätigkeit in der Hitze ganz runzelig geworden war.
So erhielten wir frisches Brot gebacken, welches wir uns gierig einverleibten. Dazu servierten sie uns Früchte und andere Erzeugnisse, die in ihrer Oase gediehen.
Nun waren wir an der Reihe, uns dem Gastgeber vorzustellen. Ich hatte ein ungutes Gefühl dabei, ihn zu belügen, da er uns mit Essen versorgt hatte, doch widerstrebte es mir ebenso, uns ihm als Mörder und entflohene Sklaven zu offenbaren. Das Wort führte ich, weil Target wieder in seine stumpfe Schweigsamkeit verfallen war.
»Mirza Mithrakas,« begann ich. Ich sprach ihn mit der allgemeinen persischen Bezeichnung Mirza für Herr an. Damit wollte ich ihn gütlich stimmen.
»Dies ist mein Onkel Target und ich bin Luskin. Ich stamme aus Ekbatana und wir waren auf dem Weg nach Raga, wo ich auf Brautschau bin. Doch leider wurden wir unterwegs von Räubern überfallen. Sie raubten uns alles, was wir dabei hatten. Ein Pferd ließen sie uns. Wir konnten froh sein, dass sie uns das Leben schenkten. Mirza Mithrakas, wir sind dir jedenfalls sehr dankbar, dass du uns zu essen und trinken gabst. Wir wollen nicht undankbar sein, aber wir müssen bald weiter, da wir in Raga erwartet werden.«
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