Der Schütze bringt es ans Licht. Und er bringt das ans Licht, was an festen geistigen Bildern – erinnern Sie sich bitte an das frühere Beispiel mit dem Fotografen – was an festen, geistigen Bildern unentwickelt, also unbelichtet, ohne im Licht stehend im Skorpion entstanden ist. Diese festen geistigen Bilder werden jetzt, und sie stellen sozusagen einzelne Puzzleteile des Gesamtbildes dar, ans Licht gebracht. Sie werden sichtbar gemacht und veranschaulicht. Und in einem Bild - denn wir sind immer noch im dritten Quadranten und da geht es nur um Bilder, um Abbilder des Wirklichen - zu einem Gesamtbild zusammengesetzt oder sehr sinnvoll gesagt zusammengefügt.
Es gibt den alten, wesentlichen, wichtigen Begriff der Fügung, meistens gebraucht im Zusammenhang mit dem Schicksalsbegriff. Fügung des Schicksals. Das Fügen heißt im Grunde genommen zusammensetzen - es kommt aus dem Begriff der Fuge, sowohl musikalisch betrachtet - denken Sie an Johann Sebastian Bach oder denken Sie einfach ans Handwerkliche, wenn Stein an Stein gesetzt wird und Fugen abgedichtet werden. Alles das heißt ein Zusammensetzen von Einzelteilen. Fügen bedeutet das Zusammensetzen von Einzelteilen. Und im Sinne des Schützen am Licht oder im Licht, dass aus den Einzelteilen zusammengesetzt ein sichtbares zusammengesetztes gefügtes Bild ergibt. Ein zusammengefügtes Bild, was sichtbar ist, genau dieser Vorgang, diese Situation, erbringt oder ergibt Sinn. Der Schütze, das steht sogar auf den kleinen Zuckerstückchen, der Schütze sucht nach dem Sinn des Lebens. Dann sind es allerdings schon ziemlich gehaltvolle Zuckerstückchen, muss ich sagen, wenn das so darauf beschrieben steht. Man kann sagen, der Schütze sucht nach dem Sinn, auch für das Leiden, was er im Skorpion erfahren hat.
Aber diese Suche nach dem Sinn, die erst mal nichts weiter als eine Beschreibung ist, wird durch den Schützen dadurch erbracht, dass er die Einzelteile, die er im Skorpion gefunden hat, die Einzelteile des Leidens, wenn man so will, zu einem sichtbaren Bild zusammensetzt. Und in der Sichtbarkeit des gesamten Bildes erscheint der Sinn. Der Sinn, den ein Mensch im Leben sucht, ist nichts anderes als der Versuch, die einzelnen Teile, die einzelnen Lebensabschnitte des Leidens - die einzelnen Lebensabschnitte, in denen gelitten wurde - zu einem Gefüge zusammenzubauen, das dann Sinn macht. Der Schütze sucht nicht nur nach dem Sinn, sondern er sucht, und das ist auch das Wesentliche, was er auch an Merkmalen, nach denen er suchen kann, zur Verfügung hat, er sucht nach dem Sinn des Leidens in seinem Leben. Und das ist für viele Jupiter- oder Schütze-betonte Menschen oft zunächst das Allergrößte, was sie erreichen können. Wenn sie den Sinn des Leidens in ihrem Leben ergründen können. Dazu müssen sie aber die einzelnen Teile des Leidens finden und zu dem besagten Bild im Lichte zusammenstellen.
Nun ist so viel die Rede gewesen von dem Licht, in dem der Schütze sein Werk vollbringt. Deshalb möchte ich gerne etwas zu dem Licht sagen, um das es hier eigentlich geht. Dort steht als Naturbild, als Bild aus der Natur die Flamme, als das kontemplative Licht. Es ist das Licht einer Flamme oder das Licht einer Kerze. Es ist nicht das gleißende Sonnenlicht und es ist auch nicht das Licht eines lodernden großen Feuers. Ersteres wäre die Sonne, der Löwe, zweites wäre der Widder, der Mars. Aber der Schütze ist interessanterweise ein gedämpftes Licht. Und so sind auch alle Farben, die zum Schütze-Prinzip gehören, gedämpfte Farben. Wenn man so will, Töne, die etwas Warmes, etwas gedämpftes Warmes, Beruhigendes in sich haben. Der Schütze ist eigentlich eine Lichtfärbung, die etwas Meditatives in Anlehnung an den kommenden oder sich ankündigenden vierten Quadranten in sich trägt.
Ich erinnere mich immer sehr gerne an ein Zitat aus dem Roman „Siddhartha“ von Hermann Hesse, in dem Siddhartha beschrieben wird als ein Jüngling, sehnlichst auf der brennenden Bahn seiner jungen Wünsche stürmend. Das ist eine wunderschöne Formulierung, die auch, weil Hermann Hesse selber auch eine extreme Schütze-Betonung hatte, das Jupiter-Prinzip sehr schön widerspiegelt. Begehrlich auf der brennenden Bahn seiner jungen Wünsche stürmend. Aber alles, selbst bei der Beschreibung dieses jungen Siddhartha, mit einer gewissen Vorsicht, mit einem gewissen Bedacht, der eigentlich für das Alter gar nicht entsprechend ist. Es geht hier um ein gedecktes, um ein gedämpftes, um ein Licht, das im Grunde genommen Andacht vermittelt. Stellen Sie sich eine kleine, schlichte Kapelle vor, irgendwo auf dem Land, in der ein Mensch ein Gebet zu Gott spricht und eine Kerze in seiner Hand hält. Dieses Bild entspricht dem Licht, das der Schütze repräsentiert. Es ist also ein Licht, das besinnlich macht. Und auch in diesem Wort, Besinnlichkeit, ist die Suche nach dem Sinn oder das Genießen der Situation, des Zustandes, den Sinn gefunden zu haben, bereits enthalten.
Wie auch die Jungfrau, ist der Schütze ein Lebensprinzip, das relativ einfach zu verstehen ist, weil es nur wenige Merkmale gibt, die man im Kern des Wesens wirklich wissen muss. Aber das ist offensichtlich ein Widerspruch. Die Einfachheit vieler Lebensprinzipien führt möglicherweise oft dazu, dass manche sich nicht ausreichend, nicht genügend damit beschäftigen und dann doch einen fälschlicherweise dummen, beziehungsweise oberflächlichen Überblick behalten.
Abgeleitet aus dem vorher Gesagtem, also aus dem ständigen Versuch des Schütze-Prinzips, den Sinn des Lebens durch das Zusammenfügen aller kleinen Leidenserlebnisse, die im Skorpion erfahren worden sind, zu finden, kann man auch sagen, dass die Urangst des Schütze-Prinzips die Angst vor Sinnlosigkeit sein muss. Das heißt die Angst vor der möglichen Unfähigkeit, im Licht einer Erkenntnis nicht in der Lage zu sein, die Puzzleteile so aneinander zu fügen, dass ein Bild entsteht, das der entsprechende Mensch verstehen kann, der in seinem Leben gelitten hat.
Wenn das Schütze-Prinzip im Tierkreis die Aufgabe hat, dem Menschen einen Sinn des Leidens zu vermitteln, das er im Leben mehr oder weniger ausgeprägt erfährt, dann ist die Situation, in einer Sinnlosigkeit zu existieren, für das Schütze-Prinzip extrem schlimm. Wenn man versucht, diesen Gedanken im buddhistischen Sinne weiterzuspinnen: da existiert die Vorstellung, dass das Leben im Diesseits sowieso ausschließlich auf Leiden basiert. Und dass die Erlösung vom Leiden nur durch Erleuchtung und zu Lebzeiten durch einen meditativen Weg erreicht werden kann.
Auf der anderen Seite ist aber der Kern fast jeder Religion, egal ob Buddhismus oder Christentum oder Islam oder auch sogar zum Teil der Naturreligionen, immer die Idee, dass der Mensch durch den Glauben vom Leiden erlöst wird. Das Versprechen, dass im Himmel – oder im Paradies oder wie auch immer das dann jeweils genannt wird – kein Leiden mehr existiert, das ist ein Versprechen, mit dem die Religionen auf den Menschen zugehen und versuchen, ihn für ihre Zwecke zu gewinnen.
Das hat natürlich auch viele Nachteile. Denn ob das Versprechen eingehalten werden kann, kann man in der Regel zu Lebzeiten nicht überprüfen. Wenn wir also davon ausgehen können, dass das Schütze-Jupiter-9.-Feld-Prinzip mit Glauben, mit Religion, mit Philosophie zu tun hat, dann muss an dieser Stelle Folgendes gesagt werden. Die Möglichkeit, dass der Mensch glauben kann, beziehungsweise dass er zur Religion und zur Philosophie fähig ist, dass er also aus seiner Sicht sinnvolle geistige Gebäude aufbauen kann, in denen er sich aufhalten kann, in denen er versuchen kann, zwischen Gott und sich selber, eine Brücke zu bauen, diese Fähigkeit ist im Tierkreis sehr wichtig und taucht erstmalig im Schütze-Prinzip oder im 9. Feld auf.
Man sollte sich mal darüber Gedanken machen, an welcher Stelle das auch auftaucht. Das ist eigentlich die Nahtstelle zwischen der Verbindung des ersten, zweiten und dritten Quadranten, also dem Körperlichen, Seelischen, Geistigen, und dem vierten Quadranten. Der erste, zweite, dritte Quadrant zusammengenommen, diese drei Quadranten kann man als das Menschliche oder den menschlichen Abschnitt des Tierkreises betrachten. Der vierte Quadrant ist, wenn man so will, der göttliche oder metaphysische Bereich - wenn einem der Begriff „Gott“ nicht so behagt. Der Schütze oder das 9. Feld ist genau die Bindestelle zwischen dem Menschlichen und dem Metaphysischen bzw. dem Göttlichen.
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