Title Page l. theodor donat Kultur oder Rasse und die zweigeteilte Welt Ein Priester schreibt seiner Freundin über eine ganz andere Kultur
Vorrede
---- PS
1. Transfer in eine vorerst bedrohliche Welt
---- Lust umzukehren
---- Termiten
2. Begegnung mit einer neuen Kultur
---- Bibel und afrikanische Mentalität
---- sakraler Raum, sakrale Zeiten
---- egalitäre Strukturen und Konsens
---- das Palaver
---- Harmonie
---- Gastfreundschaft
---- Architektur
---- Geheimnis des Lebens, Geheimnis der Macht
---- der Sinn des Lebens
3. eine neue pädagogische Situation
---- der Streik der Schüler
---- Imitation oder Analyse
---- Animation
---- zentralisiertes System
---- die ehemaligen Schüler/innen
---- Schülerarbeit
---- einsamer Standard?
4. alle Menschen sind gleich
---- verstehen wirst du sie nie
---- Counseling
---- Psychotherapie
---- psychologische Instrumente
5. Erfahrungen zur zweigeteilten Welt
---- Spital und traditioneller Heiler
---- Tollwut
---- Unfälle
---- die Erbschaft
---- China etc.
---- Jobs
---- die Strasse
---- die Heimat, ein Planet?
---- gedämpfter Fortschritt
---- Abwertung um 50%
---- ein Unfall wird zum Attentat
---- Nordkorea, Nestlé etc.
6. Informatik weitab
---- die Tücken zu Beginn
---- ruinöse Spirale
---- PS
7. Bauen mit Kleinbauern
---- Option Eigenbau
---- Arbeiter und Bauern
---- der grosse Saal
---- Philosophie
8. das besondere Problem des Rassismus
---- vor-Urteile
---- „Rasse“ ein völlig überholter Begriff
---- das Sündenbockmodell
---- keine Rassen, sondern Kulturen
---- Rassismus und Rkk?
---- Huhn oder Ei?
9. Epilog
Abkürzungen
Index
l. theodor donat
Kultur oder Rasse und die zweigeteilte Welt
Ein Priester schreibt seiner Freundin über eine ganz andere Kultur
Vorrede
Liebe Carole,
Mit 19 war ich römisch-katholischer Ordensmann, mit 37 ebenso römischer Ordenspriester. 27 Jahre verbrachte ich in einem Land Westafrikas. Nun bin ich 73 und habe das Privileg einer durch meine Gesundheit bedingten Auszeit. Es war für mich entscheidend, in meinen 27 besten Jahren, die Welt mit den Augen jener Menschen zu sehen, die heute die überwältigende Mehrheit ausmachen. Danach hatte ich einige Jahre Zeit, um die Welt von der Minderheit her zu betrachten.
27 Jahre in der Mission sind übrigens eine relativ lange Zeit, da eine alte Missionarsregel besagt, dass die Jahre „in Afrika“ doppelt zählen, und ich mich somit schon längst hätte zur Ruhe setzen können. Ich „höre“ das Stirnrunzeln meiner Mitbrüder, denn für einen Ordensmann gibt es natürlich keinen Ruhestand.
Eine andere Missionarsregel gäbe mir das Vorrecht, dass mir etwas über fünf Fingerbreit Whisky in einem Longdrinkglas eingeschenkt würde, je eine Fingerbreit für fünf Jahre Arbeit in der Mission. Dies entsprach früher dem Intervall zwischen zwei Heimaturlauben. Vom „Whisky-Privileg“ profitiere ich nur bei Depressionen, die mir unter anderem meine liebe römisch-katholische Kirche (in der Folge Rkk) beschert.
Von den Umständen, die ich als grösste Geschenke meines Lebens betrachte, sind besonders drei für dieses eBuch wichtig:
Von einem Ordensleben in festen Bahnen in der Heimat durfte ich in eine Kultur aufbrechen, von der ich gar keine Ahnung haben konnte, so speziell war sie (B 2). Sie vermittelte mir den Blick in eine Gesellschaft, die ohne Hierarchie auskommt.
Einem Zusammenbruch und einer Krankheit verdankte ich den Freiraum, drei Themen-Bereiche aufzuarbeiten, die mich praktisch während meines ganzen Lebens beschäftigt hatten: meine Beziehung zu Jesus (mein eBuch „ der andere Revolutionär“), meine Beziehung zu meiner Kirche (mein eBuch „ der verstellte Ursprung”) und meine Erfahrungen in einer ganz anderen Kultur, die ich mit diesem eBuch beschreiben möchte. Aus der Sicht unterprivilegierter Menschen möchte ich zudem von Erlebnissen berichten, die mir den Blick auf eine zweigeteilte Welt – den Menschen mit zu viel Privilegien und den Menschen mit zu wenigen Möglichkeiten – geöffnet haben. Und auf einige Mechanismen hinweisen, die das Gleichgewicht unserer Welt beeinflussen. Auf dem Weg der Begegnung von Menschen dieser ganz anderen Kultur begegnete ich natürlich auch dem Problem von Vorurteilen und Rassismus.
Deine Freundschaft und Deine Liebe (dvUr B 2.10.) befreiten mich nicht nur von der Sexualmoral der römischen Kirche, die mich während vieler (etwa 26) Jahre lang gequält und viel Kraft gekostet hatte, sondern sie zeigten mir, dass Liebe von Menschen aus ganz verschiedenen Kulturen möglich ist. Wie in den beiden erwähnten Büchern möchte ich meine Erfahrungen als Briefe an Dich darstellen.
Nachvollziehbar möchte ich schreiben, mit dem gesunden Menschenverstand argumentieren, Evidenz ansprechen. Das habe ich in der Vorrede zu einem anderen Buch ausführlicher beschrieben (daRev). Wieder bitte ich Deine Freunde, mehr auf das Gemeinte als auf die sprachliche Perfektion zu achten. Sie kennen sicher das geniale Büchlein „Le Petit Prince“ (“ Der Kleine Prinz“, in der Folge klP) von Antoine de Saint-Exupéry. Ich kann nicht umhin, an dieser Stelle eine Liebeserklärung an dieses Büchlein abzugeben, das von den wesentlichsten Seiten des Menschseins zu handeln scheint. Der Verfasser betont, dass es für die „Grossen Personen“ unmöglich ist, die elementarsten Dinge des Lebens zu erkennen. Als „Grosse Personen“ – les grandes personnes – werden im klP Leute beschrieben, die sich mit Konventionen zufrieden geben, sich selbst als bedeutend erachten und von Macht, Geschäft oder Konsum leben.
Ein Beispiel bloss, wie „Grosse Personen“ sind: Der Asteroid B612, von dem der kleine Prinz kam, wäre um ein Haar nicht bekannt geworden. Ein türkischer Astronom hatte ihn entdeckt und an einem Astronomen-Kongress, mit Turban und Kaftan, davon berichtet. Natürlich fanden die „Grossen Personen“ seine Aufmachung lächerlich und niemand glaubte seinen Ausführungen. Ein türkischer Diktator gebot seinen Untertanen unter Todesstrafe, sich europäisch zu kleiden. Das rettete den Asteroiden B612 davor, vergessen zu werden, denn beim nächsten Kongress hatte der Astronom, diesmal im Smoking, überhaupt keine Probleme mit seiner Beweisführung (klP IV). Wenn ich jemandes Freund werden möchte, schenke ich ihm eine Taschenausgabe des klP. Wenn er das Büchlein genial findet, so bemühe ich mich um seine Freundschaft.
Meine Freundin, Carole, möchte ich noch sehr kurz vorstellen. Deine Herkunft aus einem sehr einfachen Milieu – in einer egalitären Konsens-Kultur– hat mir erlaubt, mit diesem Milieu viel konkreter als vorher verbunden zu sein. Du bist fröhlich, praktisch, intelligent, sensibel und sportlich (heute vielleicht weniger, etliche Jahre sind vergangen!), aber vor allem hast Du einen gesunden Menschenverstand und den Sinn für Weisheit. Du hast Vorurteile und Rassismus erlebt. Mit der Rkk kommst Du nicht so ganz zurecht, umso mehr aber mit der Person von Jesus. Von Deinen so spärlichen weniger guten Seiten will ich nicht reden. Ich liebe Dich nicht nur, weil Du absolut perfekt bist. Ich bin ja auch nicht vollkommen, Gott bewahre. Ich liebe Dich sehr, so wie Du bist. Du hast mir das Wassergereicht, das man dem durstigen Fremden gibt und mir, so glaube ich, ganz wesentlich geholfen, Mensch zu werden.
Reisen in andere Welten gehört zu den Ferienerlebnissen von fast jedermann, ich habe etliche Gespräche gehört – in Transportmitteln des öffentlichen Verkehrs z.B. – in denen Leute von exotischen Ländern sprachen, während sehr beachtliche Schönheiten meiner Heimat an ihnen vorbei zogen, die sie nicht zu beachten schienen. Möglich, dass die gleichen Leute in Bali über ihren Wintersport in der Heimat reden. Für mich, der ich nicht als Tourist in einer fremden Kultur landete, stellte das den Beginn eines eigentlichen Quantensprungs meiner Sicht auf die Welt dar.
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