Dr. Erich M, Erich X
Krötzenbroda
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Inhaltsverzeichnis
Titel Dr. Erich M, Erich X Krötzenbroda Dieses ebook wurde erstellt bei
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Impressum neobooks
Dr. Erich M
Erich X
Krötzenbroda
Roman
Auch die bezaubernde Physikerin Angela, die einmal kometenhaft in der Himmel der politischen Macht aufsteigen wird, hat eine Vergangenheit. Sie liegt weit zurück in einem unbekannten Land mit dem merkwürdigen Namen De De Rrr. Ein Staat, der sich selbst aufgelöst hat und Teil der Bundesrepublik geworden ist.
Die ganze De De Rrr? Nein, mit Ausnahme einer sächsischen Kleinstadt namens Krötzenbroda. Hierhin flüchteten im Herbst 1989 Funktionäre und täuschen seitdem den Bewohnern mit Hilfe des STELTZ, einer wissenschaftlich-technischen Innovation auf Weltniveau vor, dass die Mauer noch steht und sich nichts verändert hat.
Westdeutschland im Jahr 2018. Der ambitionierte Jungabsolvent einer Business-School, Clemens v. Schmaedeke, erhält von seiner Firma IDOPSA International den Auftrag in Krötzenbroda ein Callcenter zu errichten und hierfür das Humankapital zu rekrutieren, die technischen Anlagen zu beschaffen, sowie die Behörden von seinem Projekt zu überzeugen. Seine heikle Mission sollte Ihn selber, die DDR und die Welt für immer verändern.
For the happy few
Die A 24 war um 11.00 Uhr morgens schon so leer, dass Dr. Wermesgrüner flüssig durchkommen sollte, rechts vor ihm lagen die zersiedelten Ausläufer von Hamburg. Ein leichter Wind löste im Sonnenlicht den Dunst über den schmucken Doppelhaussiedlungen. Da war schon die Ausfahrt Reinbeck Glinde und zum Golfplatz brauchte Dr. Wermesgrüner nur mehr zehn bis zwölf Gasstöße mit seinem schwarzen Q7, den er gemächlich auf dem Kiesboden vor der Anlage ausrollen ließ. Als er ausstieg, war sein Assistant developer Werner Machata, mit dem er einmal im Monat Golf spielte, schon da. Sein in den Idopsa Farben Grün und Violett gestalteter Smart stand quer geparkt vor dem Clubhaus. Wermesgrüner hob seine Golftasche aus dem Kofferraum, durchquerte schlendernd die Anlage zu den bereit gestellten Trolleys, sortierte die Schläger ein und zog den Wagen zum Abschlag der Bahn 1, wo Werner Machata bereits nervös mit seinem Driver hin und her wedelte.
„Guten Morgen Chef“, begrüßte ihn Machata und fügte hinzu: „Ein Wetterchen heute zum Heldenzeugen, nicht wahr?“
Wermesgrüner verzog kaum die Mundwinkel. Er kannte diese Witzchen schon und erwiderte nur: „Morgen Herr Machata, weiß das Communication Desk wo wir sind? Sie wissen ja, die Litauer stehen uns ganz schön auf den Socken mit ihrer Expansion“. „Na klar, Frau Pelka hat die Private numbers, für den Worst case“, entgegnete Machata dem Idopsa Vorstandsvorsitzenden. „Dann ist ja gut“, sagte Wermesgrüner und fügte hinzu: „Los, Sie beginnen, wie immer“. Machata stellte sich mit gespreizten Beinen vor den Ball, holte aus und zog in mustergültiger Haltung ab. Der Golfball sauste in den wolkenlosen Himmel. In rund 150 Metern Entfernung, rechts nahe an der Baumreihe kam er zum Liegen. Kein besonders gelungener Schlag. „Verdammt, mein Rechtsdrall“, zischte Machata und ging einen Schritt zurück, um Wermesgrüner an den Abschlag zu lassen, der Machatas Eröffnung nicht kommentierte. Wermesgrüner zog seinen neuen Graphit Driver und jagte den Ball fast 200 Meter weit vor den ersten Sandbunker.
„Die Dinger sind geil“, bemerkte Machata und wies mit einer wedelnden Handbewegung auf den matt schwarzen Schläger. Wermesgrüner zog leicht die Augenbrauen hoch und bemerkte: „Is' nicht nur der Schläger“. Zufrieden ging er auf seinen Trolley zu, verstaute das Eisen und machte sich auf zum nächsten Schlag. Machata folgte ihm schweigend.
„Blowen Sie mal ein bisschen wistle“, sagte Wermesgrüner. Das sagte er immer, wenn er wissen wollte, was so los war bei IDOPSA. Machata kannte schon die Frage und hatte sich gut umgehört in den Abteilungen. „Center zwölf hat gut performt, 30 000 Volumen die Woche, zwar viel Kleinkram, aber dafür einige Rentenverträge. Die stehen diesen Monat an der Spitze. Der Loser ist Center vier in Glücksburg. Viele sind krank. Zielke hat kaum noch Drive, die haben gerade mal 12 000 gemacht, darunter auch noch viel Müll und gar keine Versicherungen“. Wermesgrüner machte den Eindruck als hätte er kaum zugehört und entgegnete nur: „Zielke sollten wir freistellen. Das ist schon der dritte Monat in Folge. Geben Sie das an die human recources weiter. Die sollen sich darum kümmern. Gibt es aus den Assessment Bereich irgendetwas Neues?“
Machata dachte kurz nach und sagte: „Ich hab gestern mit der Liebich-Turley gesprochen, wie immer viele Ossis, viele Studies. Ein Paar Brauchbare sind wohl dabei. Einer der Ossis wusste gar nicht, was ein Call Center Agent ist und hat wohl gemeint, dass wär so ne Art Privatdetektiv und fragte gleich, ob er einen Waffenschein dafür braucht. Ist das nicht krank?“ „Hören Sie mir auf mit dem Osten“, erwiderte Wermesgrüner missgelaunt. „Ich hab mir da mal die Daten angesehen, nur die Polen in Posen reißen was. Da müssen wir stärker rein gehen. Die Ostcenter kosten uns richtig Pulver und kommen mit zehntausender Schnitten um die Ecke. Das sind doch alles Zombies und von Ihnen Machata kommt da auch zu wenig... Wir brauchen mehr Druck. Am besten wir launchen ein neues Flagship Center mit frischem Personal und geben richtig Gas. Das kann ein Neuer leiten, der richtig reinklotzt. Aber bloß kein Ossi. So ein Jungabsolvent mit ordentlich Drive, der was bewegen will und Bock auf Power hat“.
Jetzt wurde es ungemütlich für Machata. Aber dann fiel ihm etwas ein: „Die Liebich-Turley hat mir von einem jungen Bewerber erzählt. Der hat gute Abschlüsse, Privatuni und so. Trug als einziger an dem Tag einen korrekten Anzug. Natürlich ein Frischling, viele Flausen von Mitarbeiterführung und Umsatzzielen im Kopf. Aber von der Papierform her würde der passen. Einen Moment“. Machata nahm sein Tablet und wischte kurz durch die Menüs: „Clemens von Schmaedeke. Alter dreiundzwanzig, flexibel einsetzbar, Marketing an der Börner-Business School Schwetzingen. Note 1,9, erster Job, etwas arrogant, keine Familie, bereit auch umzuziehen“, führte Machata aus und fügte hinzu: „Klasse Frau, die Liebich-Turley, die hält ihre Datenbank echt in Schuss“. Wermesgrüner blieb stehen, obwohl Machatas Ball nur wenige Meter entfernt war, stützte die Hand in die Hüfte und frage: „Was will er denn haben im Monat?“
„Keine Ahnung. Aber als Projektadministrator fällt der doch sowieso raus. Wir geben ihm Minimum plus Prozentmarge, wenn das Ding mal läuft. Und er könnte meinen Smart kriegen, wo doch jetzt Kubitzki weg ist, haben wir doch noch den Audi Kombi, den könnte ich nehmen“.
„Den blauen?“, fragte Wermesgrüner. „Klar, der Diesel mit der Sonderausstattung“, antwortete Machata und zupfte an der Naht seiner Golf Hose. „Ok, sehen wir später“, entgegnete sein Chef. „Das neue Call Center muss da sein, wo sonst keiner reingeht. Vor allem nicht die Litauer und könnte die Vier und die Neunzehn ersetzen. Die bringen doch nichts. Haben wir da eine Option? Gucken Sie doch mal auf die Umsatzkarte?“
Machata hatte sein Tablet schon weg gestreckt, zog seine Golfhandschuhe aus, griff in die Gesäßtasche seiner Hose und zauberte in kürzester Zeit die Karte mit den Break-evens auf das Display. „Großraum Magdeburg hat nur einen Profit Star“. „Magdeburg? Viel zu teuer“, fuhr Wermesgrüner dazwischen. „Mehr ländlich, so um die fünf- bis achttausend Einwohner, mit günstigen Ressourcen und Unterstützung von den Leuten vor Ort, dem Bürgermeister und so. Da müsste man vor allem die Ossi-Harzer abgreifen. Zeitverträge und Minimum... Sie wissen schon... Wir müssen die Kosten im Auge behalten. Gibt´s da was?“ Machata zoomte in die Karte herein, glich die Daten ab und sagte nur: „Krötzenbroda in der Nähe von…“. Er hielt kurz inne, zoomte stärker in die Karte und fuhr fort: „Pömmelte“. „Krötzpöm, was...?“, prustete Wermesgrüner und schlug sich auf die Schenkel, wobei die Golf Hose leicht staubte. „Krötzenbroda bei Pömmelte, bei Magdeburg“, bestätigte Machata und setzte gleichzeitig ein paar Geo Tags auf die Karte. Wermesgrüner sagte nichts, ging weiter, wies auf den Ball von Machata, der kurz nach dem Rough am Rande des Fairways lag und deutete mit einer Handbewegung an, Machata solle doch weiterspielen.
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