Mister Hennesy war ein verkrüppelter Kriegsheld aber Beedle ließ Ausnahmen nicht gelten. Er beschwerte sich bei der Stadtverwaltung, dass die Polizei gegen diese Missachtung von Gesetz und Ordnung nie einschritt. Er unterstellte dem, leitenden Inspektor der Polizeiwache Callahan sich von Hennesy schmieren zu lassen. »Ha, das ist doch alter Käse«, sagte Bernard und drehte sich um. Sein Fred Perry Hemd stand offen und ein schwarzer Mann mit Hut und Sonnenbrille, der wohl Mister Laurel Aitkens hieß, war über seinem Herzen tätowiert auf der Seite daneben die kryptischen Worte Red Army Arsenal. Vielleicht eine dramatische Liebesgeschichte? »Das beste Wissen Sie gar nicht!« Bernards blaue Augen funkelten als flirte er mit dem Calvin Klein Unterhosenmodell. Allan wusste es nicht sicher aber dachte, dass ein Mann der so kochen konnte und so häuslich war schwul sein müsse. »Beedle hat sich gestern nach der Predigt mit ihrem Bruder gestritten. Er verlangte das Jasper seine ausgestopften Fische, und zwar alle aus der Kirche entfernt und er will die Spendenbücher sehen.« Allan hielt kurz die Luft an: »Oh, und was hat der liebe Jasper gemacht, er ist so furchtbar stolz auf seine ausgestopften Fische im Mittelgang.«
»Ich weiß das Angeln ist ihm mehr als ein Sport aber gestern predigte ihr Bruder in Gummistiefeln und sah immer auf die Uhr dabei.«
Allan lächelte, »ich weiß er ist besessen von diesem Hecht im Bach. Wir werden keine vernünftige Predigt von ihm hören, bis er den Fisch gefangen hat und er ausgestopft in der Kirche hängt. Unser Vater nahm ihn immer zum Angeln mit, die beiden hatten eine sehr enge Beziehung, auf die ich manchmal neidisch war. Und was hat der Liebe Jasper auf diese Unverschämtheit erwidert?«
»Er hat ihn angestiert wie ein wütender Stier, als ob er gleich auf ihn losgeht. Nur die Anwesenheit der Gemeinde hat verhindert, dass er Beedels die Nase gebrochen hat.«
»Warum interessiert sich Beedle für die Kirchenbücher?«, fragte Allan neugierig, »unterstellt dieser garstige Mensch meinem Bruder sich die Spendengelder unter den Nagel zu reißen?«
»Keine Ahnung aber solche Menschen stecken immer ihre Nase in Dinge, die sie nichts angehen.«
Allan nickte und hatte kurz das Gefühl, das es mit Mister Beedle kein gutes Ende nehmen konnte. Genauso wie mit seinem Helden John Albert Phillips de Mote, wenn ihm nicht etwas Fantasievolleres als abgeschmacktes Pfeilfroschgift einfiel.
Pfarrer Yates saß in seiner gemütlichen Bibliothek im Pfarrhaus beim Frühstück. Er hatte sich eine Hummerplatte mit zerlaufender heißer Butter darüber munden lassen. Ausnahmsweise, er war ein Mann der Gewohnheit und beendete selten ein Essen ohne das Gefühl zu haben die Gedärme würden gleich platzen – seine Haushaltshilfe Misses Nordimer gebeten abzuräumen. »Ein Jammer«, murmelte er vor sich hin, »dass man nur einen Magen hat … und nur viermal am Tag zu essen hat.« Die kleinen Küchlein und Toasts beim Fünfuhrtee galten für ihn nicht als Mahlzeit. Er war ein Mann, der seinen Bauch ernst nahm. Essen war ihm nicht bloßes Vergnügen, sondern eine körperliche Herausforderung. Er war ein dicker, schwammiger Mann mit einer von der Anstrengung des Essens verschwitzten Glatze. Er hatte die Gewohnheit, im Haus einen arabischen Kaftan zu tragen, der wunderbar angenehm bei diesem warmen Wetter war. Er schloss die Augen und schlug blind das Oxford Predigerbuch in der Mitte auf und betrachtete das Ergebnis - Königstreue? Warum nicht, fragte er sich. Königstreue war ein ebenso gutes Thema für eine Predigt wie irgendetwas anderes. Er notierte sich mit sauberer Handschrift die Worte – König Jacob mit Elisabeth 2 ersetzen – auf ein Schmierblatt und legte den Stift zurück und klappte den gewaltigen Wälzer zu und schob ihn mit einem liebevollen Klaps in Richtung Tischecke. Das Buch war die beste Anschaffung seines Lebens. Nie mehr war er gezwungen, seine kostbare Zeit damit zu verplempern sich Predigten aus den Fingern zu saugen. In dem Buch gab es genug christliche Ermahnungen für 3 Jahre, und wenn es durch war, begann er von vorne. Er hatte, die Theologie nebenbei studiert, er hatte keinerlei Ausbildung im Predigen oder darin, anderen Menschen, Trost zu spenden geschweige davon ein christliches Vorbild zu sein. Er wurde Pfarrer, weil er keine großen Ambitionen hatte und seit 1801 immer ein Yates diesen Beruf in Saint Marys ausgeübt hatte. Er machte sich auch nicht die Mühe, seine Predigten selber zu schreiben, sondern kaufte sich ein dickes Buch mit fertigen Texten und las jede Woche einen vor. Seine Haushälterin mit der Anmut eines Fafnir des Menschenverschlingenden Lindwurms aus der nordischen Mythologie brachte die Post. Das heißt, sie starrte feindselig auf die fettfleckige Krawatte des Pfarrers, die sie zu waschen hatte, und klatschte den Packen auf den Tisch.
»Die Post! Brauchen nicht zu schauen ist heute nur Krempel.«
»Hm gut danke.«
Yates ignorierte seine Angestellte, wie er ein altes Möbelstück ignorierte. Außer Miss Nordimer brachte ihm Essen, dann sah er sie an, als habe er eine Marienerscheinung, und nannte sie »meine Beste«, er liebte Hummer. Yates sortierte seine Briefe und Miss Nordimer fuhr mit dem Staubwedel, über die Bücherregale. »Sie hatten recht nur Krempel«, beschwerte er sich. »Ist das zu fassen nicht eine einzige Einladung zum Essen. Heiratet oder stirbt man nicht mehr in diesem Land? Spendenbitten von Fanatikern, Missionsberichte aus dem Sudan, die Gewerkschaft der Tapezierer und Maler verlangte meine Mitgliedschaft, wohl eine Verwechslung. Mit dem Kram werde ich mich nachher befassen.«
Yates arbeitete bis spät in die Nacht, begann aber nie vor zwölf Uhr. Wenn er angeln ging, war, das anders. Er ging im ersten Morgengrauen und kam wieder, wenn die Köcher voll waren. Das heißt der Angelplatz war leer gefischt. Bis auf den Beifang den warf er weg und überließ den ganzen schuppigen blutigen Plunder den Möwen. Er sah an die Trophäenwand neben dem Kamin, an denen die Skelette seltener Fische hingen. Dann auf eine Kiste mit einem bei einer Auktion erstandenen Haifischskelett. Wohin damit, 3 Meter in der Länge und von einer solch beunruhigenden Präsenz, dass er den Aufschrei der Gemeinde regelrecht hören konnte, wenn er es von den Balken des Mittelgangs herunterhängen ließ? Und das würde er, als Mahnung für irgendetwas. Bedenke du bist aus Staub du bist vergänglich, würde er mit seiner tiefsten Stimme sagen, wenn er darauf angesprochen würde. Jasper schloss die Augen er, hörte ein Stöhnen und Röcheln spießiger Empörung wie durch einen Vorhang aus Zeit und Raum. Für einen winzigen Moment dachte er erschrocken, Gott habe ihn mit der Gabe der Prophetie gestraft. Er sah auf seine Handinnenflächen, - keine Stigmata Gott sei Dank. Dann drehte er seinen Kopf zum angelehnten Fenster und kniff die Augen zusammen. Das Stöhnen war noch da und kam eindeutig aus Richtung der Kirche, hinter der seitlich versetzt das großräumige Pfarrhaus stand. Das Zufahrtstor war in der Nacht verschlossen. Misses Nordimer schloss es wegen der Einbrecher, im Fernsehen abends. Was er recht und billig fand, nicht das die Leute noch auf die Idee kamen ihn in seinem Haus mit ihren Gewissensproblemen und scholastischen Glaubensfragen zu, belästigen. Das verdammte Stöhnen kam, ohne jeden Zweifel vom Weg. Hatte sie vergessen abzuschließen und jetzt lungerte dort ein Penner herum, bis er auf die ersten Kirchgänger traf, die er anschnorren konnte. Jasper grinste, ha Montag da kannst du lange warten. Das Stöhnen war ausgesprochen unangenehm. Er stand auf und ging zum Fenster und sah hinaus. Nichts zu entdecken. Nur die hohe mit Efeu bewachsene Friedhofsmauer und die Westseite der Kirche, der Weg zu seinem Haus war mit Topfpflanzen gesäumt und das Tor war fest verschlossen. Yates betrachtete zufrieden den Hof seines Hauses. Er war stolz auf sein Gebäude, das er zu einem Refugium der Bequemlichkeit und des Essens gemacht hatte. Die Türen waren breiter als in anderen Häusern die Zimmer heller und freundlicher und besonders gelungen war der Speiseaufzug und das Haustelefonsystem. Der Speisenaufzug führte nicht nur zum Speisezimmer, sondern auch zum Schlafzimmer und die Bibliothek. Er konnte jederzeit Misses Nordimer aus dem Tiefschlaf reißen und ihr durch das Haustelefon zubrüllen er wolle heiße Milch und ein duzend Schinken Sandwichs haben. Ein prächtiges Gebäude. Yates tippte sich an die Stirn und tastete nach seiner Brille, die auf seiner Stirn saß. Ha, dachte er, nachdem er wieder mehr als verwaschene Konturen sehen konnte, bist über den Zaun geklettert und abgestürzt, geschieht dir recht! Der Pfarrer hatte gerade die schattenhafte Gestalt eines Menschen wahrgenommen, der zwanzig Meter entfernt vor dem Eingangstor zu Boden gesunken war und zuckte. Er wurde in seinen schadenfrohen Überlegungen unterbrochen, lautlos stand seine Haushälterin neben ihm, um ihm die Times und die obligatorische halbe Liter fassende Tasse Kaffee zu bringen. »Sehen Sie nach, wer dort stöhnt ... und treiben sie ihn fort«, er dachte nach was hatte er vergessen? »Ach ja, wenn er sich beim Sturz etwas gebrochen hat, nennen sie ihm die Adresse des Krankenhauses in Bexhill. Wenn es ernster Natur ist, geben sie ihm Sixpence, das er von einer Telefonzelle die Ambulanz anrufen kann, das man sich seiner um Jesu annimmt.« Misses Nordimer drehte sich vom Fenster ab und verließ das Haus. Yates setzte sich, mit dem Gefühl seine Pflicht als Hausherr getan zu haben und betrachtete eifersüchtig die Titelabbildung in der Zeitschrift Forelle und Du. Ha, eine sieben Kilo Regenbogenforelle in Camden, ha aber nur vor der industriellen Revolution. Nach kurzer Zeit kam Misses Nordimer zurück.
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