Sie hatte dunkelblondes, gelocktes Haar und einen so helle Haut, dass sie beinahe wirkte, wie aus Elfenbein geschnitzt. Wie eine grobe Arbeit allerdings, denn schön war sie nicht eben. Dennoch traf der Blick ihrer hellen Augen Shaya wie ein Blitzschlag. Ihr Magen senkte sich spürbar ab und ihr brach der Schweiß aus. Das letzte Mal, als sie diese Frau gesehen hatte, war am Tag gewesen, als die Hurenfänger sie verschleppt hatten. Es war Claire, das Weib von Hunatan dem Wirt. In dessen Gasthaus »Zum toten Vogel« hatte sie das letzte Mal wie ein echter Mensch gegessen, mit jemand anderem als blutrünstigen Piraten gesprochen und in einem richtigen Bett gelegen. Sie war einen Moment lang wie versteinert und wusste nicht, wie sie auf die nur zwanzig Schritte entfernte Frau reagieren sollte.
Plötzlich spülte eine Welle aus Angst und Scham über sie hinweg. Sie dachte an das, was sie getan hatte, seit sie unter dem Dach dieser Menschen geschlafen hatte. Die Überfälle auf die Handelsschiffe, all die Morde und blutigen Rituale, an denen sie schließlich selbst teilgenommen hatte, kamen ihr in den Sinn. Die meisten der Piraten waren selbst Namenlose und im Grund kein Stück besser als die Horde, die das Umland von Umbrahope verheert hatte. Sie selbst war genau genommen nichts anderes mehr als dieser geistlose, mörderische Abschaum, den sie so sehr hasste.
Dann sah sie, wie Claire angeekelt den Mund verzog und hastig den Blick von der Ruine ihres Gesichtes abwand. Sie fasste den Griff des Handwagens fester und machte sich, so schnell, wie sie es mit dem Gewicht hinter sich vermochte, auf den Weg zu den Gasthäusern. Shaya starrte ihr hinterher, aber die immer kleiner werdende Gestalt drehte sich nicht mehr um, bevor sie in der Menschenmenge verschwand.
Sie wandte sich wie benommen ab und ging langsam zurück zur Windpeitsche. Die Lust, ein wenig an den Docks herumzustreifen, war ihr vergangen. Claire hatte sie nicht erkannt. Die unscheinbare aber herzensgute Frau hatte sie so gesehen, wie sie jetzt wirklich war. Ein mageres, zerlumptes Ding mit einer schrecklichen Narbenmaske dort, wo ein Gesicht sein sollte. Ein Geschöpf der See, von dem man sich besser fernhielt. Sie spürte, wie ihr eine Träne über die Wange lief, und wischte sie ärgerlich weg. Ihre Finger glitten dabei über die tiefen Kerben in ihrem Fleisch und eine neuerliche Welle von Ekel und Selbsthass spülte über sie hinweg.
Nicht zum ersten Mal wünschte sie sich stumm, Belandros hätte sie an jenem Tag einfach in der Gosse verbluten lassen.
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