Ferien mit Jutta und Jens
Wir luden Jutta und Jens nach Österreich ein, mit uns zu zelten. Dort besuchten wir eine Schlucht. Dieter flog untertags mit seinem Gleitschirm, doch auch wir hatten unseren Spass. Unser Zeltplatz lag direkt am Bodensee. Jutta, ich und natürlich die Kinder, wir paddelten mit dem Gummiboot umher. Jutta war eine emotionale „Fischefrau“. Zu der Zeit, glaubte ich ein „Widder“ zu sein, denn schliesslich war ich am 21. März geboren! Kaum war sie damals in unseren Block eingezogen, entwickelte sich plötzlich ein soziales Netzwerk. Sie zog die Leute magnetisch an. Das ging nur eine Weile gut, bis es Streit gab. Wir waren nicht involviert. Wir pflegten auch Kontakte, doch nicht so innig wie sie, denn ich wusste, dass das auf die Dauer nur ungesund sein konnte. Eines Tages, spätabends hörte ich Jutta in ihrer Wohnung schreien: „Du Sau“ und das immer wieder! Ich dachte, ach Gott, was passiert denn da? Ich wusste, sie hatte einen neuen Freund, ob dieser sie belästigte? Vielleicht hatte er sexuelle Vorlieben, die sich mit Jutta`s Vorstellungen nicht deckten? Die Wohnungen waren wunderschön, doch hatten sie einen grossen Nachteil, man konnte durch das Cheminée seinen Nachbarn hören. Tage danach sprach ich sie darauf an. Sie musste überlegen, welches Telefonat das wohl sein konnte und erzählte mir, dass sie an dessen Abend mit ihrer Schwester telefonierte. Sie erzählte den Ärger den sie mit ihr hatte und ich dachte mir, welch respektlose Umgangssprache!
Jan wuchs heran und ich war nun schon seit über vier Jahre Hausfrau und Mutter. An Jan`s 4. Geburtstag fuhren wir in die Ferien, nach Italien. Wir brachen am Nachmittag auf und wollten einen Zwischenhalt im Tessin einlegen. Auf Fischer`s Veranda wollten wir uns die Augustfeier ansehen und danach weiterfahren zum Gardasee. Als wir im Tessin ankamen, bemerkten wir mit Schrecken, dass wir die Lire zu Hause vergassen. Umkehren lohnte sich nicht und so suchten wir uns in Locarno ein Bankomat. Dieter fuhr versehentlich in eine Einbahnstrasse und wie der Zufall es wollte, es kam uns ein Polizeiauto entgegen. Wir wurden angehalten, getadelt, hatten jedoch Glück und bekamen keine Busse. Am Gardasee angekommen, suchten wir einen Campingplatz mit Hilfe eines Buches, eines Campingführers. Gefunden, stellten wir unser Zelt auf. Dieter ging tagsüber Gleitschirm fliegen. Am Gardasee war es spannend zuzusehen, wie die „Gleitschirmler“ landeten. Durch den berühmten starken Wind dort, erschwerte sich das saubere landen und die Fliegenden zeigten buchstäblich ihre „Stunts“. Nach einigen Tagen waren wir gezwungen wieder nach Hause zu fahren, weil uns schlichtweg das Geld ausging. Es wurde sogar so knapp, dass ich auf der Karte den kürzesten Weg zur Grenze ausloten musste, wozu das Benzin im Tank noch ausreichen sollte. Es wurde extrem spannend, doch wir schafften es. Irgendwie liebte ich solch Situationen, denn in solchen lebte ich erst so richtig auf und fühlte mich lebendig. Wieder zu Hause, kam der Alltag wieder.
Wir kauften Tickets für eine Musikgruppe, die ich schon lange einmal live sehen wollte und ich freute mich riesig darauf. Endlich durfte ich „Stranglers“ hören und sehen. Das war unser sechstes Konzert. Das allererste war „Tears For Fears“ in Winterthur in der Eulachhalle. Und darauf folgte „Midnight Oil“ im Hallenstadion, die mich am meisten beeindruckten. „Marillion“ sahen wir auch in der Eulachhalle. Mann oh Mann, der Sänger sah vielleicht gut aus! Dafür holte ich mir fast einen Gehörschaden! Mit Jan besuchten wir das Openair in Frauenfeld. Mit Miriam, der Frau von Luca besuchte ich ein Konzert der „Neville Brothers“ in der Eulachhalle. Doch nun standen die „Stranglers“ im Volkshaus in Zürich bevor. Philip war so nett und fuhr uns vor, denn wir wussten nicht, wo. Philip fuhr schnell und auch wenn die Ampeln auf Orange standen, fuhr er noch durch, gefolgt von uns. Mir wurde schlecht. Heil angekommen standen wir wie immer an vorderster Front und warteten. Zuerst kam eine Vorgruppe namens „Better World“, übrigens eine Schweizer Gruppe. Sie ahmten die Lieder von „Stranglers“ nach die gleich kommen würden, na ja. Endlich waren diese fertig, nicht das sie schlecht waren, ich wollte einfach nur meine ersehnte Musik hören. Die Bühne war nun leer von Musikern und wir warteten im halbdunkeln. Jeden Moment konnten sie auf die Bühne kommen. Es war dunkel und man hörte nur das Gemurmel der vielen Leute. Urplötzlich wurde mir schwindelig. Ich informierte Dieter und ginge so schnell wie möglich aus der Menschenmenge zur Seitenwand des Gebäudes. Mit dem Rücken zur Wand versuchte ich mich zu erholen. „Da…“, die Musiker sprangen auf die Bühne und fingen sogleich zu spielen an. Ein Blick zu Dieter liess mich erkennen, wie er durch die Menge, zu mir geeilt kam und nach seiner Aussage, mich gerade noch festhalten konnte, bevor ich umfiel. Scheinbar stand ich immer schräger an der Wand. Ich konnte nichts mehr sehen, alles war schwarz und ich konnte nicht mehr sprechen. Gehen und hören funktionierte noch. Ich hörte wie Dieter darum bat, dass ich vorne neben der Bühne Hilfe bekomme. Er sagte mir wäre schlecht und ich wollte ihn korrigieren und sagen, nein nur schwindelig, doch ich brachte kein Wort heraus. Er ging mit mir durch die Leute in Richtung Ausgang, zur Garderobe und so langsam kam das Augenlicht zurück und ich konnte wieder sprechen. Das war ja merkwürdig! Ich setzte mich draussen auf die Garderobenbank. Wir hörten die Musik und am liebsten wollte ich wieder hinein. Doch was, wenn mir wieder schwindlig würde? Ich war extrem hin und her gerissen. Die Vernunft siegte und wir fuhren frustriert nach Hause. Am nächsten Tag telefonierte ich mit Philip und erzählte ihm die Story. Er war nicht sonderlich beeindruckt und meinte, dass solch Schwindelanfälle bei ihnen in der «Uni» tagtäglich vorkamen und es bestimmt kein Anzeichen einer Schwangerschaft sein müsse. Ich war anderer Meinung und wie sich zeigte, hatte es sich auch bestätigt. Quintessenz war, dass sobald ich das Problem der Zeugungshemmung erkannt hatte, es plötzlich wieder funktionierte und die Blockade aufhob, interessant, nicht wahr?! Bei der ersten Untersuchung in Münsterlingen, nahmen sie mir Blut und machten einen Aids-Test. Sie versicherten mir, dass das zur Standarduntersuchung dazu gehöre. Mir wurde etwas mulmig, denn sogleich kam mir die Bluttransfusion nach Jans`s Geburt in den Sinn. Ich hatte bis zu diesem Zeitpunkt nie darüber nachgedacht, dass das Blut hätte infiziert sein können. Wie der Fall von dem jungen Mann, der in allen Zeitungen abgedruckt wurde, der im Spital bei einer Bluttransfusion mit Aids angesteckt wurde. Es war wie erwartet alles in Ordnung und doch wurde mir wieder einmal bewusst, wie das Schicksal auch hier hätte zuschlagen können. In dieser Schwangerschaft hatte ich tatsächlich einen Kalender angefertigt und jeden Tag abgestrichen. Jahrelang quälten mich schon Einschlafprobleme und ich kann nicht genau sagen, wann sie begannen. Ich lag jede Nacht stundenlang wach und konnte meine Gedanken nicht abschalten. Es war schrecklich, denn tagsüber fühlte ich mich alles andere als fit. Ich habe einen Anhaltspunkt, und zwar muss das schon vor der Geburt von Joe begonnen haben, denn jene Frau, das Medium, erwähnte damals mein Einschlafproblem und dem war auch so. Also muss das nach oder gar vor Jan`s Geburt begonnen haben, ich vermute eher nach seiner Geburt. Ich habe dann nach etwa 5 gequälten langen Jahren einen Trick herausgefunden, wie ich mich selbst überlisten konnte. Das erzähle ich jedoch später.
Schon sehr früh brachte ich Jan das Velo fahren bei, so konnten wir ab und zu unsere Ausflüge machen. Liess ich Jan allein auf unserem Spielplatz im Innenhof spielen, ging es in der Regel nicht lange und ein anderes Kind fing an zu heulen. Es ging soweit, dass nur noch die wenigsten mit ihm spielen wollten. Ich fand das nicht gerade förderlich für seine Entwicklung, denn Spielmöglichkeiten brauchte er in diesem Fall ja um so mehr. Er schien mir ein „Grobian“ zu sein. Ich wusste oft nicht wie ich nun reagieren oder intervenieren sollte. Strafen, funktionierte bei Jan nicht, auf jeden Fall zeigte es nicht die gewünschte Wirkung, im Gegenteil, es verschlimmerte sogar die Lage. Er konnte sich in eine Sache hineinsteigern und kämpfen bis zum Äussersten, einfach unglaublich! Ich konnte beobachten, dass gängige Methoden bei anderen Kindern Wirkung zeigte, jedoch bei Jan überhaupt nicht. Es gab immer wieder Situationen in denen ich nicht mehr weiter wusste. Mit den gut gemeinten Ratschlägen anderer konnte ich nichts anfangen, denn diese fruchteten keineswegs. Ich hinterfragte ihn und natürlich mich selbst. Meine Nachbarin Jutta, hatte wie jede andere Mutter, auch ihre Probleme mit ihrem Sprössling und ich bekam das oft mit. Ihre Methode war es, den Kleinen dermassen anzuschreien und einzuschüchtern, zu beschimpfen, «dem Teufel ein Ohr ab». Ich sehe keinen grossen Unterschied, ob man ein Kind psychisch fertig macht oder körperlich quält, denn beides hat schwerwiegende Folgen. Wir hatten deswegen auch schon Streitdebatten, weil sie fand, dass Dieter zu rau mit Jan umging, wo ich ihr Recht gab und in diesem Punkt auch nicht widersprach. Doch sah sie nicht ein, dass man auf psychischer Ebene auch viel anrichten konnte, was auch keinesfalls in Ordnung ist.
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