Während Charles Fox versuchte, verschiedene deutsche Kleinstaaten, die nicht in die Rheinföderation Bonapartes hineingezwungen worden waren und Preußens König Friedrich Wilhelm III erneut an England und Russland zu binden, hatte der französische Kaiser Marie-Louise, eine Tochter des österreichischen Kaisers zur Frau genommen. Damit hatte der ehemalige Jakobinergeneral aus Korsika erfolgreich in eines der ältesten Herrscherhäuser des Kontinents eingeheiratet. Seine Stellung in Europa wurde dadurch erheblich verstärkt. Napoleon zog immer neue Soldaten für den Dienst in den Streitkräften ein. Seine Offiziere durchkämmten Frankreich und die Länder der französischen Alliierten, um Pferde zu requirieren. Alles deutete darauf hin, dass der Kaiser einen neuen Feldzug plante. Nur mit einem großen Problem hatte er zu kämpfen: Sein Land besaß noch immer keine ernst zu nehmende Flotte. Frankreich hatte sich nie von Admiral Horatio Nelsons Sieg bei Kap Trafalgar erholt. Im Februar 1806 hatte der britische Admiral Sir John Ducksworth dann auch noch eine große Flotte französischer Kriegsschiffe unter Konteradmiral Corentin de Leissegues vor Santo Domingo zerstört und diese Insel und Martinique von ihren Kommunikations- und Nachschublinien mit Europa abgeschnitten. Anfang Juli 1806 hatte Sir John Stuart von Gibraltar aus Kalabrien überfallen und in einem wahren Husarenstück die Truppen des französischen Generals Reynier bei Maida geschlagen. England arbeitete gegen Napoleon mit einer erfolgreichen Politik der kleinen Nadelstiche. All diese Erfolge konnte auch Arthur sich ein wenig auf die Fahne schreiben. Er war im Großen und Ganzen zufrieden, den Schritt in die Parteipolitik gewagt zu haben. Die Konservativen respektierten ihn und mit einer ganzen Reihe von Liberalen hatte er ein sehr zufriedenstellendes Arbeitsklima etabliert. Nur die Radikalen um John Cobbett, den Verleger des Political Register hatten es sich in den Kopf gesetzt, zu einem Kreuzzug gegen die ganze Familie Wellesley aufzurufen. Anlass hierfür war wie üblich ihr ältester Bruder Richard. Lord Mornington hatte seit seiner Rückkehr aus Indien all seine politischen Freunde vor den Kopf gestoßen. Es war nur Arthur und dem jüngsten Wellesley, Henry, zu verdanken, dass man den überheblichen und selbstgefälligen Aristokraten nicht aus der konservativen Partei ausgeschlossen hatte. Doch während Kitty sich noch gemeinsam mit Henry Pagets Schwester in Brighton vergnügte und Arthur zu einer Inspektion seiner Truppen in Hastings aufgebrochen war, explodierte eine wahre Bombe im Unterhaus. Es war dem boshaften Journalisten John Cobbett irgendwie gelungen, einen pensionierten Händler aus Indien aufzuspüren und dieser Mann brachte in die Affäre um Arthurs ältesten Bruder Verwirrung und eine gehörige Portion Zwietracht: Der Händler, ein gewisser James Paull, hatte ein Kontor in der Provinzstadt Oudh verwaltet. Dort hatte er im Lauf der Jahre ein ansehnliches Vermögen erwirtschaftet. Doch immer wieder war seine Niederlassung von Marattha-Banditen geplündert und niedergebrannt worden. Aus diesem Grunde hatte James Paull schließlich den General-Gouverneur in Kalkutta um Hilfe ersucht. Richard Lord Mornington hatte daraufhin seinem jüngeren Bruder, General Arthur Wellesley befohlen, die Marattha-Banditen zur Strecke zu bringen. In Oudh kehrte wieder Frieden ein. Um diese Situation auch für die Zukunft zu sichern, wurde der dritte Wellesley-Bruder Henry beauftragt, einen entsprechenden Vertrag mit dem Nabob auszuhandeln. Nach erfolgreichem Abschluss dieses Vertrages sah sich James Paull allerdings mit einer teuflischen Situation konfrontiert: Einerseits war er gezwungen, Steuern sowohl an die britische Verwaltung als auch an den Nabob abzuführen. Darüber hinaus wurden weitere Handelsniederlassungen in Oudh eröffnet. Angezogen durch den Frieden und die Sicherheit in dieser Region, strömten immer mehr britische und indische Händler in die Provinzstadt, um ihr Glück an der Grenze des Maharashtra zu versuchen. Am Ende verlor James Paull nicht nur seine Monopolstellung. Er sah sich sogar gezwungen, sein Kontor schließen, da er mit den Neuankömmlingen nicht konkurrieren konnte. Voller Hass gegen die drei Wellesley-Brüder, die er für seinen Bankrott verantwortlich machte, kehrte Paull nach England zurück. Als der Händler von der Untersuchungskommission gegen Lord Mornington hörte, setzte er alles daran, vorgeladen zu werden, um den ehemaligen Gouverneur und seine beiden Brüder anzuklagen. Doch niemand wollte ihm so richtig zuhören. Schließlich wandte er sich an den Journalisten und Parlamentarier Cobbett. Vor dem Unterhaus in Westminster erklärte Paull, Mornington habe von den Geldern der britischen Regierung und der Ostindischen Kompanie nur zu seinem eigenen Nutzen Gebrauch gemacht, ja sie gar verschwendet. Bestärkt durch ein Urteil aus dem Jahre 1805 gegen den Ersten Lord der Admiralität, Lord Melville, der Gelder der Marine bei der Coutts-Bank investiert hatte und dadurch indirekt persönlichen Profit erwirtschaften konnte, waren Cobbett und sein ganzer radikaler Flügel ins Gefecht gegen die Wellesleys gezogen. Mornington reagierte auf diese Anklagen in einer sehr undiplomatischen Art und entzündete damit ein wahres Pulverfass. Henry Paget hatte von seiner Hinterbank aus erfolglos versucht, gemeinsam mit anderen politischen Freunden von Arthur, den Skandal abzuwiegeln. Doch Arthurs ältester Bruder war heißblütig und überheblich. Es kam zu einer peinlichen, öffentlichen Auseinandersetzung zwischen ihm und Cobett. Im allgemeinen Tumult am Ende der lautstarken Parlamentssitzung, nahm Henry Paget, Robert Castlereagh zur Seite. "Wir müssen unbedingt Arthur aus Hastings zurückholen. Mornington und dieser James Paull sind auf dem besten Weg mit ihrer Privatfehde größtes Unheil anzurichten. Der fette Freddie wartet doch im Augenblick nur auf irgendeinen Vorwand, um mit den Wellesleys abzurechnen. Doch an Mornington kommt er nicht heran. Ich befürchte, unser nachtragender Oberkommandierender der Streitkräfte wird sich deshalb mit unserem gemeinsamen Freund Arthur anlegen." Castlereagh nickte besorgt. Er warf seinem Parteikollegen George Canning einen fragenden Blick zu. Der kahle Journalist aus Devon machte auf den Hacken kehrt und eilte in den Sitzungssaal zurück.
" Canning wird versuchen, noch einmal mit Cobbett zu reden. Doch wir sollten hier nicht auf Einsicht hoffen. Du kennst Cobbett und weißt, wie sehr der Mann nach Schlagzeilen auf der Titelseite giert, Henry! "
"Robert, jemand sollte nach Hastings reiten und Arthur nach London zurückrufen, aber diskret. Wenn der Sepoy-General angerannt kommt, wie ein Jagdhund, wird Cobbett versuchen, dies als Schuldeingeständnis auslegen."
"Wer könnte reiten?“
"Keiner von uns! Wenn wir morgen nicht im Parlament sitzen und übermorgen plötzlich Arthur mit gezogenem Schwert und in voller Rüstung auftaucht, dann ist dies nicht sehr diplomatisch. John Dunn ist leider zusammen mit ihm in Hastings … ich werde mit Lady Sarah Lennox reden." Castlereagh legte Paget die Hand um die Schulter: "Beeile Dich, Henry! Cobett ist eine Viper und Mornington ein Vollidiot. Ich werde versuchen ihn so gut, wie möglich auszubremsen. Richmond und der alte Bucky weigern sich ja seit dem letzten großen Streit, überhaupt noch mit diesem Hitzkopf zu reden." Die Männer trennten sich und Paget überquerte die Themse. Kurz erklärte er Sarahs Mutter die Situation. Georgiana schüttelte bedauernd den Kopf: "Henry, meine Tochter ist in ihrem Krankenhaus in Lambeth. Ich habe keine Ahnung, wann sie nach Hause kommt!"
"Mylady, lassen Sie bitte eine kleine Reisetasche für ihre Tochter packen. Ich werde Sarah schon finden und mit Ihrer Erlaubnis auf den Weg nach Hastings schicken."
Paget überquerte im scharfen Trab die Westminster Brücke und ritt vorbei an Lambeth Palace in die Lambeth Road. Über Southwark kam er in den Stadtbezirk Lambeth. Dort hielt er einen Botenjungen auf: " Kleiner, bringst Du mich für einen Schilling auf dem schnellsten Weg zum Lambeth Charities Hospital des Malteserordens?"
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