Nach den vorherigen Erläuterungen möchte ich dem kurdischen Forscher und Pädagogen Rafīq Ḥilmī (starb 5.8.1960) zustimmen, wenn er sagt: „Die kurdisch-christliche Feindschaft war eine Frucht dessen, was die osmanische Regierung gepflanzt hatte“.105 Was Ḥilmī sagt, deckt sich mit der Ansicht des armenischen Wissenschaftlers Safrastian, der der osmanischen Regierung die ganze Schuld an den Zusammenstößen zwischen Kurden und Armeniern gibt.106
Zusammenfassend möchte ich sagen, wenn man die Reiseberichte und Werke mancher unsachlicher Autoren auswertet, sollte man sehr genau zwischen Tatsachen und gefühlsmäßigen, persönlichen Eindrücken unterscheiden. Eben darum bemühte ich mich hier. Ich glaube daher, dass Chalfin mit Recht sagt: „Eine große Zahl der Quellen abendländischer Herkunft, die über Kurdistan im 19. Jh. berichten, nennen die Kurden „Diebe und Räuber“. Solche Benennungen stimmen nicht immer mit den Tatsachen überein“.107
Im 20. Jh. (besonders nach der Gründung der Staaten Irak und Syrien, wo Kurden und Araber in einem Staat zusammenleben) zeigte sich bald die Notwendigkeit, über die Kurden zu forschen. Als Folge davon wurden viele Bücher über die Kurden in arabischer Sprache von Arabern geschrieben.
Die beiden Bücher von Ṣiddīq al-Damlūğī108 waren für mich wichtige Quellen auch für die Zeit von Mīr-ī Kōra. Damlūğī war osmanischer und später irakischer Beamter, der 15 Jahre lang unter den Bahdīnān-Kurden bzw. den Yazīdī lebte.109 In seinem Buch „al-Yazīdiyyah“ berichtet er ausführlich über die Yazīdī-Religion und führt verschiedene Meinungen dazu an. Er sammelte mehrere muslimische „Fatwās“ gegen diese Sekte. Das Buch enthält Erfahrungen und Eindrücke eines mehrjährigen Lebens unter den Yazīdī und zeugt von dem Interesse al- Damlūğīs für die geschichtlichen Zusammenhänge. Dieses Buch bildet eine Quelle für die Beziehungen zwischen den Yazīdī und Mīr-ī Kōra.
In seinem zweiten Buch vermittelt Damlūğī einen Überblick über die ‘Imādiyyah-Fürstentümer oder das Bahdīnān (kurd. Bādīnān)-Emirat, die Geschichte des Emirates, seinen Fürsten, die Stellung der Osmanen zu dem Emirat, die ‘Ulamā, die Schulen, die Beamten…. usw. Das Buch schildert auch die Beziehungen zwischen Mīr-ī Kōra und dem Bahdīnān-Emirat.
Vergleicht man das Werk Damlūğīs mit anderen Werken, so stellt man fest, dass er im allgemeinen die Begebenheiten wahrheitsgetreu erzählt, obwohl er manchmal bei einem Urteil über die Fehler seiner sunnitisch-muslimischen Glaubensgenossen ein Auge zudrückt und den Yazīdī fast alle Schuld zuschreibt.110
Das Werk von Ḫaṣbāk111 gehört zu den objektivsten und wissenschaftlich einwandfreiesten Werken, die bis jetzt über die Kurden verfasst wurden. Ḫaṣbāk studierte die kurdische Geschichte von Grund auf und promovierte an der Londoner Universität über Humangeographie des irakischen Kurdistan. Sein Buch enthält einen kurzen Überblick über die kurdische Geschichte und stellt die historisch-geographischen Fragen von Kurdistan dar, beschreibt ferner die kurdischen Fürstentümer und das soziale Leben der Kurden. Auch die kurdische Mentalität und die Meinung anderer Völker über die Kurden werden behandelt. Sein Werk ist m. E. eine knappe und sachliche Studie über die Kurden. Ich habe dieses Werk manchmal zitiert.
Das Buch „al-Qaḍiyyah al kurdiyyah (die kurdische Frage)“ von Maḥmūd al-Durrah enthält viele Tatsachen über das Sōrān-Emirat von Mīr-ī Kōra, die der Verfasser teilweise von anderen Quellen übernommen hat und zu denen er Stellung nimmt. Das Buch ist ein allgemeiner Überblick über die kurdische Geschichte vom Standpunkt eines arabischen Fanatikers.112 Obwohl er versucht, sich als objektiven Wissenschaftler zu geben, konnte er sich von politischer Parteilichkeit nicht freimachen. Er entnahm den europäischen und orientalischen Quellen nur, was in seine Vorstellung passte. Andere Quellen oder Meinungen werden als „imperialistisch“ abgelehnt.
Obwohl dieses Buch eine chauvinistische Tendenz hat, möchte ich es erwähnen, weil es erstens die Vorstellung eines bestimmten Kreises unter den Arabern widerspiegelt, zu denen auch al-Ġāmrāwī113, Aḥmad Fawzī114, Rašīd al-Fīl115 u. a. gehören; zweitens, weil es Vergleichsmöglichkeiten zwischen verschiedenen Auffassungen über Mīr-ī Kōra und die Kurden im allgemeinen bietet.
Das Buch „Ta’rīḫ al-Mawṣil (Geschichte Mossuls)“, das von dem irakischen Wissenschaftler und der bekannten christlichen Persönlichkeit Sulaimān al-Ṣā‘iġ116 stammt, enthält einige Nachrichten über Mīr-ī Kōra. Ṣā’iġ hat sowohl muslimische als auch christliche Quellen für sein Werk benutzt. Deshalb ist sein Werk nicht einseitig.
Das Buch „al-Ta’rīḫ al-ḥadīt (die neue Geschichte)“, das 1959 in den irakischen Schulen eingeführt wurde, enthält ein Kapitel über Mīr-ī Kōra. Dieses Buch ist mir insofern wichtig, als es die offizielle arabisch-irakische Auffassung über Mīr-ī Kōra vermittelt.
Das Buch „Ta’rīḫ al-ta’līm fī al-‘Irāq fī al-‘ahd al-‘Uṯmānī (Geschichte des Unterrichtswesens im Irak in der osmanischen Zeit)“ des irakisch-schiitischen Pädagogen al-Hiālī117 ist eine Quelle für das Erziehungs- und Schulwesen im Irak und dadurch auch in Kurdistan. Dieses Buch war ein Hilfsmittel, das Hintergrundmaterial für die kulturelle Lage im Sōrān-Emirat liefert.
Das Werk „Ta’rīḫ al-tašrī‘ al-islāmī (Geschichte der islamischen Gesetzgebung)“ des sunnitisch-ägyptischen Gelehrten al-Ḫūḍarī Beg118 stellt einen kurzen Überblick über die Geschichte der islamischen Gesetzgebung dar. Es diente mir als Beleg bei der Zitierung aus diesem Sachgebiet. Dieses Buch ist im Vergleich mit anderen Werken über das gleiche Thema als systematisch und konzentriert zu bezeichnen.
Aus der osmanisch-türkischen Literatur habe ich verwendet:
„Sālnāme-i Vilāyet-i Muṣul (Jahrbuch der Provinz Mossul)”. Der Verfasser Tevfiq Fikret119 (geb. 1867) erzählt die Geschichte der Beseitigung Mīr-ī Kōras. Diese Quelle ist insofern wichtig, als sie die Ereignisse gestützt auf offizielle Quellen der osmanischen Regierung darstellt.
Das „Siğill-i ‘Uṯmānī (Osmanisches Verzeichnis)“ ist ein wichtiges biographisches Lexikon über osmanische Persönlichkeiten. Darin ist jedoch nur eine kurze, allerdings wichtige Angabe über Sturz und „Absetzung“ von Mīr-ī Kōra, nämlich das Jahr des Sturzes bzw. der „Absetzung“ Mīr-ī Kōras. Der Verfasser dieses Lexikons war Mitglied der osmanischen höheren „Ma‘ārif Meğlisi“. Es ist in 4 Bänden in Istanbul erschienen.120
Das „Siyāḥetnāme“ von Evliyā Čelebi121, der 1065h. (1654) Kurdistan bereiste, enthält verschiedene Berichte über die Politik des osmanischen Reiches gegenüber den kurdischen Emiraten. Das Werk stellt ferner eine gute Information über das osmanische Verwaltungssystem in Kurdistan dar und ist ein geographischer Führer für viele kurdische Gbiete. Als Reisebericht enthält es eine Menge wichtiger und interessanter Informationen.
In diesem Zusammenhang ist das Werk „Ta’rīḫ-i Ğevdet (Geschichte Ğevdets)“ des bekannten osmanischen Wesir Aḥmed Ğevdet Pāšā (1822-1895) zu erwähnen. Es ist eine gute Quelle für die Beziehungen zwischen Osmanen und Qāğāren im 19. Jh. Aus diesem Werk habe ich einige Nachrichten über die erwähnte Zeit herausgezogen.122
Ferner zitiere ich aus dem bekannten Lexikon „Qāmūs al-a’lām (Wörterbuch der hervorragenden Persönlichkeiten)“123 einige Male, ebenso aus „Ta’rīḫ-i Na‘īmā (Na‘īmās Geschichte)“124 einige Nachrichten, die sich auf das Sōrān-Emirat im 18. Jh. beziehen.
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