II. ÜBERSICHT ÜBER DIE VERWENDETEN TEXTE
1. Kurdische Texte in kurdischer Sprache
Die kurdischen Texte, die ich bei dieser Arbeit verwendet habe, sind folgender Art:
Zu den wichtigsten primären Quellen gehört das Manuskript der Memoiren und geschichtlichen Eindrücke des kurdischen Gelehrten Malā As’ad-ī Xēlānī (1270h.-1349h.1853/4-1930/1). Das Werk ist ein Dokument für das Sōrān-Emirat während der letzten 300 Jahre und besonders ausführlich für die Zeit Mīr-ī Kōras. Xēlānī war der Sohn des Ḥāğī Malā ‘Umar Efendī Xēlānī, eines bekannten Gelehrten seiner Zeit in Kurdistan und Zeitgenossen von Mīr-ī Kōra.6
Ein Exemplar des Manuskriptes befindet sich in Kurdistan bei seinem Sohn ‘Abd al-Karīm-ī Mudarris, der ebenfalls ein bekannter Gelehrter ist.7 Ein anderes Exemplar mit 92 handschriftlichen Seiten habe ich bei Herrn Gīw-ī Mukriyānī in seiner Privatbibliothek 1960 in Hawlēr (Erbil) gesehen. Letzteres ist eine Kopie, wovon ich eine weitere Abschrift besitze. Nach dieser Abschrift ist in der vorliegenden Arbeit zitiert worden.
Nach dem Verfasser wurde das Buch im Dorf Warda im Bāłakān-Gebiet auf Aufforderung des kurdischen Fürsten Sayyid Tahā-ī Šamzīnī geschrieben und am 29. Ša’bān 1345h. (4. März 1927) abgeschlossen. Das Buch behandelt die oben erwähnte Periode der Geschichte von Sōrān, ihre ‘Ulamā, Scheiche und Fürsten ganz kurz. Dabei wird auch das Bahdīnān-Fürstentum nicht ganz vernachlässigt. Die Quellen des Werkes sind die persönlichen Erfahrungen und Erlebnisse des Verfassers und die Nachrichten, die er von den ‘Ulamā und gut informierten Kurden, die zurzeit Mīr-ī Kōras lebten, erhalten hatte. Das Buch ist im Rawāndiz-Dialekt geschrieben. Stil und Orthographie sind altmodisch. Dieses Buch ist insofern wichtig, als es zeigt, welche große Rolle die religiösen Faktoren in der Gesellschaft zurzeit Mīr-ī Kōras spielten und wie sie beim Niedergang des Emirates mitwirkten.
Das Manuskript wurde auch von anderen Forschern, z. B. Zakī8, als Quelle verwendet.
Zu den gedruckten sekundären Quellen, die z. T. wissenschaftliche Forschungen darstellen, gehören die Werke der beiden kurdischen Historiker Generalmajor Muḥammad Amīn Zakī (1880-1948) und Ḥusain Ḥuzni Mukriyānī (1886-1947). Zakī war einer der bekanntesten wissenschaftlichen und politischen Persönlichkeiten nicht nur in Kurdistan, sondern auch im Osmanischen Reich und im Irak.9 Als Jüngling studierte Zakī in religiösen Schulen10 in Sulaimānī, woran sich ein Studium an der militärischen Fakultät in Istanbul anschloss.11 Er bekleidete höhere Posten in osmanischen Militärorganisationen und arbeitete auch auf topographischem und technischem Gebiet. Zakī nahm auch an der Arbeit von Grenzkommissionen zwischen dem Osmanischen Reich und Bulgarien im Jahre 1908 und Russland, 1914 im Kaukasus, teil. Während des ersten Weltkrieges erwarb er viele Auszeichnungen, darunter einen Orden der österreichischen Regierung im Oktober 1917 und das deutsche Eiserne Kreuz am 1. März 1918. Nach dem Sturz des Reiches ging er am 24. Juli 1924 nach Irak. Zakī schrieb einige wertvolle Bücher über die Geschichte der osmanischen Kriege in türkischer Sprache. Einige davon wurden in Istanbul gedruckt.12
Im Irak wurde Zakī Leiter der Militärakademie in Bagdad als Mīr-ālāy und bekleidete achtmal einen Ministerposten zu verschiedenen Zeiten. Diese Stellungen gaben ihm gute Gelegenheit, mit vielen einheimischen und ausländischen Fachleuten Kontakt aufzunehmen. Zakī beherrschte neben den vier orientalischen Sprachen13 einige europäische Sprachen. Er reiste öfters nach Europa, um Bibliotheken zu besuchen.14 Seine angeborene Intelligenz und sein Beruf schufen ihm alle Voraussetzungen, um wissenschaftliche Werke über die Kurden verfassen zu können. Seine Werke werden durch orientalische und europäische Dokumente beweiskräftig gemacht. Ich möchte sagen, dass seine versteckte Zuneigung zur Sunnī-Konfession und seine Kritiklosigkeit gegenüber dem Islam als Religion und Regierungssystem nicht so sehr ins Gewicht fallen. Man kann sein Buch dennoch als einen im Großen und Ganzen guten Beitrag betrachten. Inzwischen sind seine Werke traditionelle Quellen für diejenigen geworden, die über kurdische Geschichte schreiben und sogar für jene, die gegen die Kurden schrieben.15
Der erste Band seines Werkes „Xōlāṣayak-ī ta’rīḫ-ī Kurd ū Kurdistān“16 ist eine bedeutende Quelle für die allgemeine kurdische Geschichte oder, wie Zak ī selbst mit Bescheidenheit sagt17, eine Arbeit im „Lichte und nach der Methode des Artikels von Minorsky in der EI“. In diesem Band findet man viele Nachrichten und Angaben über Mīr-ī Kōra und sein Emirat.
Der zweite Band18 ist eine Quelle für die kurdischen Emirate und Dynastien in der islamischen Zeit. Dieser Band enthält viel Wissenswertes über das Emirat Mīr-ī Kōras.
Sein Werk über die Geschichte von Sulaimānī befasst sich mit dem Fürstentum Bābān, also dem Emirat von Šārazūr, sowie den Derwischorden wie Qādirī und Naqišbandī, die in diesem Gebiet ansässig waren. Es beschreibt auch die Persönlichkeiten des Gebietes. Dieses Buch habe ich als Quelle für die Forschung über die Beziehungen zwischen den Emiraten Bābān und Sōrān in der Zeit Mīr-ī Kōras benutzt.19
In seinem Werk Nāwdārān-ī Kurd (Die bekannten Kurden)20 gibt Zakī Biographien zahlreicher kurdischer Persönlichkeiten der islamischen Zeit, er rechnet aber alle Personen, die kurdischer Abstammung waren, als Kurden, ohne ihre Einstellung zum Kurdentum zu berücksichtigen. In diesem Buch ist auch eine kurze Biographie von Mīr-ī Kōra zu finden, die der arabische Übersetzer Muḥammad ‘Alī ‘Awnī beigetragen hat.21
Glücklicherweise sind von allen diesen Werken Übersetzungen ins Arabische vorhanden. Der kurdische Theologe, Forscher und Sprachkenner Muḥammad ‘Alī ‘Awnī (1897-1952), der Privatdolmetscher von König Fārūq von Ägypten war, Direktor von Fārūqs Privatbibliothek und Archivar, hat diese Aufgabe übernommen.22 ‘Awnī hat nicht nur die Texte in hervorragendem arabischen Stil übersetzt, sondern auch die Zuverlässigkeit der Berichte überprüft und viele Beiträge und Fußnoten hinzugefügt, die den Werken Zakīs einen zusätzlichen Wert geben. Das letzte Werk von Zakī, Ta’rīḫ-ī Sulaimānī ū Wułātī (Geschichte Sulaimānīs und seiner Umgebung)23 wurde von Rōžbayānī ins Arabische übersetzt und mit vielen Kommentaren und Fußnoten versehen.24 Rōžbayānī ist ein bekannter kurdischer Gelehrter unserer Zeit.25 Er verfügt über umfangreiche historische und sprachliche Kenntnisse. Rōžbayānī hat auch das Šarafnāma ins Arabische übersetzt.26
Da die arabischen Übersetzungen von Zakīs Werken von vorzüglicher Qualität sind, können sie an Stelle des kurdischen Originals benutzt werden. Ich gab jedoch immer Hinweise, wenn ich etwas vom Übersetzer und nicht vom Verfasser als Zitat übernahm.
Auch die geschichtlichen Werke von Ḥuznī Mukriyānī sind unerlässlich für jeden, der die kurdischen Fürstentümer erforscht. Mukriyānī verfasste mehrere Bücher über die kurdische Geschichte27 und gab einige Zeitungen in kurdischer Sprache heraus.28 Er gründete als erster 1915 eine Druckerei in Kurdistan. Seine Werke sind frei von religiösen Tendenzen. Im Gegensatz zu Zakī, der bei seinen Forschungen hauptsächlich europäische Quellen zugrunde legte, stützte sich Mukriyānī in erster Linie auf orientalische Quellen. Unter den sehr spärlich verwendeten europäischen Werken wiederum befinden sich nur solche in englischer Sprache. Charakteristisch für seine Werke sind Befragungen Alteingesessener, die entweder die Ereignisse selbst erlebten oder sie von ihren Vorfahren erzählt bekommen haben. So erhält man Nachrichten und Informationen, die man woanders kaum finden kann. Mukriyānī verwendet auch folkloristisches Schrifttum. Die Übernahme aus Berichten anderer ist durchaus zuverlässig. Beim Vergleich seiner Werke mit anderen Quellen und nach persönlichen Befragungen stellte ich im wesentlichen Deckungsgleichheit mit anderen Werken fest, obwohl er sich stilistisch etwas anders ausgedrückt hat. Sein Buch Mēžū-ī Mīrān-ī Sōrān (Geschichte der Sōrān-Emire; erschien 1935), war eine wichtige Grundlage für die vorliegende Arbeit. Dieses Werk enthält einen kurzen Überblick über die Geschichte des Sōrān-Emirates von der frühesten Zeit (wie sie im Šarafnāma dargestellt ist) bis zu seinem Niedergang. Dabei ist die Geschichte von Mīr-ī Kōra ausführlich berücksichtigt.
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