„Genau so würde ich es mit Hansi auch machen“, lacht meine Oma und wir beide stimmen laut mit ein.
Wir verbringen den Abend mit netten und lustigen Gesprächen, während wir von einem Tisch zum nächsten gehen und von einem Grüppchen zum anderen. Ich halte immer unauffällig Ausschau nach Tom, aber er ist wie vom Erdboden verschwunden. Vielleicht hat er ja eine Andere aufgerissen. Stört mich das? Nicht im Geringsten. Ein wenig vielleicht. Wo steckt der nur? Später am Abend hält Paul noch eine Überraschung bereit. Sie werden nie darauf kommen, was sich unser Prolet hat einfallen lassen. Etwas ganz tolles. Etwas, was sich jede Frau auf ihrem Polterabend wünscht: eine hübsche Bauchtänzerin! Wie kommt der auf so eine Idee? Nicole soll doch die weibliche Hauptperson sein, um die sich alles dreht und nicht irgendeine Tanzmaus, die ihr Becken kreisen lässt.
„Super Idee, oder?“, klingt es über meine Schulter. Tom ist wieder aufgetaucht.
„Das meinst du nicht ernst?“
„Wieso, ist doch cool. Ist mal was anderes.“
„Ja, geschmacklos.“
„Die Gäste finden es toll.“
„Stimmt, hauptsächlich die männlichen von Paul´s Familienstammbaum und Freundeskreis.“ Ich sehe mich in der grölenden, betrunkenen Menge um.
„Dann hätte ich es ihm wohl nicht empfehlen sollen?“
„Das war deine Idee?“ Ich kann es nicht fassen. „Ich glaube, ich muss mein Bild von dir noch mal überdenken.“
„Wie war es denn bisher?“ Er legt seinen Arm um mich, als wäre es selbstverständlich.
„Witzig, nett, charmant, süß, ...“, flirte ich mit ihm.
„Dann kommt jetzt wohl noch geschmacklos hinzu?“, fragt er.
„Nein, das hatte ich schon auf der Liste, als ich dein T-Shirt sah.“ Das macht Spaß.
„Was ist daran so schlimm?“, will er wissen.
„Nichts, hey du bist Paul´s Freund. Wir können uns glücklich schätzen, dass es Ärmel hat.“
„Du bist echt der Hammer. Frech wie Oskar.“
„Nur hübscher.“ säusele ich.
„Da hast du Recht.“ Er drängt sich näher an mich und schaut mir in die Augen. Ich hoffe, er will mich jetzt nicht küssen. Vor meiner ganzen Familie? Die wissen doch, dass ich ihn eben erst kennen gelernt habe. Meine Mutter wollte zwar, dass ich jemanden treffe, sie wollte aber bestimmt nicht, dass alle mit ansehen, dass ihre Tochter ein Flittchen ist, die mit dem nächst Besten herumknutscht.
„Sam.“ Habe ich ein Glück. Anne kann wohl doch meine Gedanken lesen. Ich löse mich von Tom, um nach ihr zu schauen.
„Willst du noch lange bleiben? Ich bin total müde.“ Stimmt, sie sieht echt fertig aus.
„Nein, von mir aus können wir gehen.“
„Du kannst ruhig noch bleiben, ich kann mir auch ein Taxi rufen.“
„Nein, ist schon ok, ich bin auch müde.“ Ein wenig.
„Also dann“, sage ich zu Tom. „war nett dich kennenzulernen.“
„Schade, dass du schon gehst, aber wir sehen uns ja bald wieder.“
„Vielleicht gehen wir mal wieder ins `Calypso`“, antworte ich.
„Nein, ich meine nächste Woche.“ Habe ich irgendetwas verpasst?
„Bei der Hochzeit, Blondi. Schon vergessen, ich bin Trauzeuge.“
„Blondi darf mich nur meine Busenfreundin nennen und ja, ich hatte es vergessen. Die Bauchtänzerin hat es wohl mit ihren Schwingungen aus meinem Hirn geschleudert.“
„Bis nächste Woche, ich freue mich darauf. Mach dich hübsch für mich.“ Er zwinkert mir zu und grinst über´s ganze Gesicht.
„Ich weiß, sonst werde ich gehauen“, sage ich im Weggehen.
„Muss ich das verstehen?“, fragt Anne verwirrt.
„Erzähle ich dir nachher“, beruhige ich sie. Wir verabschieden uns von allen und laufen zum Auto.
Die frische Luft tut richtig gut.
„Kann ich heute bei dir schlafen?“, gähnt Anne.
„Ich habe nichts anderes erwartet, mein Honigmäulchen“, erwidere ich, während wir ins Auto steigen.
Beim Wegfahren sehe ich Tom, wie er uns nachwinkt. Wir winken zurück und Anne will in allen Einzelheiten wissen, was zwischen uns war. Ich erzähle ihr es und als wir bei mir zu Hause ankommen, meint sie:
„Der steht eindeutig auf dich.“
„Mag sein“, freue ich mich.
„Und wenn ich mich nicht täusche, dann du auch auf ihn.“
„Mag sein“, wiederhole ich mich mit einem wohligen Gefühl im Bauch.
„Übrigens, Nicole hat mich auch zur Hochzeit eingeladen. Sie meinte, neben dir wäre noch ein Platz frei. Da wollte wohl niemand sitzen“, stichelt Anne.
„Blöde Kuh.“
„Ich liebe dich auch.“ Lachend und Arm in Arm gehen wir in meine Wohnung, um wenig später nebeneinander dem Tiefschlaf zu verfallen.
Es ist schön zu wissen, dass jemand da ist, wenn man aufwacht, auch wenn es nur so ein Schnarchsack wie Anne ist und wenn Einbrecher kommen, kann ich sagen `Nehmt die, die nimmt die Pille.` Ich nehme sie zwar auch, aber man weiß ja nie. Nicht dass ich noch von so einem daher gelaufenen Assi mit kriminellen Hintergrund schwanger werde. Wie soll ich das dem armen Kind denn erklären? An dieser Stelle klinken wir uns aus, bis morgen, gute Nacht.
Am nächsten Morgen werde ich von einem unruhigen Hin- und Hergewälze neben mir wach. Das heißt, wach wäre übertrieben. Ich schaue aus einem halben Auge Richtung Nachbarbett.
„Was ist los?“, frage ich Anne.
„Ich muss auf´s Klo, bin aber zu faul aufzustehen. Ich will noch weiter schlafen“, antwortet sie mit Brummbärstimme.
„Du meinst, so tief und fest wie gerade? Danke, dass du mich daran teilhaben lässt.“
„Wenn ich ganz schnell schlafe, vergesse ich bestimmt, dass ich Pippi muss.“
„Hat ja bis jetzt super funktioniert“, antworte ich mit geschlossenen Augen. “Und wenn ich jetzt ganz schnell weiterschlafe, vergesse ich bestimmt, dass ich eine bekloppte Freundin habe.“
„... die natürlich gerade nicht anwesend ist“, meint Anne und steht endlich auf, um auf´s Klo zu gehen. Als sie sich wenig später wieder ins Bett fallen lässt, hoffe ich, noch ein wenig Schlaf ab zu bekommen. Heute ist schließlich Sonntag! Wie spät ist es überhaupt? Ist mir egal, ich bin noch müde.
„Sam, schläfst du?“, fragt Anne einige Minuten später.
„Ja.“
„Sag mal, geht es dir auch so, dass du immer, egal wo du bist, das letzte Klopapier von der Rolle ziehst und dann eine neue Rolle in den Halter machen musst? Mir passiert das ständig, ist doch komisch, oder?“
„Wenn du sonst keine Probleme hast.“ Die hat doch den Schuss nicht gehört.
„Soll ich schon mal Frühstück machen? Ich glaube ich kann nicht mehr einschlafen, deswegen wollte ich nicht aufstehen. Wenn ich mal aufgestanden bin, ist es vorbei, dann bin ich wach.“
„Danke, ich jetzt auch.“ Ich drehe mich, mit immer noch geschlossen Augen und die Decke fest um mich geschlungen, in ihre Richtung.
„Tut mir leid. Ich halte meine Klappe und lass dich noch schlafen.“ Sie steht auf und schleicht sich aus dem Zimmer. Jetzt bin ich doch wach. Was soll das Geschleiche? Gefühlte 5 Minuten später steht sie wieder auf der Matte.
„Sam, schläfst du?“ Bin ich hier bei „Und täglich grüßt das Murmeltier“?
„Ja.“
„Frühstück ist fertig“, flötet sie.
„Hmm, komme“, brumme ich zurück und erhebe meine müden Glieder, um ihr in die Küche zu folgen. Ich wohne in einer Zweizimmerwohnung mit großer Küche. Relativ groß. Für einen Ölscheich wäre sie wahrscheinlich noch als Abstellkammer zu klein. Der würde nur seine Uhren in meiner Küche aufbewahren. Fein säuberlich eine neben der anderen. Oder seine Krawatten. Oder nur die Halter für seine Krawatten. Vielleicht aber auch nur das Katzenfutter, wenn er welche hätte. Was fressen eigentlich Kamele?
„Ich glaube, ich brauche erst mal einen Kaffee.“
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