„Ich muss mal ...“ weiter komme ich nicht.
„Ich geh mit.“
„... nach Anne schauen.“ beende ich meinen Satz.
„Oh.“
„Wolltest du jetzt echt mit mir aufs Klo gehen?“
„Wieso nicht, am Ende schnappt mir dich noch einer weg.“
„Ja, auf der Damentoilette gibt es haufenweise Mädchen mit und ohne Samthandschuhen, die nur auf mich warten.“
„Genau, und auf dem Weg dorthin, gibt es mindestens genauso viele gierige Haie, die auf der Lauer liegen, um nach dir zu schnappen.“
„Bin ich wirklich so ein heißer Feger oder haben die sich mich alle schon schön gesoffen?“
„Also ich bin noch nüchtern“, wieder dieses Grinsen.
„Dann bist du also nur ein besitzergreifender Typ. Gesehen. Angeleckt. Meins.“ Sam, biete ihm nicht solche anzüglichen Wortspielerein. Ich wusste genau was jetzt kommt und spreche es fast mit ihm wie aus einem Munde:
„Angeleckt habe ich dich noch nicht.“
„Genau, aber was nicht ist, kann ja noch werden.“ Sein Blick bohrt sich weiter in mich hinein. Langsam geht mir meine Coolness aus.
„Ich raube dir ja nur ungern deine kleinen Barkeeperträume, aber dafür kenne ich dich noch nicht gut genug.“ Mit diesen Worten lies ich ihn sitzen, um nach Anne zu schauen. Das war zu mindestens mein Alibi. In Wirklichkeit war mir die Situation etwas zu heiß geworden. Nicht dass er noch denkt, ich bin leicht zu haben. Aber süß war er schon. Und witzig. Und süß. Witzig, süß, witzig, süß, ... singe ich in Gedanken.
„Ey Perle, Lust auf meinem Schoß zu sitzen?“, reist mich eindeutig ein Freund von Paul aus meinem Sing Sang.
„Ey Schabe, Bock von mir zertreten zu werden?“, antworte ich und kann mich gerade noch bremsen den Stinkefinger zu zeigen, schließlich sind auch Kinder anwesend.
„Die ist ja niedlich, ein richtiger Sonnenschein“, meint er ironisch in die Runde seiner dämlichen Kumpels. Ich überlege mir gerade eine passende Antwort, als mich jemand am Arm greift und zu sich zieht.
„Halt die Klappe Jo, sie gehört zu mir.“ Tom, mein schillernder Ritter, obwohl ich ganz gut alleine zu Recht gekommen wäre.
„Oh, Pardon, ich konnte ja nicht wissen, dass du deine Zähne schon in die Puppe vergraben hast“, grölt Jo laut unter tosender Begeisterung seiner nicht mehr ganz nüchternen Tischgenossen.
„Noch so ein Spruch und du kannst deine Zähne nie wieder in irgendetwas vergraben.“ Er hat sich mit der Falschen angelegt, dem werde ich es zeigen.
„Uuh, mir schlottern die Knie, schlag mich, schlag mich.“
„Also wenn du so lieb bettelst“, ich hole zum Schlag aus, werde aber von Tom zurück gehalten.
„Sam, der ist es doch gar nicht wert. Komm schon, du willst hier doch keine Prügelei anfangen?“ Tom zieht mich sanft vom Tisch der Idioten weg.
„Du hast ja Recht, aber solche Typen bringen mich auf die Palme.“
„Ich habe schon gewusst, wieso ich dich begleiten wollte“, grinst er, während wir weiter laufen. Ich weiß gar nicht genau wohin wir laufen.
„Ja, weil du diese Typen kennst. Hat Paul nur solche bescheuerten Freunde?“
„Ja, fast nur solche, mit einer Ausnahme: mich. Ich bin übrigens Paul´s Trauzeuge.“
„Was?“ Voller Entsetzen bleibe ich stehen und sehe ihn an. „Du bist sein Trauzeuge?“ Ich kann es nicht glauben. „Das heißt, ihr steht euch besonders nah? Man wählt doch immer jemanden, der einem viel bedeutet, oder hat man dich mit Waffengewalt gezwungen, weil sich niemand freiwillig gemeldet hat?“
„So schlimm ist Paul doch gar nicht. Du kennst ihn nur nicht gut genug.“ Tom scheint sich über mein ungläubiges Gesicht zu amüsieren.
„Doch, er ist sauber, ordentlich und hilft immer, wenn man ihn braucht.“ Jetzt amüsiert er sich noch mehr. „Sagt meine Mutter“, verteidige ich mich.
„Dann muss es ja stimmen. Mütter haben immer recht.“
„Meine hat noch gesagt, vielleicht treffe ich heute ein paar nette Freunde von Paul.“ Langsam kehrt mein Blut wieder in meinen Körper und meine Mundwinkel lächeln.
„Siehst du, hat sie wieder recht gehabt.“
„Aber ich habe doch noch keine netten Freunde getroffen.“ Ich bin wieder ich. Tom stößt mir liebevoll den Ellenbogen in die Seite.
„Ich denke du haust nur hässliche Mädchen?“, sage ich mit gespieltem Schmerz.
„Das habe ich nie gesagt.“
„Stimmt.“ Wir lächeln uns an und ich habe das Gefühl, er kommt dichter an mich heran, als ich plötzlich „Sam, da bist du ja“ höre.
„Mama. Wir haben gerade über dich gesprochen.“
„Ich hoffe nur Gutes.“
„Klar doch“, antworte ich und gebe ihr einen Kuss auf die Wange.
„Möchtest du mir nicht deinen Begleiter vorstellen?“ Was soll dieser süßliche Unterton?
„Das ist Tom und er ist nicht mein Begleiter, wir haben uns gerade erst kennen gelernt. Ich bin mit Anne da, die ich jetzt auch unbedingt mal suchen muss. Bis später.“ Gesagt, getan. Ich rausche davon.
Anne, wo steckst du nur? Ich schaue immer wieder von rechts nach links, während ich den riesigen Raum durchquere.
„Sam, hier drüben.“ Anne, Gott sei Dank. Sie sitzt bei meiner Oma und scheint sich köstlich zu amüsieren. Ich dränge mich durch herumstehende Gäste, bis ich bei ihnen bin.
„Alles klar Schatzi?“, frage ich und lege meinen Arm um Anne.
„Alles gut, mach dir keine Sorgen. Deine Oma ist der Knüller. Was die für Geschichten zu erzählen hat, zum totlachen. Dagegen ist Rollmopskotzen gar nichts. Was soll´s, es ist passiert und ich kann es nicht ungeschehen machen. Es gibt schlimmeres.“
Das ist meine Anne. Lässt sich nicht so schnell unterkriegen.
„Sag mal, der Barkeeper, steht der auf dich? Kommt mir fast so vor“, fragt sie voller Neugier.
„Keine Ahnung, kann schon sein“, antworte ich und versuche gleichgültig zu klingen.
„Blond ist doch gar nicht dein Beuteschema“, hakt sie weiter nach.
„Also erstens bin ich nicht auf der Jagd und zweitens gefallen mir auch Blonde.“
„Ach ja? Ist ja mal was ganz Neues. Nenne mir einen blonden Freund den du hattest.“
Denk, denk.
„Mir fällt gerade keiner ein. Das heißt aber nicht, dass mir grundsätzlich keine blonden Männer gefallen.“
„Nenne mir einen blonden Mann, der dir gefällt.“
Denk, denk.
„Brad Spliss und Hansi Hintergucker.“
„Hansi Hintergucker?“ Anne prustet schon wieder quer über den Tisch und diesmal bekommt es meine Oma ab.
„Schätzchen“, meint meine Oma „der Hansi ist ein ganz Netter. Ich war mal auf einem Konzert von dem, da wird man wieder jung, das sag ich dir. So tolle Lieder und so ein toller Mann. Und übrigens, geduscht habe ich heute schon, also spucke das nächste Mal in eine andere Richtung.“
„Entschuldigung“ meint Anne immer noch lachend. “Ich weiß nur, dass er ein Volksmusiksänger ist, auf den ältere Damen stehen. Ich wusste nicht, dass Sam zu seinen Fans gehört.“
„Was heißt Fan, ich finde ihn attraktiv und mag seine Musik. Und er ist blond. Und Brad Spliss auch“, sage ich trotzig.
„Brad Spliss mag auch Hansi Hintergucker?“ Anne findet sich wohl sehr komisch.
„Hattest du einen Clown zum Frühstück?“, frage ich. Gut, es war witzig. „Meinst du, die beiden kennen sich?“, spinne ich mit.
„Keine Ahnung“, meint Anne. „Stell dir mal vor, Brad Spliss, der amerikanische Schauspieltraum aller Frauen, käme hier herein, was da los wäre. Nicole würde ihren Paul noch vor der Hochzeit betrügen, meinst du nicht auch?“
„Dazu würde es nicht kommen, ich wäre schneller.“
„Wie würdest du das anstellen?“, hakt Anne nach.
„Zuerst müsste ich in eine Tüte atmen, um vor lauter Aufregung nicht zu Hyperventilieren, dann würde ich mit beiden Händen auf meinen Schoß klopfen, so wie man es bei Hunden macht und rufen `Ja wo is er denn, ja komm zu Frauchen` und wenn er dann auf meinen Schoß sitzt: festhalten, anlecken, meins!“
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