Martin Francis Forster - O Samael

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Als in der ersten Nacht des Jahres 1844 das Geburtshaus des Neugeborenen Adam einem Feuer zum Opfer fällt, ist es der Leibhaftige persönlich, der das Kind vor dem sicheren Flammentod rettet.
Der Junge wächst fortan unter der lieblosen Obhut seines verkrüppelten Vaters und seiner verbitterten Großmutter auf, bis er im Alter von dreizehn Jahren als Lehrling in der Schreinerei von Meister Esau ein neues Zuhause findet.
Der Teufel, der ein besonderes Interesse an Adam hat, bietet dem Heranwachsenden seine Freundschaft an und versucht, ihn durch Versprechungen auf seine Seite zu ziehen. Ohne zu ahnen, dass er sich dadurch den eifersüchtigen Zorn des Gehörnten zuzieht, lehnt Adam ab.
Die rätselhafte Prophezeiung einer Kräuterfrau und das Auftauchen eines jungen Zimmermanns, in den Adam sich verliebt, bringen das Leben in der Schreinerei durcheinander.
Um die Welt – und auch sich selbst – zu entdecken, geht Adam nach dem Ende seiner Lehrzeit auf eine dreijährige Wanderschaft. Je mehr er sich unterwegs den Annäherungen des Teufels zu widersetzen versucht, desto tiefer gerät er in einen Strudel aus Schuld, Sünde und moralischer Vergehen, dem er sich schließlich nicht mehr entziehen kann.
Viele Jahre später, lange nachdem er in sein Heimatdorf zurückgekehrt ist, blickt Adam auf seine Verfehlungen zurück und muss erkennen, dass alles, was er tat, dazu führte, die einstige Prophezeiung der Kräuterfrau wahr werden zu lassen.

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Martin Francis Forster

O Samael

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Inhaltsverzeichnis

Titel Martin Francis Forster O Samael Dieses eBook wurde erstellt bei

And how beguile you? And how beguile you? * And how beguile you? Death has no repose. James Elroy Flecker (The Golden Journey To Samarkand) *

I

II

III

IV

V

VI

VII

VIII

IX

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XI

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XIII

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XV

XVI

XVII

XVIII

XIX

XX

XXI

XXII

XXIII

XXIV

XXV

XXVI

XXVII

XXVIII

XXIX

XXX

XXXI

XXXII

XXXIII

Widmung und Danksagung

Impressum

And how beguile you?

*

And how beguile you? Death has no repose.

James Elroy Flecker

(The Golden Journey To Samarkand)

*

I

Eben noch war Stille.

Der Mondhimmel hatte die Farbe von angelaufenem Silber, und in der Neujahrsluft hing eine Ahnung von Schnee, der bald kommen mochte.

Alle Welt wartete.

Die Stadt wartete gespannt auf das Glockengeläut, das die Mitternacht verkündete, und mein Vater ungeduldig darauf, mich in den Arm nehmen zu können, denn ich war längst überfällig, schon einige Tage über der Zeit.

Als ich in der letzten Minute des Jahres 1843 endlich das Licht der Welt erblickte, hatten sich die Wehen schon seit Weihnachten hingezogen, und so wurde meine Geburt zu einer schmerzhaften und quälenden Tortur. Besonders schmerzhaft für mich, weil ich zu guter Letzt gar versucht hatte, mich durch Drehen und Wenden meiner Bestimmung zu entziehen.

Meine Mutter, halb wach, halb betäubt, stöhnte kaum, als ­teigig-bleiche Hände ihr den Bauch aufschnitten und mich aus ihrem Leib metzgerten; ich hingegen, der ich mich so geweigert hatte, meine warme, weiche Höhle zu verlassen, musste unweigerlich lachen, als ich die einfältigen Gestalten erblickte, die mich in Empfang nahmen.

Der Arzt, ein fetter Kerl mit dem Gesicht eines Kürbisses, grunzte: »Ein Sonntagskind, grade noch«, durchschnitt die Nabelschnur­ und gab mich in die Hände einer noch fetteren Frau, die eben meiner Mutter das Beißholz aus dem Mund ­genommen hatte und mich nun in saubere Tücher wickelte, um mich tumb grienend meinem Vater, der seit Stunden bangend vor der Tür verharrte, vors Gesicht zu halten.

Er wiederum, unter dem Einfluss mehrerer Flaschen Wein und somit wohl in Ermangelung von Sinn und Verstand, hatte nichts Besseres zur Hand, um seinem – unverdienten, wie ich viele Jahre später erfahren sollte – Stolz Ausdruck zu verleihen, als einen chinesischen Knallkörper, den der Wahnsinnige im Freudentaumel tatsächlich zündete. So kam es, dass ich nicht einmal zwei Minuten alt war, als ich begann, meinen Vater zu verachten, denn mit einem ohrenbetäubenden Knall und viel Getöse stimmte die ganze Welt ein in seinen schwachköpf­igen Veitstanz, und in diesem Augenblick ging die Erde unter:

Zum Klang der Domglocken trat aus einer Wolke von Schwefel der Leibhaftige selbst, packte mich mit seinen haarigen Händen, nahm mich auf seinen Rücken und öffnete mir mit einem infernalen Donnerschlag das Tor zum Orkus.

Wie ich erschrak!

Dass ich von diesem Moment an auf dem linken Ohr so gut wie taub war, sollte später eine Menschenseele retten. Meine eigene Seele und wohl die der halben Menschheit schien ohnehin verloren. Diese eine Seele aber, die nicht verloren war, hatte es stets verstanden, die aufgewühlte Erde in einen seltsam ruhigen Ort zu verwandeln, in ein Paradies ohne Kain und ohne Abel. Diese Seele hätte vielleicht sogar die Kraft besessen, die meine zu läutern, wenn ich es nur zugelassen hätte.

Der Teufel jedoch ist ein ganzer Mann, und ein rechter Mann fackelt nicht lange. Zielsicher lenkte er mein Schicksal mit straffen Zügeln, und bei meinem allerersten Ritt auf seinem Rücken gab er mir einen Vorgeschmack auf die ewigen Kriege des ­Lebens, auf Hungersnöte, Feuersbrünste, Krankheiten und ­tausenderlei Tode und all den anderen ungerecht verteilten Kummer überall um mich herum.

Unter seinen schwarzen Schwingen sah ich die Welt, wie sie seit jeher gewesen war und wie sie immer sein würde. Ich sah die Menschen, gefangen in ihrem­ ewig wiederkehrenden Kreis aus Geburt und Tod, sah ihre­ vergeblichen Mühen und ihre sterbenden Träume. Hoffnung und Verzweiflung gingen Hand in Hand, wechselten nur durch eine Geste des Gehörnten binnen Augenblicken ihre­ Gestalt und tarnten sich gegenseitig hinter der anmutigen Maske eines süßen Versprechens. Kleine Glücke, bei denen Trauer und Reue Pate standen.

Doch in dieser Nacht mit ihren wechselnden Farben zeigte mir der dunkle Verführer neben dem Leid auch die irdischen Schönheiten in ihren unendlichen Facetten und versöhnte mich dadurch mit meiner Angst. Die Welt wurde bunter, als sie es je zuvor gewesen war.

Wir stürmten mit dem Schneegestöber, ritten durch zerberstende Sterne, galoppierten über glühende Sonnenaufgänge, nur um schließlich durch zwielichtige Spelunken, prunkvolle Schlösser und schwülstige Freudenhäuser zu tanzen.

Einem wütenden Kometen gleich, zogen wir einen hell lodernden Schweif hinter uns her, in dessen Sog aus Versuchung sich die Huren, Mörder und all die bigotten Heuchler in ihren Eitelkeiten verfingen, ehe ihr Jauchzen erlosch.

Hier wurde getanzt, dort wurde geschändet. Wurde hier gevögelt, so wurde nebenan gestorben. Alles zugleich. Und manchmal gar zur selben Zeit, am selben Ort.

Alldieweil spürte ich das Muskelspiel seiner kräftigen Schulterblätter, roch ich seine strotzende Männlichkeit und sog ihren herben Duft tief in mich ein. Ich war so aufgeregt! Mein kleines Herz raste wie wild, als wir Richtung Himmel schossen und ich seinem tiefen Lachen lauschte.

»Was möchtest du haben?«, rief er mir über die Schulter zu. »Schau dich nur um! Es gehört alles dir! Was auch immer du dir wünscht, ich werde es dir schenken.«

Ich wusste noch nicht, dass ein Neugeborenes keine Worte kennt. Ich öffnete den Mund, wollte etwas sagen, doch lediglich ein ­seliges Glucksen kam über meine Lippen.

Der Gehörnte schwieg. Wir standen weit über der Erde in der Luft, und in den Wolken rings um uns herum knisterten die ­Blitze. »Aha«, sagte er nach einer Weile. »Das wird schwierig werden.«

Dann legte er die Flügel eng an seinen Körper, und im Sturzflug fielen wir scheinbar haltlos zurück zur Erde.

Alles, was ich wollte ...

War das gut? War das schlimm? War das Übel, das ich ahnte, die eigentliche Essenz von allem?

Als der Knallkörper explodierte und meinem Vater die Hand abriss, entfachte das Höllenlicht aus Schwefel und Salpeter ein funkelndes Bengalo in allen Ecken meines weiten Universums. Von überall rieselten glühende Schnuppen auf Laken, Vorhänge und Teppiche, und über goldenen Funken stiegen ­feine weiße Rauchfähnchen auf. Die fette Hebamme ließ mich fallen, der fette Arzt, dieser Tölpel, zuckte zusammen und trat mich zur Seite. Durch eine Lache aus Fruchtwasser glitt ich über den Boden, die Türe zum Korridor ­öffnete sich und eines der Mädchen, das heißes Wasser hatte bringen wollen, bückte sich mit der Absicht, mich hochzuheben. Der Arzt stieß sie zur Seite und stürzte aus dem Zimmer. Das heiße Wasser ergoss sich über mich, die Blechwanne fiel herunter und begrub mich unter sich.

Auf dem Treppenabsatz gab es ein hysterisches Gerangel, als die wogenden Massen der Hebamme sich einer biblischen Flut gleich an dem Mädchen und dem Arzt vorbeizudrängen versuchten; allen dreien im Nacken das Schmerzgebrüll meines betrunkenen, Blut verspritzenden Vaters.

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