Als Francesco Bianchi nickte, ließ der Afrikaner ihn los.
„Wer, wer sind Sie? Wa … was wollen Sie von uns?“, stotterte die Frau bestürzt.
„Wir woll’n die Figur“, sagte Hajo Winkler kurz angebunden.
„Wo ist sie?“
Antonella starrte ihn verständnislos an.
„Was für eine Figur?“
Und diese harmlose Frage war der Auslöser für das darauf folgende Entsetzen, die Schmerzen und das unermessliche Leid!
Eine Stunde lang, entsetzliche sechzig Minuten nahmen sich die Eindringlinge Francesco Bianchi vor. Sehr schnell hatte er ihnen unter den schrecklichen Misshandlungen und der Drohung, sich seine Frau vorzunehmen, gesagt, wo sie die kleine Figur finden würden.
Da hatten sie von ihm abgelassen. Doch nicht sehr lange, denn sie kehrten mit leeren Händen zurück.
Die kleine afrikanische Figur war spurlos verschwunden!
Aber wieso?
Francesco Bianchi konnte es sich nicht erklären, denn er hatte die Skulptur sicher an ihrem Platz in dem Karton geglaubt, in dem Figuren und andere Kunstgegenstände auf das Einsortieren in seine Sammlung warteten. Das beteuerte er immer wieder aufs Neue.
Doch die beiden Männer glaubten ihm nicht!
Wütend über diese Lüge, wie sie vermuteten, nahmen sie ihn sich brutal, rücksichtlos und ohne jegliches Mitgefühl wieder und wieder vor.
Und sie hatten auch noch ihren Spaß daran!
Jetzt lag er zerschlagen und gedemütigt vor seinen Peinigern am Boden, sorgte sich verzweifelt mehr um seine Frau, als um sich selbst, und fürchtete um ihrer beider Leben.
„Bitte, lassen Sie meine Frau gehen. Sie hat Ihnen doch nichts getan“, flehte er zum werweißwievielten Mal, nachdem ihn die Eindringlinge gefesselt und die ersten brutalen Schläge sein Gesicht verunstaltet hatten.
Jetzt war von seinem normalen, markanten Gesicht unter den Schwellungen kaum noch etwas zu erkennen. Sie hatten es ihm grün und blau geschlagen. Sein linkes Auge unter der geplatzten Augenbraue war zugeschwollen, seine Lippen so dick aufgetrieben, dass sie ihm beim Sprechen höllische Schmerzen bereiteten und er kaum zu verstehen war.
Jeder einzelne Nerv, jeder Knochen in seinem geschundenen Körper sandte Schmerzwellen aus. Doch was ihn fast um den Verstand brachte, war die Sorge um seine Frau. Noch hatten sie Antonella nicht angerührt, doch das war nur noch eine Frage der Zeit, so grausam und so hemmungslos wie diese Unholde waren!
Flehend sah er zu dem blonden, muskulösen Mann hoch, der gefühllos auf ihn herabstarrte.
„Sag uns endlich, wo du die Figur versteckt hast, dann lassen wir vielleicht mit uns reden“, erwiderte sein Peiniger kalt.
„Wenn du jetzt damit rausrückst, bleibt von deinem Gesicht vielleicht noch eine Winzigkeit übrig, an der du zu erkennen bist“, meinte sein Komplize, der dunkelhäutige Afrikaner, der grinsend vor Antonella stand.
„Obwohl du mit Sicherheit schon jetzt die perfekte Visage für die Hauptrolle in einem Horror-Thriller hättest. Du müsstest noch nicht mal ‚nen Maskenbildner bemühen“, fügte er höhnisch hinzu.
„Also, was ist? Soll ich weitermachen wie bisher? Oder nehme ich mir jetzt zur Abwechslung mal dein holdes Weib vor?“, wollte der blonde Folterer, wissen, der sich bislang am häufigsten Francescos angenommen hatte.
Sie waren beide unbarmherzig!
Sadisten, die sich an den Schmerzen erfreuten, die sie ihrem gefesselten Opfer zufügten.
Schmerzen, die Francesco Bianchi nie im Leben für möglich gehalten hätte. Hatte er doch vorher noch nie von den viele Nervensträngen, Knochen, Muskelsträngen und sonstigen Möglichkeiten gehört die es in einem menschlichen Körper gab, durch die einem Menschen furchtbare Schmerzen zugefügt werden konnten.
Jetzt wusste er es!
Ein paarmal hatte er in eine willkommene Ohnmacht entfliehen können.
Doch nur für Sekunden!
Denn seine Peiniger waren nicht nur perfekt im Foltern, sondern ebenso perfekt darin, ihr Opfer schnellstens wieder der Bewusstlosigkeit zu entreißen.
Schließlich wollten sie ihren Spaß haben!
Und dann hatten sie Antonella gezwungen, die ebenfalls gefesselt neben ihm auf dem Boden lag, sich seine Qualen genauestens mit anzusehen, die sie ihm zufügten.
Als sie es nicht mehr ertragen konnte und versuchte ihren Kopf abzuwenden, hatte der Schwarze sie im Nacken gepackt und eisern festgehalten. Schluchzend hatte sie um Gnade für ihren Mann gefleht.
Zwecklos!
Erbarmen war diesen Männern fremd.
Verroht wie sie waren, hatten sie sich anfangs noch über Antonellas Entsetzen, ihr Flehen und ihre Tränen amüsiert. Doch dann war es ihnen irgendwann lästig geworden.
„Hör endlich mit dem nervtötenden Geflenne auf“, hatten sie barsch verlangt. Und als sie ihr Schluchzen nicht zu unterdrücken vermochte, hatten sie ihr kurzerhand einen Lappen als Knebel in den Mund geschoben, damit sie endlich Ruhe gab.
Noch immer rollten Tränen über Antonellas weiche Wangen. Jetzt jedoch lautlos. So gefiel es diesen Ungeheuern schon viel besser.
„Was ist nun? Redest du nun endlich oder …“, knurrte der dunkelhäutige Unmensch gallig, der sich vor Antonella aufgebaut hatte. Er sprach die unterschwellige Drohung nicht aus, nahm jedoch einen tiefen Zug aus seiner Zigarette. Dann beugte er sich zu der Frau hinunter. Grinsend hielt er das glühende Ende dicht vor ihr schreckensstarres Gesicht.
„Also, wo ist die Figur?“, fragte er eiskalt.
Jetzt konnte auch Francesco die Tränen nicht mehr zurückhalten. Sie würden seine geliebte Frau hier und jetzt quälen. Und er, der sie beschützen sollte, konnte nichts, aber auch gar nichts dagegen tun.
Denn sie verlangten etwas von ihm, etwas, das er ihnen nicht geben konnte, weil es spurlos verschwunden war. Und es war ihm absolut rätselhaft wie so etwas möglich war.
Er hatte dafür einfach keine Erklärung.
„Bitte, tun Sie ihr nichts“, flehte er noch einmal so inbrünstig, dass es einen Stein hätte erweichen können.
„So glauben Sie mir doch!
Wir wissen wirklich nicht, wo die Figur abgeblieben sein könnte. Ich würde sie Ihnen doch sofort geben, wenn ich sie hätte und dadurch meine Frau schützen könnte.
Sie haben hier alles abgesucht, alles aufgeschnitten und zerstört, ohne etwas zu finden. Wie denn auch, da wir die Figur nicht mehr haben, weil irgendjemand sie gestohlen haben muss.
Aber wer?
Wir wissen es nicht!
Trotzdem quälen sie uns weiter und das alles wegen dieser Holzfigur. Wir haben sie nicht mehr. Sie haben es doch gesehen. Obwohl wir beide uns allerdings auch nicht erklären können wie ein solcher Diebstahl überhaupt möglich gewesen ist“, wimmerte Francesco verzweifelt.
Der Afrikaner musterte Francesco mit unbewegtem Gesicht.
Und dann bohrte er das rot glimmende Ende seiner Zigarette hohnlächelnd in Antonellas weiche Haut!
Francesco keuchte vor Entsetzen, vor Qual, beim Anblick des zuckenden Frauenkörpers. Er versuchte sich trotz der Fesseln aufzurichten. Ein brutaler Tritt in seine bereits lädierten Rippen nahm ihm den Atem und warf ihn auf den Boden zurück.
Er war verzweifelt, wünschte sich endlich aus diesem Albtraum zu erwachen, diesem Angsttraum, dessen Handlung er nicht verstand.
Er hatte die kleine exquisite Holzfigur im Fenster des Ladens auf St. Pauli entdeckt, in dem er schon mehrmals exotische Kultgegenstände für seine Sammlung erworben hatte.
Dabei hatte er bei der Kaufsumme sein absolutes Limit zum ersten Mal ziemlich überschritten, da ihm die kleine Figur so sehr gefiel. Wobei er nicht wie so viele andere Sammler des Wertes wegen kaufte, sondern nur das sammelte, was ihn besonders ansprach.
Und diese kleine afrikanische Figur hatte es ihm auf Anhieb angetan!
Er würde einen besonders schönen Platz in seiner Sammlung für sie finden, hatte er sich vorgenommen und sie stolz nach Hause getragen.
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