Und dann gibt ihm der neuerliche gemeine Tritt in die Rippen, der sein Schweigen bestraft, den Rest.
Er seufzt, verdreht die Augen und gleitet in die Schwärze gnadenvoller Bewusstlosigkeit.
„Verdammt, Nuka!
Du solltest die Ratte doch nicht umbringen, jedenfalls nicht, bevor er uns den Namen des Käufers genannt hat. Dir ist doch wohl klar, dass uns der Chef die Hölle heiß macht, wenn wir die Figur nicht bald herbeischaffen!“
„Er ist ja noch am Leben, Hajo. Also mach nicht so ein Theater. Aber ich kann diese miese Ratte einfach nicht leiden, du etwa?“, knurrt der Afrikaner.
„Nein, ich kann ihn auch nicht ausstehen, Nuka. Ich würde ihn mir auch nur zu gerne vornehmen. Doch alles zu seiner Zeit. Sobald wir die Figur haben, sieht die Sache schon ganz anders aus“, erwidert sein Komplize.
Er bückt sich, greift dem Bewusstlosen unter die Schultern, richtet die leichte Gestalt mühelos auf und hält sie fest. Einige sachte Schläge auf die Wangen und Julian schlägt die Augen auf. Orientierungslos sieht er sich um.
„Wo bin ich?“, flüstert er verwirrt.
Sein Blick fällt auf den Farbigen, der ihn giftig anstarrt. Erschrocken weicht er vor dessen mörderischem Blick zurück.
„Jetzt bist du mit der nächsten Frage dran, Hajo“, sagt der Dunkelhäutige mürrisch. „Sieh zu, dass der Bengel endlich mit der Wahrheit rausrückt.“
„Er wird reden“, erwidert der Blonde zuversichtlich.
„Also Julian, du hast es gehört. Dir bleiben zwei Möglichkeiten. Solltest du meine Frage nicht beantworten, überlasse ich dich meinem Freund, der dich absolut nicht leiden kann, zu seinem ganz besonderen Vergnügen.
Beantwortest du sie jedoch zu meiner Zufriedenheit, gibt dir Nuka die kleine Tüte zurück. Hast du das verstanden? Du nickst. Also gut.
Wer hat die Skulptur jetzt?
Wem hast du sie verkauft?“
„Kremser! Ich hab sie Ben Kremser verkauft“, stößt Julian hastig hervor. „Der hat hier auf St. Pauli ‘nen kleinen Laden.“
„Ich kenne Bens Laden. Der Mann ist in Ordnung. Er hat erstklassige Kontakte, kennt jeden in dieser Gegend, der was zu sagen hat. Wenn der die Figur noch hat, ist unser Problem vom Tisch. Wenn nicht, weiß er vielleicht, wo sie jetzt ist. Sein Laden ist nur ein paar Straßen weiter“, erwidert Hajo.
„Krieg ich jetzt meine Thai Pillen zurück? Du hast es versprochen.
Bitte!“, fleht Julian.
„Du bekommst sie ja. Nur keine Sorge, kleiner Junkie. Obwohl du ein mieser Dieb bist und nur Ärger machst, bekommst du von uns mehr als genug von dem Zeug“, verspricht der Afrikaner mit einem bösen Grinsen.
„Wann? Lange halte ich diese Krämpfe nicht mehr aus. Die sind schlimmer als der Tod!“
„Auch damit können wir dienen“, erwidern seine Peiniger wie aus einem Mund.
Sie nehmen Julian in die Mitte, stützen ihn und verschwinden mit ihm in der Nacht.
Der Händler Ben Kremser hatte die kleine afrikanische Skulptur bereits weiter verkauft, als Hajo Winkler und Nuka Akunyili bei ihm auftauchten und danach fragten. Aber er konnte ihnen den Namen und die Adresse des Käufers sagen, da dieser schon mehrere Male etwas bei ihm gekauft hatte.
Ohne viel Zeit zu verlieren, machten sich Hajo Winkler und Nuka Akunyili sofort auf den Weg.
Jetzt standen die beiden Männer vor dem Haus, in dem der Italiener Francesco Bianchi mit seiner Frau Antonella lebte, einer noch immer sehr reizvollen Frau, mit weiblichen Rundungen, die auch jetzt noch so manchen Mann zum Träumen brachten. Und dann diese funkelnden dunklen Augen und das dichte, jetzt von einzelnen silbrigen Strähnen durchzogene schwarze Haar.
Sie hatten den Mann beobachtet und wussten deshalb, dass seine Frau eine Freundin besuchte und er alleine in der Wohnung war.
Dass die Frau nach Hause gekommen war, während sie an dem Stand an der Ecke jeder zwei Bratwürste verzehrten, war ihnen allerdings entgangen.
Jedoch hätte dieses Wissen auf ihr geplantes Vorhaben sowieso keinerlei Einfluss gehabt. Diese Männer waren zwar nicht besonders intelligent, dafür jedoch absolut skrupellos. Sie ließen sich von nichts und niemandem davon abhalten das auszuführen, was sie sich vorgenommen hatten.
Einer alleine war schon brandgefährlich, beide gemeinsam jedoch eine Katastrophe!
Die Blicke der beiden Beobachter hingen an dem geklappten Fenster im zweiten Stock, an dem in diesem Moment Francesco Bianchi auftauchte, um es zu schließen.
„Schade, dass er nicht die Parterrewohnung gemietet hat. Durch das geklappte Fenster hätte wir ihn leicht überraschen können“, meinte der Afrikaner bedauernd.
„Du wirst wohl bequem, Nuka“, lästerte sein Freund und Komplize. „Sich Zugang zur Wohnung zu verschaffen ist doch für uns kein Problem. Und den Typ schaffen wir lässig mit links.“
„Weiß ich doch, Hajo. Aber es ist doch auch nicht schlecht, es sich bei einem Einsatz mal etwas leichter zu machen. Aber egal, packen wir‘s an“, entgegnete Nuka und setzte sich in Bewegung auf den Hauseingang zu.
Die Haustür war nicht abgeschlossen, was den beiden ungebetenen Besuchern das Eindringen erleichterte. Geräuschlos stiegen sie die Steinstufen zur zweiten Etage empor. Auf dem letzten Absatz vor ihrem Ziel blieb Hajo Winkler stehen.
Er reichte Nuka seine schwarze Lederjacke, unter der er eine gelbe Postjacke trug. Passend dazu setzte er eine Baseballmütze auf.
„Wir machen es wie abgesprochen, klar?“ Der Afrikaner nickte. „Du hältst dich außer Sichtweite. Ich klingle und sag meinen Spruch auf. Und sobald Bianchi öffnet, stürmen wir in die Wohnung, überwältigen und fesseln ihn.
Alles klar? Okay, dann mal los.“
Sie brachten die restlichen Stufen schnell hinter sich.
Hajo rückte seine Mütze zurecht und ging zu der Tür, auf der ein goldfarbenes Schild mit den eingravierten Namen „F. und A. Bianchi“ auf die Bewohner hinwies.
Er klingelte.
„Wer ist da?“, wollte eine freundliche Stimme wissen.
„Die Post. Ich habe einen Einschreibebrief für Sie.“
Vor dem Spion in der Mitte der Tür wurde der Sichtschutz zur Seite geschoben. Ein aufmerksamer Blick. Ein Schlüssel drehte sich im Schloss. Eine schützende Kette wurde ausgehakt.
Und Francesco Bianchi sollte an diesem Tag das Glück für immer verlassen.
Er öffnete die Tür!
Schnell wie Vipern stießen Hajo Winkler und Nuka Akunyili auf den völlig überraschten Mann zu. Francesco Bianchi hatte nicht die geringste Chance.
„Wer war an der Tür?“, verlangte eine weibliche Stimme aus Richtung des Wohnzimmers zu wissen.
Blitzschnell hielt der Afrikaner dem Italiener den Mund zu, bevor dieser einen Warnschrei ausstoßen konnte, der allerdings wohl wenig genützt hätte. Wohin hätte seine Frau auch fliehen sollen?
Grob schob Nuka Akunyili Francesco Bianchi den Flur entlang in Richtung der Wohnzimmertür.
„Verdammter Mist. Die Frau ist ja doch zu Hause“, knurrte Hajo Winkler.
„Na und? Ist das für dich etwa ein Problem?“, fragte der Afrikaner kalt.
„Nein, aber anders wäre es mir lieber gewesen“, erwiderte sein Freund und drängte sich an den beiden Männern vorbei.
„Pech für sie“, murmelte Nuka zynisch.
Jetzt stand Hajo Winkler vor dem Wohnzimmer. Er hob den Fuß und trat kräftig gegen die nur angelehnte Tür.
Antonella Bianchi, die in einem Buch gelesen hatte, hob erschrocken den Kopf, als die Tür gegen die Wand knallte. Entgeistert starrte sie auf die beiden Fremden, die ihren Mann in ihrer Gewalt hatten.
„Keinen Ton oder ich breche ihm das Genick“, warnte der Afrikaner kalt. Und an seinen Gefangenen gewandt: „Ich nehm jetzt die Hand von deinem Mund und lass dich los. Wenn du schreist, zu fliehen versuchst oder auch nur einen einzigen Schritt ohne mein Einverständnis machst, nehme ich mir deine Frau vor. Ist das klar?“
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