noch zaudernd, unentschlossen, irritiert,
bis - zögerlich - die eine Hand, die andere berührt.
Der Puls steigt an.
Ein sanfter Strom elektrisiert die Körper.
Ein leichtes Kribbeln kriecht über die Haut.
Die Voltzahl ist noch ziemlich niedrig,
die Temperatur des Bluts
mit Celsius 37 leicht erhöht.
Das Herz, es pocht, mit Rhythmus 85 schon erregt.
Doch alsbald wird die Sache heißer.
Die Lippen finden zueinander,
Zungen erobern sich.
Die eine Hand liegt zärtlich auf der Brust,
die andre wandert forschend hin zur Hüfte,
weiter behutsam Richtung Schoß.
Und plötzlich ist der Teufel los.
Der Rest ist Tosen, Taumeln, Fliegen.
10.000 Volt sind‘s mittlerweile,
einhundertzwanzig Fahrenheit.
Der Puls, er rast im Rausch bei hundertzehn.
Katapultierte Glücksgefühle.
Die Eruption ist programmiert,
wie ein Vulkan,
der heißen Dampf und Asche sprüht.
Nur Zischen, Krachen, Brennen.
Zwei glühend‘ Lavaströme haben sich vereint
und gleiten gleichmäßig ins Tal.
Doch nach und nach, von ganz allein,
befinden Spannung, Gradzahl und der Puls,
sich wieder auf Normalniveau.
Und im Verlauf' der Abkühlung,
erhärten Zeit um Zeit die Lavaströme.
Noch wenig Volt, Puls 55 und 28 Réaumur.
Ist dies das Ende einer Leidenschaft?
Final wie das Verglühen eines Sterns?
Wie der Titanic Untergang?
Wie das Verwelken einer Rose?
Nein weit gefehlt,
es ist der Lebensliebe
Metamorphose.
Aus weich wird hart.
Aus heiß wird kalt.
Aus jung wird alt.
Aus flüchtig fest und ewiglich.
Die Liebe einigt sich in größter Harmonie,
zu Stein erstarrt und edel-kühl,
weißem Carrara-Marmor gleich.
Untrennbar.
Unsprengbar.
Leicht ergraut.
Und sicher nicht auf Sand gebaut.
- Stationen einer Beziehung -
Die erste Begegnung
Schüchterne Blicke
Ein verlegenes „Hallo“
Kribbeln im Bauch
Danach ist es nicht mehr, wie es vorher mal war.
Das erste Glas Cola
Der erste Tanz
Eine zaghafte Umarmung
Der erste Kuss
Danach ist es nicht mehr, wie es vorher mal war.
Das erste Adieu
Abschiedstränen
Trennungsschmerz
Sehnsüchtiges Warten
Danach ist es nicht mehr, wie es vorher mal war.
Wiedersehensfreude
Unbändiges Verlangen
Die erste Nacht
Gemeinsames Erwachen
Danach ist es nicht mehr, wie es vorher mal war.
Die große Liebe
Verlobung und Hochzeit
Ein runder Babybauch
Schwerpunktverlagerung
Danach ist es nicht mehr, wie es vorher mal war.
Beginnender Ehealltag
Einsilbige Langeweile
Zunehmendes Schweigen
Die ersten Zweifel
Manches kam anders, als anfangs geglaubt.
Der erste Seitensprung
Trennungsgedanken
Ernsthafte Zerreißprobe
Zögerliche Versöhnung
Wird es noch einmal, wie es zwischendurch war?
Erwartungsvoller Neustart
Das erste Enkelkind
Eine erfüllte Zeit
Die Goldene Hochzeit
Vieles kam besser, als derweil befürchtet.
Erste Beschwerden
Zunehmende Krankheit
Liebevolles Streicheln
Pflegende Hände
Davor war es leichter, aber intensiver ist jetzt.
Abschied am Sterbebett
Eine zarte Berührung
Das letzte Adieu
Auf ein Wiedersehn demnächst
Und alles war schöner, als zu träumen gewagt.
Was soll das?
Da hängt eine Leinwand, blau bepinselt.
Der Farbauftrag ist gleichmäßig intensiv.
Die Spachtelmasse sorgt für Unterbrechung.
Doch Blau bleibt Blau.
Was mag sich der Künstler dabei bloß gedacht haben?
Wir zweiäugigen Betrachter mögen da so unsere Schwierigkeiten haben.
Der Künstler hat’s da leichter. Er blickt beim Malen mit seinem dritten Auge, seiner Seele,
tief in die Farben hinein und auch dahinter.
Beinahe mit geschlossenen Augen,
lässt er den Pinsel in den Farbtopf gleiten.
Die Farbe fließt durch seinen ganzen Körper,
nimmt Kraft und Freude auf und alle Phantasien mit,
legt alles auf der Leinwand ab.
Und dann entstehen viele blaue Bilder.
Das grünblaue Meer - mal rau, mal seicht.
Der tiefblaue Himmel - sonnendurchflutet.
Die weißblaue Gletscherzunge - erstarrter Tau.
Das schwarzblaue All - unendliche Weiten.
Farbe auftragen ist wie schweben und gleiten.
Aufregend oder beruhigend.
Geradlinig und zielstrebig.
Kreisrund oder kurvenreich –
gleich Mäander eines Wiesenbaches.
Blau ist eben nicht einfach nur Blau.
Und so ist es mit jeder anderen Farbe auch.
Die Kunst besteht darin, die Eintönigkeit mit seinem dritten Auge zu betrachten.
Er ist ein Tausendsassa,
ein Hochhinaus und Springinsfeld.
Genießt das Leben,
mit und ohne Geld.
Er lauscht den Tönen,
den lauten und den leisen.
Musik weckt seine Lebensgeister,
sie inspiriert den „alten“ Meister.
Er ist ein Feingeist.
Ihm gefallen schöne Worte.
Dabei darf‘s auch mal deftig sein.
‘nen guten Witz lässt er genauso wenig aus,
wie sinnlich‘ Worte über unsren Schöpfer.
Ein Feingeist eben!
Er liebt den Wein,
den Weißen und den Roten.
Das hält ihn fit
und fern vom Reich der Toten.
Die Farben, ja,
sie sind sein wahres Element.
Er taucht hinein,
tief bis zur Unterlippe.
Heraus ragt nur noch seine Kippe.
Dann ist er fern,
in seinem eignen Reich.
Wo Gelb und Blau und Rot und Grün,
ihm seinen Kopf verdrehn.
Was irdisch sonst nur andre Kreaturen schaffen.
Mit festem Willen
trägt er die Farben auf.
Verausgabt sich,
ist angespannt und konzentriert.
Und kämpft mit sich.
Er quält sich arg
und ringt mit jedem neuen Strich.
Perfekt soll‘s werden!
Perfekt!
Und quält sich weiter.
Der Pinsel kratzt,
die Leinwand stöhnt,
die Farben balgen sich.
Im Strudel dieser Pracht
verharrt er plötzlich --- lacht!
O Narr, ich dummer Narr.
Was treibt mich um?
Perfekt soll‘s werden?
Doch nur --- warum?
Gefallen soll‘s, einfach gefallen.
Und schon geht alles leichter.
Die Farben fließen fröhlich, heiter,
und leuchten, strahlen um die Wette,
sie tanzen auf der Farbpalette.
Zur Freude unseres Meisters Karl,
der nun begriffen hat:
Kunst ist gesetzlos.
Sie hasst die Fesseln des Perfekten.
Ist frei und frivol.
Einfach nur da!
B: >>Das Haus ist schief.<<
K: >>Das ist kein Haus. Es ist der Turm einer Traumvilla in der Toskana.<<
B: >>Aber schief ist er trotzdem. Und das Grün ist zu kräftig.<<
K: >>Das ist kein Grün. Es ist Blau, und die Intensität ist gewollt.<<
Was geht hier eigentlich vor? Ein Streitgespräch?
Hoffentlich nicht. Ein Dialog zwischen Betrachter und Künstler? Schon eher.
Ohne das Bild zu kennen, werden wir nicht urteilen können.
Wer wohl Recht haben mag?
Aber ist das wirklich wichtig? Mehr noch: überhaupt richtig? Ist am Ende nicht alles eine Frage des Standpunktes?
Stellen wir uns vor, zwei Individuen blicken gleichzeitig in dasselbe weite Tal, den herrlichen Duft der bunten Sommerwiesen genießend.
Doch beide sehen das Tal anders. So, als wenn jeder von ihnen von einem anderen Hügel aus schauen würde. Der eine von rechts, der andere von links des Tales.
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