LANGSAM VEREBBT
DER APPLAUS
1 DIE ZEIT DER TÄNZER
1 ROMAN
Ben Brandl
INHALT
I
Irgendwo unter Menschen in einer großen Stadt
Die Zeit der Tänzer
Wer ist Petra
Die Zeit der Tänzer
Laura hält ihr Versprechen
Die Zeit der Tänzer
Erst Jo, jetzt dieses Früchtchen (Russisch Roulette)
Die Zeit der Tänzer
II
Berlin beginnt sich zu verändern
Die Zeit der Tänzer
Als ob er sie umarmen wollte
Die Zeit der Tänzer
Wie ein weiterer böser Traum
Die Zeit der Tänzer
Michael wird erkannt
Die Zeit der Tänzer
Vidor - ein alter Freund
Die Zeit der Tänzer
III
Flucht
Die Zeit der Tänzer
Eine abgeräumte, platt gewalzte Fläche
Die Zeit der Tänzer
Seine Erinnerungen schienen ihn
Die Zeit der Tänzer
Nie mehr loslassen
EPILOG
PERSONEN
1 ISBN: 978-3-7380-9116-8 Copyright © Emil Brandl
www.zeitdertaenzer.de
www.emilbrandl.de
www.studioben.de
Vor der Wiedervereinigung Deutschlands.
Berlin beginnt sich zu verändern.
Die trennende Mauer zwischen Ost und West
wird porös, durchlöchert,
sie scheint sich fast selbständig aufzulösen.
Ohne weitere Erklärung verlässt
der Choreograph Michael Ballmann
eine wichtige Besprechung
an der Deutschen Oper.
Er taucht unter im Berliner Nachtleben
und bleibt verschollen.
Michael Ballmann glückt ein Ausstieg, aus der elitären,
oft gnadenlosen Welt des klassischen Balletts,
aber seine Vergangenheit lässt ihn nicht los.
1 Langsam verebbt der Applaus
1 I
Irgendwo unter Menschen in einer großen Stadt
Zeit der Tänzer I/1
Wer ist Petra
Die Zeit der Tänzer I/2
Laura hält ihr Versprechen
Die Zeit der Tänzer I/3
Erst Jo, jetzt dieses Früchtchen (Russisch Roulette)
Die Zeit der Tänzer I/4
1 II
Berlin beginnt sich zu verändern
Die Zeit der Tänzer II/1
Als ob er sie umarmen wollte
Die Zeit der Tänzer II/2
Wie ein weiterer böser Traum
Die Zeit der Tänzer II/3
Michael wird erkannt
Die Zeit der Tänzer II/4
Vidor - ein alter Freund
Die Zeit der Tänzer II/5
1 III
Flucht
Die Zeit der Tänzer III/1
Eine abgeräumte, platt gewalzte Fläche
Die Zeit der Tänzer III/2
Seine Erinnerungen scheinen ihn zum Narren zu machen
Die Zeit der Tänzer III/3
Nie mehr loslassen
EPILOG
PERSONEN
für
Gisela
Tilman
Iris
und
Christian
Allem Anschein zum Trotz,
bin ich noch nicht auf dem Boden gelandet;
- gedehnte Zeit!
Bruchteile von Sekunden wie im Flug,
mit der Angst des Tänzers,
vor der Landung nach dem Sprung!
1 I
1 Irgendwo unter Menschen in einer großen Stadt
„ Noch einen Scotch mit Eis und Wasser!“
„Red Label?
„Wie bitte?“ Zerstreut fuhr er sich durch dunkle widerspenstige Haare.
„Ja, ja!“ Er sah einen Moment auf und blickte in sanfte braune Augen.
Sie hatte ihn bereits einige Zeit angesehen. Immer, wenn in einem Moment nicht soviel los war, konnte sie ihn beobachten. Sie fühlte sich von ihm angezogen, er machte sie neugierig. Heute waren weniger Gäste da und langsam leerte sich das Lokal. Bald würde Schluss sein. An der langen Theke standen ein paar Angetrunkene herum und erzählten sich Witze. Im Halbdunkel des Raumes bemühten sich aufreizende Mädchen um langweilige Männer.
Das Geschäft war heute Nacht mäßig.
Während sie spülte und aufräumte, beobachtete sie ihn erneut. Er trank mit kräftigen Zügen, starrte in sein Glas, bewegte die Eiswürfel, starrte auf die dann kreisenden Eiswürfel und schüttete schließlich den Rest hinunter. Aus Routine hatte sie mitgezählt, zehn Scotchs waren es bis jetzt.
Michael bemerkte ihr wie beiläufig überspieltes Interesse.
Whisky machte seinen Kopf klarer, linderte den scheußlichen Druck im Kopf. Endlich stellte sich dieses leichte Schweben ein, das ihm seinen Zustand erträglicher erscheinen ließ.
„Noch einen!“ Mit einer kleinen eleganten Geste, die etwas befremdend auf sie wirkte, hatte er die Bardame zu sich gewinkt. Sie bemühte sich, streng zu sein.
„Wir machen gleich zu.“
„Einer geht schon noch!“ Er zeigte plötzlich überraschend ein charmantes Lächeln, das sie einen Moment verwirrte, und schnell schenkte sie ihm nach.
‚Unheimlich der Typ, passt so gar nicht hier herein.’ Sie wandte sich den Witzreißern zu und spürte seinen Blick im Rücken.
Erst jetzt schien Michael sie zu bemerken, prüfend betrachtete er die Bewegungen der Frau. Sie war nicht mehr die Jüngste, leicht rundlich, mit großem, schönem Busenansatz, der ihn neugierig machte. Auf Grund ihres geschickt, aber zu stark geschminkten Gesichtes ließ sich ihr Alter kaum schätzen.
Sie bemerkte, wie sein Blick sie sukzessiv auszog und fühlte sich angenehm berührt.
Blondierte Haare, braune Augen, sinnlicher Mund, die etwas üppige Figur gut eingepackt, so ähnlich hätte Marylin Monroe ausgesehen, wenn sie einige Jahre älter geworden wäre. Michael spürte, zum ersten Mal seit langem, wieder das Verlangen nach einer Frau.
Verwundert wischte er sich über die Augen.
„Einen letzten noch. Trinken Sie einen mit?“, er ließ bewusst seinen Charme wirken.
„Wenn sie unbedingt wollen. Ist in dem Fall wirklich der letzte!“
Sie angelte sich die Flasche und schenkte zwei Gläser ein. Wasser und Eis war noch genügend da und sie wunderte sich erneut, wie viel ihr eigenartiger Gast schlucken konnte, ohne dass er sich merklich verändert hätte.
Oder doch? Sein Gesicht wurde aufgeschlossener, lebhafter. Seine Augen nahmen sie gefangen.
„Zum Wohlsein!“ Sie saß ihm gegenüber. Ihre Blicke saugten sich ineinander fest und sagten alles ohne Worte. Abrupt riss sie sich los.
„Ich muss Feierabend machen, Sperrstunde!“ Sie wandte sich ab. „Komm morgen wieder, mein Süßer.“
Michael war verletzt und gab grob retour.
„Ich bin nicht dein Süßer, merk dir das!“
Sie hatte gelernt, mit Männern umzugehen - mit betrunkenen Männern an der Bar. Sie war es gewohnt, angestarrt zu werden. Fast jeden Abend machte sie einer dieser Typen an. Irgendwann dachte man nur noch ans Geschäft. Kohle machen!
Wenn man Glück hatte, entwickelte sich ein nettes Gespräch und der Job blieb nicht so stumpfsinnig.
Michael starrte ihr wütend nach, beobachtete sie, wie sie routiniert abkassierte und die letzten Gäste verabschiedete.
„Ich bezahl dann bitte!“ Er war sich nicht im Klaren darüber, was er tun sollte.
Er wollte weiter trinken, er wollte auch die Frau, aber ihre Ablehnung schien ihm deutlich genug, und die Kneipe würde gleich schließen.
Nur nicht nachdenken. Nicht über Frauen nachdenken.
‚Es ist doch zu blöd, dass man sie manchmal braucht!’
Sie war jetzt bereit zu kassieren, zögerte es dennoch hinaus. Eigenartige Angst hielt sie plötzlich zurück. Angst, dass er einfach gehen würde.
Die letzten Animiermädchen hatten ihre Freier abgeschüttelt, verabschiedeten sich augenzwinkernd, als sie sich endlich überwand, bei ihm abkassierte und ihn fragte:
„Willst du auf mich warten, ich muss nur kurz abrechnen?“
Ihre rauchig dunkle Stimme zitterte ein wenig.
Michael hatte schon fast abgeschaltet, wollte sie schon aufgeben, war mehr mit der Frage beschäftigt, wo und wie er weitertrinken könnte. Er versuchte den gerade erreichten Schwebezustand zu erhalten. Seit einigen Tagen tauchte er nur für kurze Momente aus seinen schrecklichen Depressionen auf und von neuem drohte er abzuschmieren in das dumpfe Brüten des Alkoholikers.
Читать дальше