Priska Lenherr - Das Volk das auf den Bäumen lebte

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Das Volk das auf den Bäumen lebte: краткое содержание, описание и аннотация

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Dies ist eine Geschichte aus längst vergangener Zeit, die älteste Geschichte, die über die Ahnen der Menschen erzählt werden kann; die Geschichte über das Leben damals im Wald. Der Wald war die Urheimat der Menschen, für eine schier unvorstellbar lange Zeit. Darum stammen auch heute noch mehr als 98% unseres gesamten Erbgutes aus dieser lange vergangenen Zeit.
Noch immer ist es für uns ein Erlebnis, da draußen im Wald zu sein. Wenn wir alleine und nicht abgelenkt sind, fühlen wir uns in kürzester Zeit wunderbar in der altvertrauten Welt der Bäume und Pflanzen und gehen leichten Schrittes in der sauerstoffgetränkten Luft – dann ist es, als würden wir ein Teil vom Wald und der Wald ein Teil von uns. Wenn wir alleine sind, vergessen wir die menschlichen Gepflogenheiten und werden zu einem Teil des Ganzen, so dass wir unsere Sinne öffnen und ein inneres Gespräch mit den Bäumen und Pflanzen, den Bächen, Flüssen und Wasserfällen, den Tieren und Vögeln und was sonst noch unsere Aufmerksamkeit erregt, beginnen. Wenn wir alleine im Wald sind und wandern, beginnen auch unsere Gedanken, zu wandern. Oftmals erleben wir tiefe Erfahrungen, denn all unsere Sinne sind dann ganz auf die Natur gerichtet. Es ist, als ob wir in die Haut der Ur-Menschin oder des Ur-Menschen in uns geschlüpft wären.
Es ist die Erinnerung, die in unserem Ur-Teil, unserem unveränderbaren Erb-Teil, das seit vielen Zeitaltern als Erbgut von den Müttern an ihre Kinder weitergegeben wird, ein Teil von uns ist. Die Erinnerung ist immer in uns vorhanden. Im Wald können wir uns ganz plötzlich in einem Zustand stark erhöhter Wahrnehmung befinden. Ein Gewittersturm, ein heftiger Regen oder eine andere natürliche Erscheinung wird uns ermöglichen, uns zu erinnern, in unsere Ur-Natur einzutauchen und mit allen Sinnen wahrzunehmen, einfach wahrzunehmen.
In dem Moment, wo wir die Welt des Waldes betreten, wissen wir, dass diese Welt unsere eigene Natur ist.

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Diese Welt des Waldes war wie gemacht für ihn und seinesgleichen und bescherte ihm genau das, was er eigentlich wollte, nämlich auf die eigene Stimme zu hören und sich selber voll und ganz auszuleben. Es gab soviel zu sehen in der weiten Welt über dem Wald und er genoss alle seine Flüge hoch oben in den Lüften.

Als die Lagune seinen Blicken entschwand, erspähte er die glitzernde Wasseroberfläche eines großen Sees, der in der Ferne am Fuße von bewaldeten Bergen eingebettet im großen grünen Wald lag. Während ihn die Kreise seines Steigfluges höher und höher hinauftrugen, schimmerten und glänzten hier und dort inmitten des unendlichen Waldes, der sich unter ihm in alle Windrichtungen ausdehnte, die stillen Wasseroberflächen von kleineren Seen, die sich im hellen Licht der Morgensonne spiegelten.

Je näher er den fahrenden Wolken kam, die über ihm im unendlichen Blau des Himmels schwebten, desto kleiner erschienen ihm die einzelnen Baumkronen unter ihm, ja sie waren kaum mehr als einzelne Bäume erkennbar.

Der Adler kreiste jeden Tag über dem Wald, mal hier, mal dort, so dass er in dem ausgedehnten Waldstück, das seine Heimat war und das er als sein Jagdgebiet beanspruchte, viel Abwechslung erlebte.

Außer gemeinsam mit seiner Gefährtin zu fliegen tat er nichts lieber als sich vom Aufwind in die luftigen Höhen tragen zu lassen, um sich alsdann wieder herunterzustürzen.

Seit seine Gefährtin brütete, flog er immer alleine los. Sie blieb weit unter ihm im gemeinsamen Horst zurück, der zwischen den dicken Ästen eines Urwaldriesen eingebettet war, die sich aus dem mächtigen Stamm gabelten und in die Höhe reckten.

Während der Zeit der Balz, als sie immer gemeinsam geflogen waren und auch nacheinander ihre Schreie ausgestoßen hatten, war es ihm oftmals ein Bedürfnis gewesen, der Gefährtin seine Flugkünste vorzuführen. Er hatte dies getan, indem er sich im Sturzflug in die Tiefe stürzte, um sodann mit der gewonnenen Geschwindigkeit wieder steil in die Höhe hinauf zu schießen und sich vom höchsten Punkt, den er erreichen konnte, wiederum in die Tiefe zu stürzen. Wie hatte er es genossen, dies mehrmals hintereinander zu tun, während der stolze Blick seiner Gefährtin auf ihm ruhte. Damit hatte er ihr seine Fähigkeiten für die Jagd vorgeführt, so dass sie sich sicher sein konnte, dass er sie während der vielen Tage, die sie beim Brüten zubringen würde, mit genügend Futter versorgen würde.

Der Adler dachte gern an diese Zeit des Werbens und der Begattung zurück, während der sie ihre Kreise in den luftigen Höhen gemeinsam gezogen hatten. Manchmal hatte er einem tief aus seinem Innern kommenden Bedürfnis nachgegeben und ihm dadurch Ausdruck verliehen, dass er sich während des Fluges auf seine Gefährtin gestürzt hatte, so dass sie sich auf den Rücken drehte und ihn an den Fängen griff. Dies hatte dazu geführt, dass sie sich beide in einem gemeinsamen Luftrad überschlagen hatten und sodann einige hundert Meter im freien Fall in die Tiefe gestürzt waren, bis sie sich wieder voneinander lösten.

Und dann, als er durch ihre herangewachsene, innige Verbundenheit spürte, dass seine Gefährtin bereit war, zu empfangen, hatte er sie während eines ganzen Tages immer wieder in den Wipfeln der Bäume begattet, indem er auf sie geflogen war und mit den Flügeln geflattert hatte, um das Gleichgewicht zu halten.

Wie schön war diese Zeit der Innigkeit und der zärtlichen Gesten gewesen. Ein gemeinsames Luftrad zu schlagen bedurfte großen fliegerischen Könnens. Manchmal hatte seine Gefährtin auch alleine ein Luftrad in der Luft vollführt. Es schien ihr genauso großen Spaß gemacht zu haben, ihm ihre Flugkünste vorzuführen, wie er dabei hatte, wenn er ihr die seinen vorführte. So hatten sie einander spielerisch die tiefe Verbundenheit gezeigt, die sie miteinander fühlten.

Es war schön und erfüllend gewesen, diese Gefühle zum Ausdruck zu bringen. Er hatte diese Augenblicke der innigen Verbundenheit geliebt. Sie waren es beide zufrieden, dass sie einander gefunden hatten, denn solange sie beide lebten, würden sie sich nicht mehr voneinander trennen. Ihre innige Verbundenheit verstärkte sich noch dadurch, dass sie wussten, dass sie ein Leben lang zusammenbleiben würden.

Als seine Gefährtin mit der Suche nach einem Nistplatz begonnen hatte, war er ihr überallhin gefolgt. Dann, nachdem sie einen Ort gefunden hatte, der ihr geeignet schien, hatten sie mit dem Bau des ausladenden Horstes begonnen. Sie hatte einen mächtigen Baum ausgewählt, der keine allzu ausladende Krone hatte sondern hoch und sehr stattlich war, denn dort, wo sich die dicken, emporstrebenden Äste aus dem umfangreichen Stamm gabelten, um weiter oben die belaubte Baumkrone zu tragen, bestand inmitten von ihnen genügend Schutz für einen geräumigen Brutplatz.

Da die hoch aufragenden Äste des Urwaldriesen, der den Wald überragte, erst viel weiter oben mit einem dichten Blätterdach bewachsen waren, war den beiden Raubvögel von ihrem Hochsitz aus eine freie Sicht auf den umliegenden Wald vergönnt, dessen Blätterdach sich ein gutes Stück weiter unten befand.

Anschließend hatte das Adlerpaar den Horst gemeinsam und mit viel Hingabe aus Ästen in der Gabelung der Baumkrone aufgeschichtet. Dafür waren die beiden Vögel unzählige Male ausgeflogen, um Äste für ihr großartiges Bauwerk aus dem darunter liegenden Wald auf den Baum hinaufzuschaffen. Mit jedem Ast, den sie mit viel Geduld und Eifer zu einem haltbaren Geflecht verkeilt hatten, war Ihr Horst, der viele Jahre überdauern würde und zu jeder erneuten Brutzeit wieder ausgebaut werden konnte, breiter und höher geworden.

Als seiner Gefährtin der ausladende Horst hoch genug erschienen war, hatte sie damit begonnen, diesen mit Gräsern, Blättern und Moos auszupolstern. Während der gesamten Bauzeit hatte er ihr alles nachgetan, so dass die beiden nach Fertigstellung ihres mächtigen Nistplatzes ihren Horst voller Stolz begutachten konnten. Er war nun derart gut geschichtet und ineinander verflochten, dass er jedem Sturm standhalten würde.

Der Ausblick über den umliegenden Wald war großartig, denn der Horst lag so hoch in der Gabelung der Äste des uralten Baumes, dass das Adlerpaar weit in die Ferne blicken konnte.

Als die gemeinsame Arbeit nach vielen Tagen beendet war, hatte seine Gefährtin das erste Ei gelegt. Jetzt bestand das Gelege aus zwei Eiern, die meistens von ihr bebrütet wurden, während er unterwegs war, um Futter für sie und sich selbst zu besorgen. Nur selten einmal löste er sie ab, damit auch sie sich für eine kurze Zeit bewegen konnte.

Wie der Adler weiter ununterbrochen hoch in den Lüften kreiste, indem er abwechselnd mit den Flügeln schlug und dann wieder im Gleitflug schwebte, stieß er in gewissen Abständen immer wieder seinen Schrei aus, während er mit seinen scharfen Augen jede Bewegung in den Baumkronen wahrnahm, obwohl sie so weit unter ihm lagen und aus dieser Höhe so klein wie Bodenpflanzen schienen, auf denen vereinzelt Insekten krabbelten.

Aus dem Meer von Bäumen ragten hier und dort große Urwaldriesen, die mit ihren gesamten Kronen und einem Teil der Stämme alle Kronen der jüngeren Bäume überragten, so dass sie ihre ganze Pracht entfaltet hatten und ihre großen Kronen vom Sonnenlicht durchflutet waren. Sie waren uralt, älter als jedes andere Lebewesen im Wald.

Im Gegensatz zu den Bäumen des Waldes, die inmitten von Nachbarbäumen standen und deren äußerste Zweigspitzen ständig durch die Bewegung der Äste im Wind abgebrochen wurden, konnten sich diese Urwaldriesen frei entfalten, denn im gleißenden Licht der Sonne und in der Brise, die über den Wald strich, standen sie für sich allein.

Im darunter liegenden Wald fügte sich Baumkrone an Baumkrone, die einen höher, die anderen niedriger. Einer neben dem anderen stehend, mit Blättern in den verschiedensten Formen und Grüntönen, bildeten die vielen verschiedenen Baumarten den Wald in seiner ganzen Vielfalt und Pracht. Weiter gar als das Auge reichte, wurde die Landschaft von Bäumen in schier unzähligen Grünschattierungen wie von einem unregelmäßigen Moosteppich bedeckt, der hier und da mit den kleinen Farbtupfern der blühenden Bäume gesprenkelt war, so, als wären es kleine, vereinzelte Blüten auf dem Moos.

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