Aber der Reihe nach: Erstens kennt man in der ukrainischen Botschaft weder einen Diplomaten mit Namen Boris Michailov noch einen seiner Begleiter. Damit ist es mit der diplomatischen Immunität dann wohl in jedem Fall Essig.
Außerdem haben wir inzwischen das Flugzeug genauer unter die Lupe genommen und eine große Anzahl von Handfeuerwaffen sowie automatischen Waffen der Marke Kalaschnikow AK 47 in Kabine und Laderäumen gefunden.
Zudem hatte Herr Michailov einen Berg von Diamanten in einem Tresorkoffer dabei, den unsere Spezialisten mittlerweile geöffnet haben. Ach so – und ein Sitz in der Maschine war ganz offensichtlich vorbereitet, um darauf eine Person ruhigzustellen. Und wir haben ferner Fotos von deinem Vater sowohl in der Maschine als auch bei den beiden Entführern gefunden, womit der Nachweis erbracht wäre, dass die Entführer und die Kerle im Flugzeug zusammengearbeitet haben.“
„Und was sagen der Beschuldigte und seine Kumpane dazu und zum Mord an den beiden Beamten?“, fragte KOR Schütz vom Kriminalfachdezernat 3 OK (Organisierte Kriminalität). „Das werden wir gleich sehen“, antwortete Polizeidirektor Stefan Runge.
„Kommt mit in unsere Verhörräume, die Dreckskerle werden bereits von meinen Beamten getrennt voneinander bearbeitet.“
In diesem Moment klingelte Alex Handy – gleichzeitig meldete sich Oskar 3 über den Kommunikator. „Moment noch Oskar, ich habe gerade Interpol in der Leitung“, sagte Alex, als auch schon Harry Martens Stimme über die Freisprecheinrichtung von Alex Smartphone zu hören war. Nach einem kurzen „Grüß euch“, legte Harry sofort los.
„Da scheint euch ja ein richtig dicker Fisch ins Netz gegangen zu sein. Der Haupttäter heißt wirklich Boris Michailov, ist in Wirklichkeit Russe, hat aber seinen Wohnsitz auf der vor kurzem von Russland annektierte Halbinsel Krim. Das Gleiche gilt übrigens auch für seine Helfershelfer. Außerdem ist er ganz sicher kein ukrainischer Diplomat, sondern der Boss eines auf der Krim ansässigen Clans der Russenmafia.
Sein sogenannter Sekretär Michail Tarkin ist ein russischer Ex-Militär, der im Verdacht steht, als Auftragskiller der Russen-Mafia zu arbeiten. Und die restlichen Figuren, Sergei Kolnikoff und Igor Larow sowie die beiden Entführer, sind ehemalige Speznazkämpfer bzw. stammen aus dem alten KGB und arbeiten inzwischen nach unseren Erkenntnissen auch für Michailovs Clan.
Übrigens steht er und alle seine Mittäter auf unserer internationalen Fahndungsliste. Deshalb war es schon ziemlich blöd von ihm, falsche Pässe mit den richtigen Namen zu benutzen. Aber normalerweise, wäre das verübte Tötungsdelikt an euren beiden Beamten erst aufgefallen, nachdem sein Jet schon in der Luft gewesen wäre. Ich wäre euch übrigens dankbar, wenn ihr die Kerle nach euren Verhören an das BKA überstellen könntet, da das die zuständige deutsche Behörde in diesem Fall ist.“
„Aber warum um Himmels Willen wollten diese Schweine einen Traunsteiner Kunsthändler entführen? Und warum haben sie dafür sogar gemordet? Ich sehe da immer noch kein stichhaltiges Motiv und keinen Zusammenhang“, warf Hans Breitner an dieser Stelle ein.
„Das kann ich dir sagen“, erwiderte Harry Marten sofort und ließ dann die Bombe platzen. „Wir haben doch Ende September gemeinsam diese Oligarchin Olga Kosnietzka und ihre Brut hochgenommen. Und dieser Boris ist nicht nur ein alter Busenfreund von Olga, sondern war auch sehr wahrscheinlich der bislang unbekannte Geschäftspartner und Mann im Hintergrund, der den Menschenhandel in Osteuropa für sie organisiert hat.
Wobei er sich 2014 nach Olgas Verhaftung und der rechtswidrigen Annexion der Krim durch die Russen schlauerweise dorthin abgesetzt hat, damit die russischen Behörden uns gegenüber stets behaupten konnten, dass sich Olgas ausländische Geschäftspartner nicht auf ihrem ureigenen Territorium befänden.“
„Und nachdem das Urteil gegen Olga und ihre Leute inzwischen auf lebenslange Sicherungsverwahrung lautet, sollte die Entführung wohl dazu dienen, Olga und ihre Mitverschwörer freizupressen“, setzte Andreas Schütz absolut treffend den Gedankengang des Interpol-Ermittlers fort.
„Aber wie kommen die dann auf meinen Schwiegervater?“, fragte Alex entgeistert. „Ganz einfach“, entgegnete Harry Marten. „Auch Verbrecher lesen Zeitung und du und deine Frau haben im letzten November bei der Gründung eurer KKH Industries GmbH ja hinreichend mit Schlagzeilen auf euch aufmerksam gemacht. Und nachdem ihr beide und deine Ermittler ja auch als Zeugen im Prozess aufgetreten seid, brauchte der gute Boris nur noch eins und eins zusammenzuzählen.
An euch beide kam er nicht heran, weil ihr zu gut abgesichert seid, aber es war für ihn sicher ein Leichtes, eure familiären Verhältnisse auszukundschaften und sich daraufhin deinen Schwiegervater als leichter einzufangendes Faustpfand auszusuchen.“
„Dieser gottverdammte Schweinehund“, fluchte Alex mit zorniger Stimme. „Fast wäre er damit durchgekommen. Danke dir Harry, vielen Dank für deine Hilfe – wir gehen jetzt gleich zum ersten Verhör und konfrontieren die Bande mit unserem neu erworbenen Wissen. Bleib noch einen Moment auf Empfang, ich rede jetzt erst noch mit Oskar 3.“
„Ich kann die ermittelten Daten und Fakten von Herrn Marten nur vollumfänglich bestätigen“, begann Oskar 3 sofort zu sprechen. „Aber einen Punkt solltest du noch wissen, Fürst. Wir haben eine Netzüberwachung durchgeführt und dabei das Umfeld dieses Boris überprüft. So wie es aussieht, sind die von euch inhaftierten Männer nur ein kleiner Teil der von ihm kontrollierten Mafia-Bande.
Wir haben eine Reihe von Handy- und Mailadressen auf der Krim, aber auch hier im Land lokalisiert, die wir momentan tracken. Ich übermittle die Daten in Kürze auf den Server des Polizeipräsidiums München.
Es sind demnach noch weitere 22 Personen aus seinem Umfeld bei uns in Oberbayern unterwegs und im Moment scheinen sich diese Leute in zwei Gruppen von unterschiedlichen Orten aus nach München und in Richtung Traunstein zu bewegen. Daher rate ich zu außerordentlich starken Sicherheitsmaßnahmen, wenn ihr eure Gefangenen woanders hinbringt. Ferner sollten Mora und auch du sowie Max Klausner ab sofort sehr vorsichtig sein und umfassend auf eure persönliche Sicherheit achtgeben.“
„Danke Oskar 3, wir werden deinen Rat befolgen. Als erstes verpasse ich nachher Max eine Schutzschirmausrüstung und Mora und ich werden uns ebenfalls absichern. Vor allem aber will ich morgen bei unserer Hochzeit keine unliebsamen Überraschungen erleben.“
„Da mach dir mal keine Sorgen“, mischte sich jetzt Hans Breitner in das Gespräch ein. „Ab heute Nachmittag bekommt ihr nämlich Polizeischutz – und ich dulde darüber, auch wenn du, mein lieber Alex, gerade die Stirn in Falten legst, keine Widerrede. Und was die 22 noch in Freiheit befindlichen Verbrecher angeht – ich denke, dass wird Andreas mit Unterstützung von Hans Huber, Nick Carter und der künftig auf der Erde verbleibenden Androidencrew schon geregelt bekommen.“
„Wovon du ausgehen kannst, Hans“, warf Andreas Schütz ein. „Ich setze mich später direkt mit Hansi und Nick in Verbindung und bespreche alles Weitere mit ihnen. Das wird dann sozusagen die Feuertaufe, für die während eures Flugs nach Laro zurückbleibenden Kräfte deiner Firma, Alex.
Nach meiner Ansicht müssen wir aufgrund der bislang von Oskar 3 ermittelten Bewegungsprofile von zwei möglichen Angriffszielen ausgehen, die sich Boris wahrscheinlich als Plan B und C ausgedacht hat. Nummer 1 ist eure morgen stattfindende Hochzeitsfeier, deren Datum und Uhrzeit ja bereits öffentlich bekanntgegeben worden ist. Und Nummer 2 ist das Hochsicherheitsgefängnis am Hammerberg, auf das Boris zweite Gruppe möglicherweise einen Frontalangriff plant, wenn Plan B ebenfalls schiefgehen sollte.“
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