Es kann als Skandal aufgefasst werden, wie wankelmütig die deutsche Bundeskanzlerin die Unterstützung ursprünglich privater, inzwischen aber verstaatlichter Geschäftsbanken in den Krisenländern mit dem Geld der Steuerzahler akzeptiert hat. Noch beim Krisengipfel im Oktober 2012 in Brüssel wurde von Angela Merkel die Rekapitalisierung von Pleitebanken mit Geldern aus dem ESM-Rettungsschirm gegen den Widerstand Frankreichs abgelehnt. Nach Beschluss der 27 europäischen Staats- und Regierungschefs wurde als Voraussetzung für die Gewährung von Hilfen des ESM an die Banken die Einrichtung einer starken zentralen Aufsicht über die Banken der EURO-Länder festgelegt, die aufgrund der Komplexität der Aufgabe frühestens Ende 2013 erreicht werden könnte 71.
Nicht einmal zwei Monate später sah die politische Einschätzung in Berlin ganz anders aus. Bereits Mitte Dezember 2012 sollten gemäß Zustimmung seitens der EU-Kommission und nach Genehmigung des Hilfsantrags Spaniens durch den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages mehreren spanischen Banken 40 Milliarden EURO an Finanzhilfen aus dem ESM-Rettungsfonds überwiesen werden 72.
Wie wir mittlerweile wissen, sind inzwischen 42 Milliarden EURO aus dem ESM-Rettungsfonds an spanische Banken ausgezahlt worden, um die Überschuldung der verstaatlichten Banken in Spanien auf Kosten der europäischen Steuerzahler zu verringern 73. Aufgrund der Gewährung von Finanzhilfen an die spanischen Banken in dieser absurd hohen Größenordnung von 41 Milliarden EURO sinkt das Ausleihevolumen des ESM, der sich über die Finanzmärkte refinanziert, um den dreifachen Betrag, also um etwa 120 Milliarden EURO, wenn sich das Bonitäts-Rating des ESM-Rettungsfonds nicht verschlechtern soll.
Die damit verbundene Reduzierung des Ausleihevolumens für Staaten scheint allerdings in Europa für die Entscheidungsträger kein großes Problem zu sein. Es wird Steuergeld abgeräumt, solange es eben geht und die Politiker der Geberländer diese Zusammenhänge nicht durchschauen. Bezeichnenderweise war der erste Rettungseinsatz, den der ESM unter Leitung von Klaus Regling durchführte, die Unterstützung der spanischen Banken mit 42 Milliarden EURO, die an den spanischen Bankenrettungsfonds Frob gewährt wurde 74. Als „Gegenleistung“ haben die Pleitebanken dem ESM hauptsächlich Immobilienkredite und Schrottimmobilien übertragen.
Inzwischen stehen schon weitere Finanzhilfen für die spanischen Banken und ein Hilfsantrag von Irland für die Rekapitalisierung der irischen Banken beim ESM auf der Tagesordnung 75. Die Überforderung des ESM-Rettungsfonds zeichnet sich schon wenige Wochen nach Durchführung der ersten Rettungsaktionen ab. Vermutlich geht die Rettung der Banken aber auch dann noch weiter, wenn nur noch wenig Geld im ESM verfügbar ist. Es gibt ja noch die EZB, die sich entgegen ihres gesetzlich festgeschriebenen Auftrags gern auch als äußerst kreativer Erfüllungsgehilfe finanzschwacher Finanzminister einspannen lässt, wie wir im nächsten Kapitel sehen werden.
Betrachten wir hierfür die Auswirkungen der Rettungsmaßnahmen der EZB auf die Bankenschuldenkrise in Irland, das gerade aus deutscher Sicht immer wieder als Musterland der Rettungsmaßnahmen gepriesen wird. Hier lernen wir eine weitere Form haarsträubender EURO-Rettungsmechanismen der Notenbanker kennen, die bis heute völlig ohne parlamentarische Kontrolle funktionieren. Bereits Anfang 2011 waren die Notfallverbindlichkeiten von Irland auf über 50 Milliarden EURO gewachsen 76. Anbetracht der Tatsache, dass für die Rettung der irischen Banken etwa 64 Milliarden EURO notwendig waren, wurde wie in Zypern auch dort mit Duldung der EZB ein Großteil der Bankenrettung über die nationale Notenbank organisiert und der irische Staat von seiner Verpflichtung zur Rettung seiner eigenen Banken enthoben 77.
Sehen wir uns diesen interessanten Fall Irland etwas näher an. In der Presse wurde ausführlich darüber berichtet. Der deutsche EZB-Direktor Jörg Asmussen hatte sich auf Geheiß des deutschen Finanzministers Wolfgang Schäuble für die Lösung des 32 Milliarden EURO Problems der Anglo Irish Bank eine besonders abenteuerliche Abwicklung für die unrechtmäßigen Bankenrettung durch die irische Notenbank mit Hilfe der Liquiditätshilfen einfallen lassen. Die Grundzüge der Transaktionen sind schnell erklärt.
Die irische Regierung erklärte die staatliche Abwicklungsgesellschaft der Anglo Irish Bank für insolvent. Die irische Notenbank tauschte die im Rahmen der kurzfristigen Notfallkredite aufgelaufenen Forderungen gegenüber der Anglo-Abwicklungsgesellschaft in irische Staatsanleihen mit einer Laufzeit von 25 Jahren ein. Durch die Finanzierung der Banken- und Staatsschulden mittels der Notenpresse der irischen Notenbank konnte der irische Staat auf die Ausgabe Staatsanleihen im Wert von 20 Milliarden EURO auf den Finanzmärkten verzichten 78. Das wird die Defizitquote in den nächsten Jahren senken und Herr Schäuble möchte so das Märchen von der erfolgreichen Bankenrettung seitens des irischen Staates in der deutschen Öffentlichkeit aufrechterhalten.
Ebenso hätte die irische Notenbank auch direkt Staatsanleihen des Krisenlandes kaufen können. Mit dem Kunstgriff, einen Schuldschein des Staates zwischenzuschalten, der im Rahmen der kurzfristigen Finanzierung der Anglo Irish Bank, bzw. der Anglo-Abwicklungsgesellschaft entstanden war, hat Herr Asmussen jedoch vergeblich versucht, den Tatbestand der direkten Staatsfinanzierung zu verschleiern. Die Wirtschaftszeitungen in Deutschland sind von bemerkenswert hoher Qualität und decken solche durchsichtigen Manöver zuverlässig auf. In diesem Fall handelt es sich also nicht nur um eine Bankenrettung, die nicht im Auftrag der EZB lag, sondern auch um eine verbotene Staatsfinanzierung mittels der Notenpresse. Da der genaue Sachverhalt dieser Vorgehensweise nur anhand der komplizierten Verträge ersichtlich ist, sollte eine juristische Prüfung der Rolle von Herrn Asmussen als deutscher EZB-Direktor bei diesem Geschäft angestrebt werden.
Es steht zu befürchten, dass dieser Weg einer langfristigen Finanzierung von Staatsschulden und Bankenschulden über die Notenpresse (notdürftig getarnt als ELA-Liquiditätskredite) auch in anderen Krisenländern beschritten wird, die das Problem der Überschuldung ihrer Banken nicht aus ihrem Staatshaushalt finanzieren können oder wollen. Die ursprünglich nur für die kurzfristige Überbrückung gedachten Liquiditätskredite sollen den irischen Banken mittlerweile für 25 Jahre von der nationalen Notenbank zur Verfügung gestellt werden. Bei einem so langen Zeitraum der Kreditgewährung kann weder von kurzfristigen Liquiditätshilfen noch von geldpolitischen Maßnahmen ausgegangen werden. Es handelt sich in diesen Fällen um verbotene Staatsfinanzierung zur Rettung von Pleitebanken in den Krisenländern seitens des EZB-Systems.
Die Banken Irlands sind also nicht kurzfristig illiquide, sondern strukturell überschuldet und müssten eigentlich auf Kosten des Staates abgewickelt werden. Schließlich haben die Staaten die die Bankenaufsicht in den vergangenen Jahren so fahrlässig geführt haben und führen diese immer noch. Wie am Beispiel von Zypern bereits gezeigt, werden durch diese Rettungsmaßnahmen der EZB mittels direkter Finanzhilfen die Investoren geschützt, die den irischen Banken Geld geliehen haben und es werden die Risiken der Bankenrettung auf die Steuerzahler der EURO-Länder verlagert, deren Notenbanken im Rahmen von Target2 Geldforderungen gegenüber den Notenbanken der Krisenländer aufbauen.
Auch die deutschen Steuerzahler wurden zur Bewältigung der Bankenkrise in Irland in großem Umfang herangezogen. So hat die irische Tochter „Depfa“ mit riskanten Geschäften ihre deutsche Muttergesellschaft Hypo Real Estate (HRE) in die Pleite getrieben und musste vom deutschen Staat gerettet werden, was den deutschen Schuldenberg um 163 Milliarden EURO erhöht hat 79. Die seitens des Bankenrettungsfonds Soffin gewährten staatlichen Garantien für risikobehaftete Wertpapiere wurden am 13.12.2013 von der letzten Bank abgelöst, für die Garantien in Höhe von 168 Milliarden EURO haben die Banken seit 2008 insgesamt 2,15 Milliarden EURO in Form von Gebühren an den Bankenrettungsfonds gezahlt 80.
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